Warum sind „Populismus“, „Fake News“ und „Hate Speech“ aktuelle Modewörter im öffentlichen, politischen Diskurs?

Mitte der achtziger Jahre veröffentlichte der US- Amerikanische Medienwissenschaftler Neil Postmann ein Buch mit dem er berühmt wurde, in Deutsch: Wir amüsieren uns zu Tode. Dieses Buch ist mittlerweile in der 14. Auflage erschienen.

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Mitte der achtziger Jahre veröffentlichte der US- Amerikanische Medienwissenschaftler Neil Postmann ein Buch mit dem er berühmt wurde, in Deutsch: Wir amüsieren uns zu Tode. Dieses Buch ist mittlerweile in der 14. Auflage erschienen.

Das Buch war eine Kritik des Mediums Fernsehen mit dem Fazit, daß alles im Fernsehen zur Unterhaltung wird. Oder mit Postmans Worten in der deutschen Übersetzung: „ Problematisch am Fernsehen ist nicht, daß es uns unterhaltsame Themen präsentiert, problematisch ist, daß es jedes Thema als Unterhaltung präsentiert.“  Und in Bezug auf den politischen, öffentlichen Diskurs in den westlichen Gesellschaften zeichnete er in seinem Buch den Niedergang des Diskurses vom Zeitalter des gedruckten Wortes hin zum Zeitalter des Fernsehens nach.

Das Verschwinden eines breiten öffentlichen, politischen  Diskurses im Fernsehzeitalter  hat kaum einen Politiker damals gestört, allenfalls  wurde niedrige Wahlbeteiligung als Legitimationsproblem gesehen, aber billigend in Kauf genommen.

Mit der Etablierung des Internets hat sich vieles verändert. Es gibt sicher vieles zu kritisieren an dessen Ausprägung, aber für den breiten, öffentlichen, politischen Diskurs in den westlichen Gesellschaften hat das Internet eine Umkehr bedeutet. Nach langsamem Beginn haben sich hoch frequentierte Internetseiten etabliert, mit Diskussionsbeiträgen und Gegenreden. Die Freie Welt gehört dazu, die Seite von Roland Tichy oder von Henryk Broder, aber auch die Seite von Albrecht Müller, dem ehemaligen Redenschreiber von Willy Brandt, neben vielen anderen, größeren und kleineren Diskussionsforen.

Und dieses neue Medienangebot hat in Deutschland die politische Deutungshoheit der etablierten Medien nachhaltig ins Wanken gebracht, durch einen aktiven Diskurs vieler.

Ein direkter Effekt ist es, daß sich viele Internetseiten der Printmedien gezwungen sehen, Leserkommentare zuzulassen, was auch dort die Diskussion in Gang setzt.

Und genau an diesem Punkt, an dem sich so viele in Deutschland wie noch nie, am politischen Diskurs beteiligen, erleben wir eine konzertierte Kampagne der etablierten Medien und Politik gegen diesen breiten Diskurs, unter den Titeln „Populismus“, Kampf gegen „Fake News“ und Kampf gegen „Hassrede“ oder „Hatespeech“.

Was hat es mit den drei Begriffen auf sich?

Populismus, abgeleitet von lat. populus Volk, Menge, Masse, zeichnet sich in der politischen Begriffsverwendung durch seine Unbestimmtheit aus, und eignet sich zur beliebigen und beliebten Kritik  an Bewegungen mit breiter Basis, sofern nicht die etablierten Parteien involviert sind. Dabei wird der Begriff durch Attribute aufgeladen, um die Verwerflichkeit von Populismus zu untermauern. In dem ARD- „Bericht aus Berlin“ sprach die Moderatorin während eines Interviews mit N. Röttgen (CDU) vom „Virus des Populismus“. Diese Form der biologistischen Abwertung hat nach meiner Kenntnis niemanden unter den etablierten Politikern oder Journalisten zu einem Protest veranlasst.

