Weltordnung: Suche nach der Ordnung im Chaos

Weltpolitik und Weltwirtschaft sind komplex und von Unsicherheiten geprägt. Daher suchen die mächtigen Staaten nach Konzepten einer neuen Weltordnung. Diesen Konzepten sollen sich die kleineren Staaten unterordnen. Dabei reduziert sich ihre Freiheit und Souveränität, eigene Interessen zu verfolgen.

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Seit Jahrtausenden versuchen Gesellschaften und Staaten, ihre Umwelt und ihr Verhältnis zu anderen Gesellschaften einer gewissen Ordnung zu unterstellen. Hierzu konzipieren sie ein Weltbild, das Richtung und Orientierung gibt. Bei einem solchen Weltordnungskonzept steht die eigene Gesellschaft im Mittelpunkt, sozusagen als Wertmaßstab.

Im alten China und alten Ägypten galt das eigene Reich als Hort der Ordnung und Harmonie. Das Ausland wurde als Chaos wahrgenommen, weil es den eigenen Ordnungsvorstellungen widersprach. Die Griechen erkannten trotz ihrer Vielstaatlichkeit ein gewisses Ordnungsprinzip in ihrer hellenischen Welt. Alles andere war das Reich der Barbaren. Die Römer unterstellten den gesamten Mittelmeerraum der Pax Romana. Auch für sie galt alles außerhalb dieses Reiches als chaotisches Territorium der Barbaren. Ein ähnliches Konzept verfolgten in der Neuzeit die Briten mit ihrem Weltreich.

Man bezeichnet solche Sichtweisen auf die Welt als ethnozentristisch, weil sie das eigene Volk, die eigene Kultur und Gesellschaft in den Mittelpunkt rücken. Man selbst ist das Zentrum, der Rest der Welt ist die Peripherie.

Doch in den letzten zweihundert Jahren rückten die Länder, Staaten und Mächte zusammen. Umso mehr nahm man von dieser Sichtweise Abstand. Nun galt es, in diplomatischer Absprache mit anderen eine Art Ordnungskonzept auszuhandeln, an dem sich alle orientieren können. Frühe Beispiele dieser Art sind die Verhandlungen nach dem Dreißigjährigen Krieg, die zum Westfälischen Frieden 1648 geführt haben. Auch der Wiener Kongress 1815 nach den Napoleonischen Kriegen ist ein solches Instrument gewesen, um einen ganzen Kontinent zu „ordnen“. Es waren Frühformen des Versuches, eine Weltordnung zu erstellen. Ein wichtiger Bestandteil dieser Ordnungen war es, Regeln aufzustellen, die das internationale Miteinander der Staaten und Volksökonomien organisieren.

Das 20. Jahrhundert hat die Staaten endgültig global zusammengeführt. Zwei Weltkriege haben gezeigt, dass ohne eine internationale Verständigung und ohne ein globales Ordnungsprinzip eine friedliche Koexistenz schwierig ist. Wichtige Antworten hierauf waren die Gründung des Völkerbundes 1920 und in dessen Nachfolge die Schaffung der Vereinten Nationen 1945. Hinzu kamen komplexe Bündnissysteme und unzählige multilaterale und bilaterale Abkommen.

Die drei dominierenden Ordnungstendenzen unserer Zeit

Seit etwa dreißig Jahren geistert das Wort „Neue globale Weltordnung“ – „New Global Order“ durch die Medien. Das ist kein verschwörungstheoretisches Konstrukt. Diesem Wort hat der US-Präsident George Bush Senior nach dem Untergang der Sowjetunion und des Warschauer Paktes eine neue Prägung gegeben.

Derzeit gibt es drei dominierende Kräfte im Spiel um die neue globale Ordnung. Zum einen gibt es die Institutionen der westlichen Industriestaaten, zu denen auch Australien und Japan, vornehmlich jedoch Europa und Nordamerika gehören. Unter der Führungsrolle der USA, die auch vom derzeitigen US-Präsidenten Barack Obama betont wird, versuchen diese Staaten, ein Ordnungsprinzip aufzubauen, das auf Handelsabkommen und militärischen Bündnissen wie beispielsweise der NATO beruht. Es geht um die Sicherheit der Ressourcenzugänge und um die Stabilität der Märkte.

Die zweite Kraft sind die Schwellenländer, die wirtschaftlich immer stärker werden. Hier sind die BRICS-Staaten dominierend: Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, aber auch die Ölscheichtümer am Golf und Stadtstaaten wie Singapur. Der Motor dieser Entwicklung bleibt vor allem China.

Eine dritte Kraft ist der zentripetale Sog Europas. Durch die EU-Institutionen ist der Kontinent auf dem Weg zu einem neuen Zentralismus, um als sich als Einheit den globalen Herausforderungen zu stellen. Diesem Sog können sich auch die an der Peripherie Europas gelegenen Staaten nicht entziehen. Eine Nebenwirkung dieses Prozesses ist die schwindende Souveränität der einzelnen Staaten und Völker.

Gefahr der Weltordnungsideen: Verlust der Souveränität

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte bei ihrer Rede 2011 auf dem Evangelischen Kirchentag: „Wenn man eine wirkliche Weltordnung haben will, eine globale politische Ordnung, dann wird man nicht umhinkommen, an einigen Stellen auch Souveränität, Rechte an andere abzugeben.“

Tatsache ist, dass „Global Player“ wie die USA ihre nationalen Interessen in die Ziele der neuen globalen Weltordnung einfließen lassen. Ihre Ordnung soll die Ordnung Aller werden. Andere Staaten, wie zum Beispiel Deutschland, ordnen sich diesen Richtungsvorgaben unter.

Dies hat zur Folge, dass unmittelbare Interessen der einzelnen Bevölkerungen den übergeordneten Forderungen der Weltordnungskonzepte zum Opfer fallen. Das ist eine Gefahr für die Demokratie. Die Menschen verlieren Einfluss auf das Geschehen im eigenen Lande.

Wir müssen jedoch die Weltordnungskonzepte der Staaten als historische und politische Realität anerkennen. Daher ist es wichtig, dass in allen demokratischen Staaten die Bevölkerungen auch an den außenpolitischen Richtungsentscheidungen maßgeblich beteiligt werden und bei der Gestaltung der internationalen Ordnungskonzepte ihre eigenen Interessen deutlich ausdrücken können, statt dies anderen zu überlassen.

Stichwort: GeoAußenPolitik

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