Wer spielt hier mit Arbeitsplätzen?

Den originär theologischen und katholischen Themenstellungen des Papstes kann ich durchaus etwas abgewinnen. Aber wie der Papst über Wirtschaftspolitik und Marktwirtschaft redet, irritiert mich sehr.

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Unter konservativen Katholiken (wie immer man die schubladisiert) gibt es mitunter nicht geringe Kritik an unserem Papst Franziskus, oft hinsichtlich seiner Einstellung zur Liturgie, die in der Tat – ich bitte den Begriff neutral aufzufassen – entspannter zu sein scheint als die seines Vorgängers, oft auch hinsichtlich seiner Predigten und Ansprachen, die er vielfach aus dem Stehgreif hält und die ab und an Interpretationsspielraum auch über den Rahmen der katholischen Lehre hinaus lassen. Zuletzt stand er in der Kritik, nicht ausreichend gegen die Christenverfolgungen im Irak und in Syrien protestiert zu haben – und ich nehme zu deren Gunsten an, dass die Kritiker sich über die Vielzahl der päpstlichen und ergänzenden vatikanischen Äußerungen dazu einfach nicht im Klaren waren. Ab und zu beschleicht einen dabei schon das Gefühl, der Papst könne gegenüber bestimmten katholischen Interessengruppen nichts richtig machen, weil es in ihren Augen entweder falsch ist, zu wenig konkret oder zu spät kommt. Sei’s drum, was kümmert es die (deutsche oder argentinische) Eiche wenn …

Nachdem ich selbst also den originär theologischen und katholischen Themenstellungen des Papstes durchaus etwas abgewinne, den Unterschied zwischen ihm und Papst Benedikt XVI. sehr wohl sehe, sie aber nicht in der Weise bewerte, hier sei nun neuerdings ein „Modernisierer“ am Werk, sondern eine neue, oder besser geänderte Schwerpunktsetzung begrüße (nach der notwendigen theologischen und liturgischen Selbstvergewisserung nun die Mission – unsere Botschaft muss auf die Straße und an die Menschen gebracht werden!), gibt es andererseits aber auch Äußerungen des Papstes, die mich irritieren. Diese beziehen sich nicht auf lehramtliche Äußerungen sondern darauf, wie der Papst sie im Hinblick auf eher weltliche Themen deutet. Man ahnt es: Es geht um Wirtschaftspolitik und Marktwirtschaft.

Ich habe an anderer Stelle den Papst schon mal vor dem Vorwurf in Schutz genommen, ein Kommunist zu sein; das lässt sich weder aus seinen mündlichen Äußerungen noch aus seinen Schreiben entnehmen. Dass seine Sicht auf die Wirtschaft jedoch nicht gerade von einer ausgesprochenen Marktfreude geprägt ist, lässt sich auch nicht verheimlichen. Prägnantes Beispiel ist das Zitat aus dem Lehrschreiben „Evangelii Gaudium“, in dem es in Abschnitt 53 heißt:

Ebenso wie das Gebot „du sollst nicht töten“ eine deutliche Grenze setzt, um den Wert des menschlichen Lebens zu sichern, müssen wir heute ein „Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung und der Disparität der Einkommen“ sagen. Diese Wirtschaft tötet. Es ist unglaublich, dass es kein Aufsehen erregt, wenn ein alter Mann, der gezwungen ist, auf der Straße zu leben, erfriert, während eine Baisse um zwei Punkte in der Börse Schlagzeilen macht. Das ist Ausschließung. Es ist nicht mehr zu tolerieren, dass Nahrungsmittel weggeworfen werden, während es Menschen gibt, die Hunger leiden. Das ist soziale Ungleichheit. Heute spielt sich alles nach den Kriterien der Konkurrenzfähigkeit und nach dem Gesetz des Stärkeren ab, wo der Mächtigere den Schwächeren zunichte macht. Als Folge dieser Situation sehen sich große Massen der Bevölkerung ausgeschlossen und an den Rand gedrängt: ohne Arbeit, ohne Aussichten, ohne Ausweg.