Die Schlussfolgerung daraus ist: Das Establishment darf biologistisch diffamieren,  wenn andere dies tun, so ist es rechtsaußen.

Nahe dran an dieser Diskreditierung aktueller Massenbewegungen ist nach dem Wahlsieg Trumps ein Kommentator von FAZ online, indem der Autor den Begriff der „Herdentierberechnung“ der Trump- Anhänger verwendete.

Fake News, gefälschte Neuigkeiten, werden aktuell vermeintlich von den etablierten Medien und Politikern bekämpft.

Dabei ist es noch nicht lange her, da haben die öffentlich-rechtlichen Nachrichtensender geradezu den Prototyp der Fake News geliefert.

Nach dem Anschlag auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo gab es in Paris eine große Demonstration, an der Spitze, so zumindest die Zumutung in Tagesschau und Tagesthemen, neben Merkel und Hollande eine Reihe Mächtiger dieser Welt. Alternative Medien im Internet zeigten, daß diese Kameraeinstellung ein Fake war, die Prominenz befand sich, gut abgeschirmt durch Bodyguards woanders. Der Chef von ARD aktuell und damit von Tagesschau und Tagesthemen hat danach diesen Fake auch noch öffentlich verteidigt.

 Herausgekommen ist dies nur, weil es eben das Internet war, das die korrigierenden Bilder lieferte.

Was aber diesen Fake an Betroffenheitsinszenierung durch die Politiker erst richtig bedeutsam macht, hat der Journalist Flores d`Arcais folgendermaßen formuliert: „ Heuchelei ist der Tribut, den das Laster der Tugend zollt. Die Vielzahl der Mächtigen, die sich kurzzeitig in die gewaltige Je suis Charlie- Kundgebung in Paris eingereiht hat, war eine eindrucksvolle Demonstration dieses Satzes von La Rochefoucauld. Ein Drittel von ihnen verfolgt in ihrem eigenen Land aktiv  Journalisten, Schriftsteller, Blogger und andere Dissidenten, welche die Wahrheit des Regimes in Frage stellen. Die anderen verteidigen zwar die Meinungsfreiheit in alchemistischer Abwägung der Umstände, aber daß diese tief Betroffenen die Voltairesche Maxime –Ich mißbillige was du sagst, aber bis in den Tod werde ich dein Recht verteidigen, es zu sagen- praktisch beherzigen, hat man noch nie gesehen (Die Maxime stammt übrigens nicht von Voltaire, sondern ist ein Resümee seiner Biografin Evely Beatrice Hall)“ (Flores d`Arcais, 2015).

Nicht nur die Bilddarstellung, sondern auch der Sachzusammenhang ein Fake im öffentlich-rechtlichen Sender.

Die etablierten Medien sollten deswegen vorsichtig sein, wenn sie bei anderen Fake diagnostizieren. Waren nicht, um ein weiteres Beispiel zu nennen, fast alle Wahlvorhersagen der etablierten Medien zur US- Wahl bis zum Abschluss der Auszählung Fake News?

Ich erinnere mich an eine Phönix- Expertenrunde einige Wochen vor der US- Wahl. Jeder der fünf geladenen Experten legte sich so fest, daß es ausgeschlossen sei, daß Trump die Wahl gewinnen könnte. FAZ- online brachte mehrere Wochen lang zur US- Wahl Balkendiagramme zu den sicheren Wahlmännern von Clinton und Trump. Clinton lag die ganze Zeit mit 60- 100 Wahlmännern vorne, bis zum Morgen nach der Wahl, als der verwunderte Leser ein umgekehrtes Verhältnis zum einzigen und endgültigen Mal feststellen musste. Fake-News?

Es sind die etablierten Medien, die Fake News zu einem Modethema machen, um die Deutungshoheit gegenüber alternativen Medien zu behalten oder wieder zu erlangen. Und dabei wahrhaftig im Glashaus mit sehr dünnem Glas sitzen.

