Wehrpflicht ade! Oder doch nicht?

Die Medien feiern heute die Aussetzung der Wehrpflicht. Tatsache oder eher eine "Wasserstandsmeldung" des Verteidigungsministers zu Guttenberg zum derzeitigen Planungsstand in seinem Ministerium?

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Die Medien überschlagen sich heute mit Überschriften wie “Guttenberg begräbt die Wehrpflicht” (Focus); “Gute Chancen für Guttenbergs Freiwilligenarmee” (Welt); “Bundeswehr – Freiwilige bitte vortreten” (Süddeutsche) oder “Guttenberg will eine Freiwilligen-Armee” (Bild). Nach diesen Medienberichten plant der Verteidigungsminister eine Reduzierung um circa 40000 Zeit- und Berufssoldaten auf 165000 Soldaten. Die Wehrpflicht soll ausgesetzt werden, im Grundgesetz aber verankert bleiben. 7500 freiwillig Wehrdienstleistende sollen eingeplant werden.

Gerüchte statt Fakten

Eigentlich nichts Neues! Die jetzt veröffentlichten Zahlen waren von Anfang an ein Modell unter vielen. Die heutige Berichterstattung in den Medien ist nicht mehr und nicht weniger als eine “Wasserstandsmeldung”, eine Darstellung der Präferenzen des Verteidigungsministeriums unter Guttenbergs Führung. Ob dieses Modell tatsächlich so umgesetzt wird, bleibt deshalb fraglich. Es ist im derzeitigen Planungsstadium nicht mit den Koalitionsfraktionen angesprochen. Viele Abgeordnete der Regierungsparteien werden von diesen konkretisierten Plänen Guttenbergs wahrscheinlich in ihrem Urlaub aus der Presse erfahren haben. So erklärt der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion und Hauptberichterstatter im Haushaltsausschuss für den Etat des Bundesverteidigungsministeriums, Jürgen Koppelin: “Alle in den vergangenen Tagen veröffentlichten Berichte über die zukünftige Personalstärke und Strukturen der Bundeswehr basieren auf Vermutungen. In der Koalition werden noch in diesem Monat Beratungen über die zukünftige Gestaltung der Bundeswehr stattfinden. Deshalb basieren auch Berichte über zukünftige Aufgaben und Kompetenzen im Bundesverteidigungsministerium nicht auf einer beschlossenen Grundlage.” Guttenberg ist damit einmal mehr vorgeprescht, ohne Rücksicht auf Parteifreunde und Koalitionspartner. Vor der Sommerpause war vereinbart worden, dass die Entscheidung über die Aussetzung der Wehrpflicht erst nach den Parteitagen der CDU und CSU im Spätherbst getroffen werden sollte.

Gerade von diesen Parteitagen wird die Aussetzung der Wehrpflicht maßgeblich abhängen. Haben doch Politiker der Union die Wehrpflicht zur Identitätsfrage, ja fast zu einer religiösen Frage, erklärt. Noch Ende Juli ließ Merkel den irritierenden Satz fallen, “wegen zwei Milliarden kann ich nicht die deutsche Sicherheit aufs Spiel setzen”. Ebenso galt es, die Ergebnisse der Strukturkommission unter Frank-Jürgen Weise im November abzuwarten. Guttenberg will seine Pläne nun am 23. August im Verteidigungs- und im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags erläutern.

“Die Reform muss für die nächsten 20 bis Jahre halten”

Das forsche Vorgehen Guttenbergs hat grundsätzlich etwas Gutes, packt er doch endlich die überfälligen Reformen bei der Bundeswehr an. Reformen, die unter dem Deckmäntelchen der Transformation unter der rot-grünen bzw. Großen Koalition vernachlässigt wurden. Der Verteidigungsminister wäre aber gut beraten, seine eigenen Parteifreunde – vor allem die Kanzlerin – mitzunehmen und von der Notwendigkeit einer neuen Struktur samt Aussetzen der Wehrpflicht zu überzeugen. Denn diese Reform muss sitzen und darf nicht in einem faulen Kompromiss enden. So mahnte denn auch die sicherheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Elke Hoff, zurecht an, die Bundeswehr müsse schnell, flexibel und beweglich sein und vor allem professioneller als jetzt. „Wir müssen auf internationale Einsätze vorbereitet sein und uns in den nächsten Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, mit asymmetrischen Bedrohungen herumschlagen – mit Terrornetzwerken, einzelnen Verrückten und organisierter Kriminalität.“ Die Reform müsse „für die nächsten 20 bis 30 Jahre halten“.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Michael Schönherr

Zwei Möglichkeiten:Entweder die völlige Abschaffung der Wehrpflicht oder eine Ausdehnung auch auf Frauen.Eine Wehrpflicht nur für Männer(und diese auch nur für einige wenige,die überhaupt noch "tauglich" sind) ist jedenfalls nicht länger tragbar.
Alternativ wäre vielleicht auch ein verpflichtendes soziales Jahr für alle junge Männer und Frauen denkbar.

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