Da man nicht davon ausgehen kann, dass der Papst ein Wirtschaftsliberaler ist, kann man kaum anders als annehmen, dass er dabei den Kapitalismus im Blick hat – besser: Das, was er dafür hält! In der Tat gibt es Auswirkungen unserer „Wirtschaftsordnung“, die für Arbeitslosigkeit und Armut verantwortlich sind, man darf allerdings bezweifeln, dass das auf eine „entfesselte Marktwirtschaft“ oder einen „Raubtierkapitalismus“ zurückzuführen ist; eher schon sind das Reaktionen und daraus sich entwickelnde Folgewirkungen staatlicher Einflussnahmen, die letztlich immer in einer Interventionsspirale münden – Armut ist dabei nicht das Kennzeichen der freien Marktwirtschaft sondern das Symptom einer fehlenden solchen!

Nun nehme ich dem Papst nicht übel, die Zusammenhänge der Wirtschaft nicht zu verstehen, kein Experte beispielsweise in der Österreichischen Schule der Nationalökonomie zu sein; und so lange wie er Symptome anprangert, wie die himmelschreiende Armut in manchen Ländern, ohne die Ursachen analysieren zu wollen, kann ich auch damit gut leben. Kritisch wird es allerdings dann, wenn der Papst sich als „moralische Instanz“ in Belange der Betriebswirtschaft einmischt und sie in deutlichen Worten kommentiert, gerade wenn diese Kommentare von den überwiegend marktkritisch eingestellten Medien begierig aufgegriffen werden. Aktuell stehen folgende Aussagen im Raum, die der Papst zum Thema geplanter Stellenstreichungen italienischer Stahlarbeiter durch die deutsche Firma ThyssenKrupp geäußert hat. Die österreichische presse.com zitiert den Papst wie folgt (analog auch Spiegel online):

"Ich bringe meine tiefe Besorgnis über die schlimme Situation vieler Familien in Terni wegen des Projekts der Firma ThyssenKrupp zum Ausdruck", sagte der Pontifex am Mittwoch bei der Generalaudienz in Rom.

"Mit Arbeit spielt man nicht", sagte Papst Franziskus. Im Zentrum jeder Frage müssten der Mensch und seine Würde stehen, forderte das 77 Jahre alte Oberhaupt der katholischen Kirche.

"Ich appelliere erneut, dass nicht die Logik des Profits gewinnen darf, sondern die der Solidarität und Gerechtigkeit", forderte er. Wer Arbeitsplätze streiche, um mehr Geld zu verdienen, nehme auch den Menschen ihre Würde.

Nun muss man dazu sagen, dass der Papst in derartigen Fragen zunächst mal nur „seine Meinung“ sagt, das alles sind keine lehramtlichen Aussagen, die den Glaubensschatz der Kirche repräsentieren. Trotzdem genießt das Wort des Papstes eben auch internationales Gewicht; wendet er sich konkret gegen Pläne eines benannten Unternehmens, hört die Welt hin! Naivität würde ich dem Papst in diesem Sinne nicht unterstellen, wenn er solche Worte vor Zehntausenden Menschen spricht (wobei mir neben der Mittwochaudienz der genaue inhaltliche Rahmen leider nicht klar ist), daher wird ihm klar sein, was sie bewirken und diese Wirkung einkalkuliert haben.

Weiter nimmt es kaum Wunder, dass sich die Kommentatoren in den Online-Medien überschlagen in Vorwürfen gegen die Kirche, die ihrerseits im Umgang mit Menschen nicht immer zimperlich sei – Kommentare die über bekannte Pauschalierungen und unbewiesene Behauptungen nicht hinaus gehen, aber auch das sind die erwartbaren Reaktionen der Gesellschaft auf einen solchen „Papst-Rüffel“.