Und für Hate-Speech gilt Ähnliches. Wenn ausgerechnet der Bundesjustizminister eine „Task Force“ gegen „Hate Speech“ ins Leben gerufen hat, so sind dabei zwei Dinge bemerkenswert. Sind Aussagen  juristisch relevant, so ist es Sache eines Staatsanwaltes und nicht von privaten Organisationen, eine Klärung herbei zu führen. Das dies gegenüber dem Bundesjustizminister betont werden muß, ist selbst schon ein politischer Skandal.

Und wenn dann einer dieser Partner der „Task Force“ die Amadeu Antonio Stiftung ist, mit einer Vorsitzenden Aneta Kahane, die Stasi-IM war, so wird diese ganze Task Force- Aktion vollkommen unakzeptabel. Eine Organisation mit einer Ex- Stasi- IM an der Spitze, die Gesinnungsüberprüfungen im Jahr 2016 in staatlichem Auftrag vornimmt. Absurd.

Die Abwertung von Populismus, der vermeintliche Kampf gegen Fake und Hate Speech hat ein wesentliches Ziel, die Vormachtstellung der etablierten Medien wieder zu festigen.

Aber die dafür Verantwortlichen sollten bedenken: der öffentliche, politische und vor allem freie Diskurs bleibt dabei auf der Strecke.    

 

 

Flores d`Arcais, Paolo (2015): Wer ist Charlie. Lettre International, 108, Fühjahr, 11-17.

Postman, Neil (2014): Wir amüsieren uns zu Tode. 14. Auflage, Fischer, Frankfurt.        

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Emmanuel Precht

Die angelaufene Fake-News Aktion dient der Vorbereitung der Rechtfertigung von massiven Wahlfälschungen der BTW und LTW-NRW 2017. Stichwort NUDING.
Wer das für eine FN hält, mag es so halten.

Wohlan...

Gravatar: Enrico Stiller

Kompliment für diesen Artikel!
Die Frage ist, wie kontern wir die dümmlichen Angriffe der Linken? Indem wir ihre Sottisen der Lächerlichkeit preisgeben. Das Mittel der Satire ist in Diktaturen oft die erste Medizin, die den Boden für eine Zersetzung der Herrschaft bereitet.
Beppe Grillo pflegte am Beginn seiner grossen M5S-Versammlungen in den Saal zu brüllen: "Noi siamo populisti!" (Wir sind Populisten).
Nehmen wir das doch als Ehrentitel! Die verschiedenen "Debattenkeulen" (Faschismus, Moral, ...) haben ohnehin eine immer kürzere Halbwertzeit ehe sie verbraucht sind und nicht mehr wirken. Deshalb müssen die Linken ja immer neue erfinden.
Was ist denn das Gegenteil von "Populist"? Linkspopel!
Oder lieber "Orwellianer" oder "1984er". Denn ihre "Realität" erinnert ja an Orwells Roman. In dem Sinne könnte man sie auch "Realitätsallergiker" nennen.
Wenn sie unsere Argumente "postfaktisch" nennen, nennen wir doch die Sprechblasen der Linken "anti-faktisch".
Früher skandierten die 68iger "Lieber rot als tot". Wenn ihre Nachkommen uns heute anmachen, können wir ihnen entgegenhalten: "Lieber Populist, als in der Birne Mist!".
Und Mist haben haben sie reichlich in der Birne, soviel, dass es schon zum Himmel stinkt. Frage: Wie gross ist das Hirn eines Linken? Antwort: So gross wie die Beine eines Herings.

Gravatar: Hans

Deutsches Strafrecht mit Englischen Fremdworten interessiert mich nicht. Trifft für mich nicht zu. Werde ich nicht beachten. Verstehe ich nicht. Verschont mich mit Dreck-Gesetzen.

