Was bedeutet heute, wehrhaft zu sein?

Eine Rezension zu: Josef Kraus/Richard Drexl, "Nicht einmal bedingt abwehrbereit. Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine"

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Die Bundeswehr ist in einem desaströsen Zustand.  Seit Jahrzehnten wird sie kaputtgespart, ihre Truppenstärke reduziert, das Material ist kaum einsatzfähig, mit Ausnahme einiger Verbände (z.B. der KSK-Spezialkräfte) ist sie den Herausforderungen moderner Kriegsführung kaum gewachsen. Durch ständige „Reformen“ wird nur die Illusion einer Verbesserung ihres Zustands erzeugt.

Josef Kraus, Publizist und Pädagoge, und Richard Drexl, Oberst a.D., behandeln in dem Buch Nicht einmal bedingt abwehrbereit. Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine Geschichte, Funktion und Zustand der Bundeswehr, wobei sie den Schwerpunkt ihrer Untersuchungen auf die Zeit nach der Wiedervereinigung legen.

Das Buch beinhaltet folgende Kapitel: „Gesellschaftliche und politische Umstände: Armee in einer postpatriotischen Gesellschaft“, „Strategische Lage“, „Defizite und Konsequenzen“, „Sieben Jahrzehnte Bundeswehr – ihr Auftrag im Wandel“, „Armee im Auslandseinsatz: Bedarf, Grenzen, Risiken, Belastungen“, „Eine europäische Armee – reales Ziel oder Fata Morgana?“ und „Deutsche Sonderwege“.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Bundesrepublik Deutschland pazifistisch ausgerichtet. Das Militärische wurde – insbesondere durch die intellektuellen Eliten – verpönt. Diese Tendenz verstärkte sich durch das Aufkommen und das Erstarken der „Grünen“. Das Verhältnis der Bevölkerung zur Bundeswehr oszilliert aufgrund der pazifistischen Grundstimmung zwischen Gleichgültigkeit und Feindschaft/Ablehnung. Hinzu kommt noch die geopolitische Lage Deutschlands: Die Bundesrepublik ist in der EU, umgeben von Ländern, mit denen sie freundschaftliche Beziehungen unterhält. Der Pazifismus und der Frieden in Mitteleuropa sind die Gründe dafür, dass die politischen Elite und die ihr folgende mediale Elite an einer starken Armee kein Interesse haben. Die Milliarden, die eigentlich die Bundeswehr erhalten sollte, gibt man lieber für gesellschaftspolitische Experimente wie Gender-Mainstreaming aus.

Die Autoren geben unzählige Beispiele für den katastrophalen Zustand der Bundeswehr. Alleine damit avanciert ihr Buch zu einem Standardwerk. 2018 war zeitweise keines der sechs U-Boote der 212A-Klasse fahrbereit. Von den 128 Eurofightern waren kaum mehr als vier ohne jede Einschränkung einsatzbereit. Von den 68 Hubschraubern des Typs Tiger sind nur 12 voll einsatzfähig. Von den 13 Fregatten sind fünf und von den 244 Leo-II-Panzern nur 105 voll einsatzfähig.

Es fehlen Ersatzteile, viele Geräte werden nicht betriebsbereit gehalten, stillgelegt oder verschenkt. Bei der Einführung von neuen Waffensystemen wurde darauf verzichtet, ausreichend Ersatzteile zu beschaffen, weil man sparen wollte.

Die Verantwortlichen in der Politik gehen davon aus, dass man von Freunden umgeben ist und dass der ewige Frieden zumindest in Europa ausgebrochen ist. Das ist sehr trügerisch, denn aus Freunden können  Feinde werden. Das geht ganz schnell, wie wir aus der Geschichte wissen. Deutschland befindet sich ja faktisch seit 25 Jahren im kriegerischen Einsatz (Auslandseinsatz).