Inhaltlich allerdings ist die Aussage geprägt von einer erschreckenden Unkenntnis von Sachlagen und wirtschaftlichen Zusammenhängen. Natürlich ist es richtig, dass es für einen Katholiken keinen Primat des Profits geben darf. Umgekehrt läuft aber eine Solidarität auch von Unternehmen ins Leere, wenn diese die Logik des Profits grob missachten. Steuert ein Unternehmen in die Pleite sind es am Ende die Sozialsysteme, die für noch deutlich mehr Mitarbeiter aufkommen müssen, die dann ihren Arbeitsplatz – und wie der Papst richtig sagt, einen Teil ihrer Würde – verlieren.

Um eine Pleite eines Unternehmens zu vermeiden ist eben auch die Wettbewerbsfähigkeit zu beachten. Gerade in der Stahlbranche ist seit Jahrzehnten bekannt, dass europäische Standorte, nicht zuletzt auch wegen des hohen gewerkschaftlichen und staatlichen Einflusses und entsprechend bindenden Tarifverträgen, hier nicht besonders gut dastehen. Ein Strukturwandel täte Not, der in einem freien Markt schon lange und tatsächlich sozialverträglich eingesetzt hätte, der aber gerade durch staatliche Interventionen immer wieder verschoben und verhindert wird. So hat sich für das nun betroffene Werk vor einigen Jahren bereits Papst Johannes Paul II. eingesetzt – allerdings mit anderen Worten: „Ich bin bei euch in eurer schwierigen Zeit und hoffe, dass eine faire Lösung für euch und eure Familien gefunden werden kann.“ (Dank an den Kreuzknappen für den Hinweis). Das ist etwas ganz anderes als die Verurteilung der Profitorientierung eines Unternehmens!

Moralisch in der Tat verwerflich wäre die gedanken- und mitleidslose Streichung von Arbeitsplätzen, die erhaltbar und sinnvoll für den Unternehmenserhalt wären. Auch hier bin ich der Ansicht, dass dies am Ende die Entscheidung - und auch die moralische Verantwortung - eines Unternehmers oder eines beauftragten Managements sein muss, in dem Fall halte ich den rechtlich nicht bindenden „Einspruch“ des Papstes oder anderer Gesellschaftsvertreter aber für gerechtfertigt. Ebenso zu verurteilen ist aber ein moralischer Rigorismus, der die Entlassung von Mitarbeitern generell ausschließt. Eine solche Einstellung, die in Unternehmen weniger, in der Politik überwiegend und in den Medien fast flächendeckend anzutreffen ist, versperrt den Weg zur Weiterentwicklung von Gesellschaft und Unternehmen, vor allem aber auch von Menschen, die dazu in der Lage sind, und verhindert langfristig ein Sozialsystem, in dem die, die das – zum Beispiel aufgrund ihres Alters – nicht mehr in der Weise können, gestützt werden.

Mit anderen Worten: „Rettet“ ein Unternehmen wie ThyssenKrupp die hier in Rede stehenden 550 Arbeitsplätze, setzt es damit womöglich ein Vielfaches von Arbeitsplätzen auf’s Spiel! Und – wie der Papst richtig sagt – „mit Arbeit spielt man nicht!“ Diese Zusammenhänge sollte auch der Papst in seinen Äußerungen berücksichtigen, gerade wenn es konkrete Menschen und Unternehmen geht. Andernfalls macht er es denjenigen in der katholischen Kirche schwer, die versuchen, wirtschaftlichen Sachverstand mit ihrem Glauben zu verknüpfen, gleichzeitig verantwortlich Katholik und verantwortlich Marktwirtschaftler zu sein, aus der Erkenntnis heraus, dass beides nicht nur kompatibel ist sondern aufgrund beider Vernunftgemäßheit eine Einheit darstellen sollte.

Zuerst erschienen auf papsttreuer.blog.de

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