Gravatar: Franz Horste

Leute wie Sascha Lobo vereinnahmen die neuen Medien für sich als positiv, allerdings nur, wenn Meinungen propagiert werden, die auf seiner grün-linken Welle mit reiten. Wenn nun jemand dieselben Medien nutzt, um seine eigene Meinung kundzutun, dann hält er diese Medien für äußerst gefährlich.
Also, man merke sich: "Medien sind solange gut und dürfen frei genutzt werden, wenn sie der allgemeine- erlaubten Grün-Links-Tendenz entsprechen, alles andere wäre dann postfaktisch Hate-Speech und kann getrost als Fake-News bezeichnet werden."
Wenn das nicht Zensur ist? In den öffentlich-rechtlichen Medien wird die Wahrheit oft dermaßen verdreht und verbogen, dass über die echte Wahrheit nur noch spekuliert werden kann. Die Wahrheit scheint eben relativ zu sein, je nachdem auf welcher Seite man steht. Da dies aber so ist, müssen alle "Wahrheiten" öffentlich zugänglich gemacht werden. Was als Hate-Speech oder Fake-News zu betrachten ist, muss dann schon dem Betrachter selbst überlassen bleiben, wie das schon immer war. Jeder durfte offen bekennen: "Ich glaube dies oder jenes, oder eben nicht!"
http://wort-woche.blogspot.de/2016/12/mainstream-meinung-soll-alleinige.html

Gravatar: Der nachdenkliche Bürger

Mir würden die Begriffe "Volksstimme" (Populismus), "Falschnachrichten" (Fake news) und "Hasssprache" (hate speech) besser gefallen. Allerdings sind diese Begriffe eher als "antefaktisch" zu bezeichnen.

Gravatar: RAFAMedR Martin Schmid

So lange Sie Beiträge wie folgenden:
<<@corax
Danke für den Link. [...]

[Vielen Dank für den Hinweis. Der Kommentar wurde entfernt. Die Red.]

Gravatar: karlheinz gampe

Alles was nicht in das Weltbild eines Antidemokraten wie Maas, der Antifa liked und später sagt seine Mitarbeiter seiens gewesen ( Wie der Herr, so's gescherr), ist Hatespeech. Wenn das Volk ihn hasst, so sollte er sich fragen warum man ihn hasst. Er wollte ehrenwerte Leute anklagen ( Netzpolitik.org) als man sich empörte opferte er den Generalbundesanwalt anstatt selbst die Verantwortung zu übernehmen und zurück zutreten. Witzfiguren sind solche Politiker.

Gravatar: Aufbruch

Ein verdammt guter Artikel, der hoffentlich vielen die Augen darüber öffnet, wer Produzent von Fake News ist. Wenn unsere Qualitätsmedien unisono schreiben, dass die US-Wahlen durch Putin manipuliert wurden, waren das Fake News. Obama selbst hat mittlerweile zugegeben, dass das nicht stimmt. Das ist nur ein Beispiel von vielen. Und dann wundern sich die Medien über das Wort Lügenpresse. Dieses regierungsnahe Medienkomplott ist es doch, das durch seine einseitige und regierungsnahe Berichterstattung eine Opposition im Parlament verhindert. Dass sich hier ein von Merkel angerührter Einheitsbrei entwickeln konnte, der auch über das Parlament schwappte. Parlament kommt von parlare, sprechen, diskutieren. Aber das war mal. Für viele Bürger ist dieser Brei ungenießbar. Das sind dann die Rechtspopulisten und Hassverbreiter, die bekämpft werden müssen.

Gott sei Dank haben sich die Internetseiten etabliert, die, wenn auch unter stärkstem Trommelfeuer des Regierungs- und Medienetablishments, die Opposition betreiben, die in einer Demokratie unerlässlich ist. Wie stark aber auch diese Opposition gefährdet ist, haben die jüngsten Ereignisse bei DWN und achgut dokumentiert, die wirtschaftlich ausgeblutet werden sollen. Doch an einem Hendrik Broder und den Lesern dieser Seiten werden sich unsere Antonio Amadeu gelenkten Oppositions-Jäger hoffentlich die Zähne ausbeißen.

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