Die Autoren machen des Weiteren auf die Personalprobleme der Bundeswehr aufmerksam. Der Übergang von der Wehrpflicht- zur Freiwilligenarmee ist nicht gelungen. Es gibt zu viele Offiziere und zu wenig Soldaten. Die Verwaltung, die Bürokratie, wurde aufgebläht, was das Funktionieren einer jeden Armee verunmöglicht. Der demografische Wandel und die ablehnende Haltung gegenüber der Bundeswehr werden gravierende Personalprobleme zur Folge haben. Anfang 2019 waren 25000 offene Stellen nicht besetzt.

Doch die Autoren bleiben bei ihrer Kritik nicht stehen. Sie bieten Vorschläge zur Verbesserung des Zustands der Bundeswehr und das ist ein weiteres Verdienst des Buches. Ich möchte hier einige Vorschläge aufgreifen: ein Nachdenken über eine allgemeine Dienstpflicht für beide Geschlechter ist angebracht, ein „aufgeklärter Patriotismus“ (im Gegensatz zum Nationalismus) als ein positives Verhältnis zum eigenen Land und seinen Errungenschaften ist wünschenswert, Strategien zum Schutz der Bürger vor Bedrohungen sollten ausgearbeitet werden, die Bundeswehr muss modernisiert werden (dazu gehören: qualifiziertes Personal, mehr gepanzerte Fahrzeuge, mehr Kampfflugzeuge, Hubschrauber und Schiffe usw.).

Immer wieder verwenden die Autoren den Begriff „Wehrhaftigkeit“. Eine Gesellschaft, die auf ihre Errungenschaften stolz ist, sie verteidigen möchte, muss wehrhaft sein. Das gilt sowohl für den Einzelnen als auch für das Kollektiv. Ansonsten werden diese Errungenschaften rückgängig gemacht. Auch das kann ganz schnell gehen, wie wir aus der Geschichte wissen. Ich rufe diese Errungenschaften kurz in Erinnerung: Gleichheit vor dem Gesetz, Gleichberechtigung von Mann und Frau, individuelle Freiheitsrechte, Meinungs-, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit.

Josef Kraus/Richard Drexl, Nicht einmal bedingt abwehrbereit. Die Bundeswehr zwischen Elitetruppe und Reformruine, FinanzBuch Verlag München 2019.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Martin Huber

Eine wehrhafte Bundeswehr war niemals beabsichtigt, allenfalls sollte diese für Frondienste der Natoverbündeten herangezogen werden.
Das stetige Abhängigkeitsverhältnis durch die Wehrlosigkeit entspricht dem politischen Mainstream unserer Regierung.

Ebenso wäre unserer Regierung eine wehrhafte Bevölkerung ein Greuel.
Die tumbe Masse mit ihrer zur Schau gestellten Wehrlosigkeit ist nötigenfalls schneller zu kontrollieren.

Gravatar: Harzfreund

Ich habe von 1970 bis 1972 bei der NVA gedient. Ich möchte mir nicht vorstellen, was da los gewesen wäre, wenn auch nur eine einzige Kalaschnikow nicht funktioniert hätte. Bei dieser Bundeswehr würde eine einzige römische Legion bewaffnet mit Speer und Schwert genügen, diese zu besiegen.

Gravatar: Gast

Einen Zustand ändern zu wollen der von den politischen Akteuren bewusst herbeigeführt wurde gleicht dem bizarren Versuch der Schiffsbesatzung einen Eisberg zu entfernen auf den der Steuermann Kurs genommen hat.

Der Machthaber einer totalitären Bananenrepublik braucht zwar eine Armee um seine Widersacher in Schach zu halten, deren Führungskader ist aber zugleich eine ständige Bedrohung da sie jederzeit seine Macht beenden kann.

Was wir erleben ist die Dekonstruktion der Bundeswehr zu einer verwirrten Theaterarmee bei gleichzeitiger Militarisierung verschiedenster Polizeitruppen. Vorgeblich wegen der Terroristen welche sich zumeist als selbst gepflanzte oder importierte Gewächse herausstellen.

