Wenn "Wirtschaftswissenschaftler" mit einem Hebel hantieren

Politiker schimpfen auf Investmentbanker, die mit Hebelgeschäften den Finanzmarkt ins Wanken bringen. Jetzt wollen sie selbst zu diesem Mittel greifen - ohne die Risiken beim Namen zu nennen.

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Statt Carla Bruni bei der Geburt ihres Kindes beizustehen, flog Präsident Sarkozy letzte Woche zu Angela Merkel, damit sie ihm bei der Geburt eines neuen Handwerkszeugs beistehe: der Banklizenz für den neuen Rettungsfonds. Frankreichs Bonität wackelt. Damit könnte er die Notenpresse anwerfen lassen und sich weitere unpopuläre Reformen im Präsidentenwahlkampf ersparen. Allzu gern würden die deutschen Euromantiker unseren Nachbarn wieder einmal zur Hilfe eilen, aber eine Banklizenz oder eine neuerliche Abstimmung im Bundestag über weitere Bürgschaften zu Lasten deutscher Steuerzahler und ihrer Kinder scheut selbst diese Bundesregierung. Das Risiko, dass diesmal die Kanzlermehrheit verfehlt werden könnte, ist ihr zu groß.

Um die Zustimmungspflicht des Bundestages auszuhebeln, kamen unsere phantasievollen Euroretter auf die Idee, die gerade eben beschlossenen Garantien mittels einer griechischen Erfindung um ein Fünffaches auszuweiten. Von Archimedes stammt das Zitat: „Gebt mir einen festen Punkt im All, und ich werde die Welt aus den Angeln heben.“ Die Eurokrise zeigt schon lange, dass sogar das kleine Griechenland die ganze Eurozone aushebeln kann.

Zwar haben sich bisher nur Bauarbeiter und Finanzjongleure eines Hebels bedient, jetzt wollen die Politiker ihn auch haben. Man stelle sich vor: Die gleichen Politiker, die den Bankern mit Hinweis auf diese „Finanzhebel“ bei jeder Gelegenheit Zockermentalität unterstellen, greifen jetzt selbst in den Instrumentenkasten der Zocker. Dumm nur, dass Minister Schäuble in der Diskussion um den neuen „Rettungsschirm“ auch das „Hebeln“ ohne Befassung des Bundestages ausgeschlossen hatte.

Deshalb soll jetzt nicht mehr „gehebelt“ sondern „versichert“ werden. Das klingt irgendwie seriöser, so nach Teilkasko und Lebensversicherung. Dadurch würden die vorhandenen Garantien „effektiver eingesetzt”. Auch private Investoren würden sich am Risiko beteiligen können. Reihenweise zeigten sich Chefvolkswirte von Banken und sogar der Chef des industrienahen IW begeistert von so viel politischer Phantasie. Dadurch könne man die vom Bundestag genehmigte Bürgschaft auf das Fünffache, bis zu einer Billion Euro „hebeln“, ohne die genehmigte Summe von 211 Milliarden Euro erhöhen zu müssen.

Dass dadurch die Wahrscheinlichkeit, die vom Bundestag genehmigten 211 Milliarden ganz zu verlieren, auch entsprechend „gehebelt“ wird, haben diese von Banken und Industrie bezahlten „Wirtschaftswissenschaftler“ verschwiegen. Gut, dass es noch Ökonomen wie Vaubel von der Uni Mannheim und Issing von der Goethe-Uni Frankfurt gibt. Sie haben darauf aufmerksam gemacht. Auf diese sollten unsere Abgeordneten hören.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich auf www.handelsblatt.com

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Meier

Danke für Ihr Engagement Herr Prof. Dr.
Henkel.
Auch für die klare Wahrnehmung und konstruktive Vermittlung von Lösungswegen aus dem "Euro-Dilemma".

Ich glaube, dass es aber für die Beauftragung von sachkundigen, bzw. zumindest ihren Wählern verantwortlich gegenüber handelnde Mandatsträger, die als Politiker in die Öffentlichkeit und auch Zuständigkeiten zu bringen, muss eine neue Partei so schnell wie möglich antreten. Das Wählerpotenzial für eine Partei, die ganz klar in ihrem Profil die Perspektiven von mündigen Bürgern vertritt, die nicht mehr staatlich, bevormundende Gängelung und nicht nochmehr ideologisch motivierte Besteuerung ertragen wollen, ist definitiv vorhanden.

Ich würde eine solche Partei sicherlich nicht als ein Experiment ansehen, dafür ist das Wählerpotenzial einfach viel zu riesig.

Gravatar: Christine Staffler

Lieber Herr Henkel,
gerne habe ich mich heute für diese Internetseite registriert, da ich politisch nicht nur sehr ingteressiert bin, sondern auch gern aufmucke und erst vor kjurzem einen Brief an alle Parteien geschickt habe, trotzdem ist es frustrierend.Sie haben ja in allen Punkten Recht, auch bisher schon immer in den diversen TV-Auftritten habe ich dies verfolgt, doch wir sind doch als Bürger entsetzlich machtlos. Leider, ich sehe keine Möglichkeit wirklich etwas zu bewirken. Viele Grüße C.S.

Gravatar: Elmar Oberdörffer

Die Abgeordneten werden nicht auf Ökonomen wie Vaubel oder Issing hören. Sie wissen eh alles besser, sind beratungsresistent, und dann gibt es ja noch den Primat der Politik (vor der Vernunft).

Gravatar: Bürger

Wer hilft denn endlich uns armen Bürgern? Wo bleibt eine echte Opposition gegen die verantwortungslose Politik?

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