Was bleibt von der Sexismus-Debatte?

Was wird von der Sexismus-Debatte bleiben? Nach meiner Prognose so gut wie gar nichts.

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Was wird von der Sexismus-Debatte bleiben? Nach meiner Prognose so gut wie gar nichts. Diese sogenannten „gesellschaftlichen Diskussionen“ folgen immer demselben Muster. Es gibt irgendeinen wichtigen oder weniger wichtigen Anlass. Dann gibt es zum Thema für drei oder vier Wochen Artikel und Kommentare und Interviews in den Zeitungen und Zeitschriften, und es gibt etwa ein Dutzend Talkshows, wo Leute einfach einmal darüber reden. Neuerdings springen auch die Nutzer sozialer Medien auf den Zug auf und die sogenannte „öffentliche Meinung“ tobt sich dann für einige Wochen aus, bis wir wieder zur gesellschaftlichen Normalität zurückkehren. Vier Wochen später wissen die Menschen gar nicht mehr, worum es eigentlich ging, oder sie wissen es nur noch schemenhaft.

Für einen Politiker stellt sich immer die Frage, ob er diese Wochen durchhält oder nicht. Wenn er sich durchbeißt und die Sache aussitzt, und es schafft solange auf seiner Position zu bleiben, bis die Leser und Zuschauer das Interesse verlieren und eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird,  dann ist die Sache erledigt. Verteidigungsminister Rudolf Scharping hatte ein Problem mit Badefotos und hätte wohl damals schon zurücktreten müssen, dann kamen die Terroranschläge am 11. September und die Sache hatte sich erledigt. Kohl hat die Flick-Affäre ausgesessen, Roland Koch die Sache mit den jüdischen Vermächtnissen, Joschka Fischer die ukrainischen Zwangsprostituierten, Steinbrück seine Vortragsgehälter  aus. Sich hin und wieder als Politiker ordentlich einseifen lassen zu müssen, gehört zum Berufsrisiko.

Grundsätzlich gilt: Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Ich bin mir sicher, dass sich das Verhältnis von Männern und Frauen wegen dieser Debatte nicht grundlegend ändern wird. Die Demographie-Debatte in Deutschland hat nicht dazu geführt, dass mehr Kinder geboren werden, die Sarrazin-Debatte hat nicht dazu geführt, dass es weniger Einwanderung gibt, die Antisemitismus-Debatte hat nicht dazu geführt, dass die Israelkritik differenzierter geworden ist. Die Diskussion wird nicht dazu führen, dass Männer in Zukunft nicht mehr mit Frauen in einen Fahrstuhl steigen und Frauen seltener Absatzschuhe tragen, dass die Anmachsprüche in Bars gehaltvoller werden und sich das prozentuale Verhältnis von Machos zu Emanzen verschieben wird. Auch die Titelbilder des Stern werden in Zukunft mit Brüsten und Hinterteilen illustriert sein, so als wäre nie etwas gewesen. 95 Prozent der Männer und Frauen müssen an ihrem Verhalten ohnehin nichts ändern, weil sie gut miteinander auskommen, Probleme realistisch einschätzen können und nicht zu den fünf Prozent Ideologen und Hysterikern gehören, die in der Regel die öffentliche Auseinandersetzung bestimmen.

Der entscheidende Punkt ist, etwas wird nur dann zum Skandal, wenn es zum Skandal gemacht wird. Zum Skandal gemacht wird es nur, wenn gerade keine anderen Themen dabei sind, wenn es in die politische Agenda passt, wenn sich die Zeitschriften und Magazine Auflage versprechen und wenn das Problem personifiziert werden kann, sprich wenn irgendein Prominenter zur falschen Zeit am falschen Ort war. Die Wirkung dieser Skandale wird deshalb überschätzt, weil nicht gesehen wird, dass es sich dabei weder um politische Bildung, gesellschaftliche Aufklärung oder Reformen handelt, sondern um Entertainment. Es geht um Unterhaltung. Die Sexismus-Debatte hat dieselbe Funktion wie das Dschungelcamp: Quoten und Auflage zu machen. Das kann man nicht einmal kritisieren, das ist einfach das Geschäftsmodell von Fernsehen, Print & Co.

In ein oder zwei Wochen ist das Thema endgültig ausgelutscht und die Medien brauchen einen neuen Skandal, um für die nächsten zwei bis vier Wochen die Sendeminuten und Titelspalten zu füllen. Wir dürfen gespannt sein, welches das sein wird. Wem das ganze Theater zu viel oder mittlerweile auch zu billig wird, dem sei empfohlen, einfach mal abzuschalten, die Tageszeitung beiseite zu legen und wieder einmal ein gutes Buch zu lesen. Aus einem seriösen Werk lernt man mehr über die Welt als aus der gesamten „Qualitätspresse“ der letzten fünf Jahre. Andere Alternativen sind ausländische Sender und Medien, Pay-TV, Fachzeitschriften, klassische Werke, wissenschaftliche Vorträge und  Hörbücher. Im Ergebnis wird man klüger, gebildeter, psychisch ausgeglichener und ist anders als die sogenannte öffentliche Meinung in der Lage, wichtige und unwichtige Sachverhalte voneinander zu unterscheiden.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: dickbrettbohrer

Lieber Baxitus,
das ist nur zu Beginn so. Man beruhigt sich wieder.

Gravatar: Baxitus

Im Artikel steht: "Im Ergebnis wird man [...] psychisch ausgeglichener"

Finde ich nicht. Je mehr ich begreife, wie die Politik und die Medien funktionieren, desto depressiver werde ich. Diesen trend an meiner Psyche kann ich schon seid Jahren beobachten.

Gravatar: Wie bitte

Sexismus ist Provokation und sich hinterher aufregen.

Gravatar: Klimax

Man kann nur hoffen, daß nichts davon bleibt. Dieser widerwärtig-heuchlerische Geist der Prüderie versucht der Sache eine Wichtigkeit zu verleihen, die ihr nicht zukommt.

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