Die „Internationale Gemeinschaft“ im erdachten Weltstaat kennt keine äußeren Feinde dafür entfaltet sich in den beherrschten Regionen ein umso „bunteres“ (Clan-) Treiben welches sich als Hemmschuh für das Einfahren der Ernte genauso wie es physisch für einzelne Repräsentanten dieser Weltaristokratie gefährlich werden könnte. Dem früheren Bundespräsidenten zufolge ist bekanntlich die Bevölkerung das Problem – nicht die „Eliten“.

Deshalb muss der einstige Schutzmann und Freund des gesetzestreuen Staatsbürgers zum anonym-gepanzerten, persönlichen Terminator des Machtapparates transformiert werden.
https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/hessische-polizei-bekommt-neue-bewaffnung-gegen-terrorismus-15671620.html

Darüber lohnt es sich eher nachzudenken.

Gravatar: Thomas Rießler

Der Bereich psychologische Kriegsführung wird anscheinend überhaupt nicht thematisiert, sondern durch Euphemismen wie „pazifistische Ausrichtung“ verschleiert, gerade so als ob die „pazifistische Ausrichtung“ vom Himmel herabgefallen wäre.

Die aufgezählten Errungenschaften der Gesellschaft würde ich als gemäßigt gottlos beschreiben. Inzwischen sind wir beim Thema Gleichberechtigung durch die Aufweitung des Begriffs auf Schwule, Lesben und Transvestiten (bald womöglich auch Pädophile) schon wesentlich weiter fortgeschritten. Wenn man sich auf diesem abschüssigen Weg dann noch mit dem Klimaschutz anfreundet und der katholischen Kirche ihre mangelnde Sexualmoral vorhält, sind die wesentlichen Voraussetzungen vorhanden, um in dem aktuellen säkularisierten links-grünen Öko-Shithole gut und gerne zu leben. Ein dreifaches Halleluja beim Fall Babylons.

Gravatar: germanix

In diesem Bericht und im Buch lese ich leider nichts von Moral und vom planmäßigem, historischen Narrativ, welches erst aus den Köpfen ausgemerzt werden muss!

Wenn die Moral einer Truppe in Gänze kaputt ist - die Polit-Eliten Moralisten spielen, um das Volk zu demoralisieren, dann stimmt im Staate Deutschland aber auch NICHTS mehr.

Die Politiker, ganz vorne weg Merkel und Steinmeier, haben sich keinesfalls als Moralisten aufzuspielen - was sie aber inclusive der Grünen, Linken und der FDP weidlich tun!

Unter dieser Demoralisierung leidet natürlich die Wehrhaftigkeit auch im Kopf - von der technischen Seite mal ganz abgesehen.

Zitat:

"Doch die Autoren bleiben bei ihrer Kritik nicht stehen. Sie bieten Vorschläge zur Verbesserung des Zustands der Bundeswehr (…) ein „aufgeklärter Patriotismus“..."

Ich habe den Eindruck, dass die Autoren des Buches nicht wissen (zumindest verdrängen), dass der Patriotismus hier in Deutschland durch die Altparteien mit Rassismus und Nationalismus gleichgesetzt wird und somit die Bevölkerung suggestiv beeinflusst wurde und nach wie vor wird!
Patriotische Verbände werden durch den BND beobachtet!

Das heißt im Umkehrschluss: Das Volk ist in Lethargie versunken - wie will man eine 180 Grad-Änderung in der Bundeswehr bewirken, wenn das Volk seit über 70 Jahren der "historischen Verantwortung" - des immer und ewig "Schuldigen" erniedrigt wird!

Die Bürger Deutschlands haben keinen Nationalstolz so wie die Franzosen oder Engländer - den Bürgern Deutschlands ist der Nationalstolz durch das täglich von den Politikern eingeimpfte MEA CULPA genommen worden!

Die Autoren haben m.E. die Rechnung im Buch ohne den Wirt gemacht - der Wirt sind die lethargischen Deutschen!

Solange, wie Steinmeier, Merkel, Bürgermeister, Lokalpolitiker, Regierungsbeamte etc. die Nazikeule über die Köpfe der Deutschen schwingen - der Schuldkomplex permanent in die Gehirne der Deutschen eingestanzt wird, solange ist das Verteidigungsresort ein "Kindergarten" der Altparteien-Garde.

Daher - solange

Zitat:

"...ein positives Verhältnis zum eigenen Land und seinen Errungenschaften ist wünschenswert..."

ein positives Verhältnis zum eigenen Land nur als "WÜNSCHENSWERT" bezeichnet wird, solange die Gedächtnispolitik des Staates ein ganz anderes Ziel verfolgt, nämlich planmäßig ein historisches Narrativ zu entwickeln,
solange ist insgesamt keine Umkehr in der BRD möglich!

Das allerdings muss man erst mal verstehen lernen!

Wir müssen lernen, mit dem Lefzen-Lecken, aufzuhören. Wir (die Deutschen) haben über 70 Jahre MEA CULPA schreien müssen - damit muss Schluss sein!

Spätestens jetzt kommen die Bedenkenträger - das geht doch nicht - wir sind doch verpflichtet, in hündischer Unterwürfigkeit, Wiedergutmachung und Schuld zu bekennen!

Dann darf ich daran erinnern, dass wir mittlerweile in der 3. und 4. Generation leben, die aber auch NICHTS mit dem Hitlerregime zu tun haben!

Es ist schon sehr interessant zu sehen, welche Aspekte unsere Regierung aus der Deutschen Geschichte herausgreift, welche jeder jungen Generation als identitätsstiftende Kollektiverinnerungen eingepflanzt werden sollen.

Die 1.100-jährige deutsche Geschichte wird auf 12 Jahre Hitlerdiktatur reduziert!

Solange dieses nicht erkannt und so gesehen wird. können Autoren, Politiker und andere noch so tolle Bücher schreiben - es kann kein Nutzen daraus gezogen werden - die Indoktrination beim Volk ist die Substanz der Regierenden!

Gravatar: H. Laufen

Ich war bei der Luftwaffe ab 91. Wir hatten über 40 Tornados, von denen nicht wenige nie mehr abheben würden. Sie wurden ausgeschlachtet um die wenigen einsatzbereiten Maschinen am Fliegen zu halten. Trotzdem kamen sie in der Statistik vor. So wie heute. Ein Kumpel von den Panzern hat ähnliches berichtet. Jeder kann sich die angepissten Piloten vorstellen, die sich hinten anstellen mussten, um irgendwann in die Luft kommen zu dürfen. Zu verdanken hatten und haben wir das unseren pazifistischen und machtgierigen Politikern.

Gravatar: Ekkehardt Fritz Beyer

... „Die Verantwortlichen in der Politik gehen davon aus, dass man von Freunden umgeben ist und dass der ewige Frieden zumindest in Europa ausgebrochen ist.“ ...

Weil die Göttin(?) die Sanktionen gegen Russland nur auf Druck ihrer Erzfeindes(?) Obama verhängte – sie unter ihrem Freund(?) Donald aber ignoriert und die Forschungszusammenarbeit zwischen Deutschland und Russland selbstverständlich(?) trotzdem vertieft?
https://www.bmbf.de/de/deutschland-und-russland-vertiefen-forschungszusammenarbeit-7534.html

Inszenierte unsere(?) Göttin(?) die Flüchtlingskrise gegen ihr(?) Volk etwa nicht auch deshalb ganz besonders heilig(?), weil sie speziell die ethnisch Deutschen verdummen will, um die nun entgegen ihrer Sanktionen stattfindende Zusammenarbeit mit den Russen auch entsprechend begründen zu können???
https://www.news4teachers.de/2015/11/wegen-fluechtlingskindern-de-maiziere-kuendigt-senkung-von-bildungsstandards-an/

Oder war das etwa nur ein Versehen, welchem selbst eine ´Allmächtig- Allwissende` unterliegen kann/darf???

Wäre das so, würde ´ich` es ausdrücklich begrüßen!!!

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