Warum ist Joschka Fischer nicht zurückgetreten?

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Wann muss man als Außenminister zurücktreten? Das ist natürlich eine politische Frage. Die Libyen-Politik kann man für richtig oder für falsch halten, aber sie war die Politik der Bundesregierung – der Kanzlerin ebenso wie die des Außenministers.

Diese Politik ist auch nicht zwangsläufig deshalb falsch, weil der Verlauf der militärischen Auseinandersetzung in Libyen aus Sicht des westlichen Bündnisses ein glücklicher war. Die Grundsatzentscheidung, ob die deutsche Außenpolitik grundsätzlich jede militärische Intervention des westlichen Bündnisses mittragen soll oder nicht, ist nicht durch den in der Regel unvorhersehbaren Ausgang der einzelnen Intervention berührt. Fest steht: Hätte die Bundesregierung eine andere Entscheidung getroffen, dann wäre sie ebenso von der Opposition angegriffen worden, nur mit der umgekehrten Argumentation.

Bleibt also als Kern der aktuellen Kritik die ungeschickte Äußerung von Außenminister Westerwelle über den Erfolg der Embargopolitik. Die Frage ist, ob eine ungeschickte Äußerung tatsächlich eine Rücktrittsforderung rechtfertigt. Hier geht es um die Frage der Verhältnismäßigkeit. Denn deutlich ist, dass mit zweierlei Maß gemessen wird. Hätte man einen ähnlich strengen Maßstab auch bei der Beurteilung des früheren Grünen-Außenministers Joschka Fischer an den Tag gelegt, dann hätte dieser im Jahr 2005 zurücktreten müssen. Dieser hatte mit dem Schleuser-Skandal eine der größten Fehlleistungen des Auswärtigen Amtes in der Geschichte der Bundesrepublik zu verantworten. Das Nachrichtenmagazin der SPIEGEL kommentierte damals den Schlepperskandal (Spiegel 6/2005):

„So entfaltet sich ein Skandal, der auf vertrackte Weise ukrainische Schlepper und schwäbische Geschäftemacher verbindet, osteuropäische Zwangsprostituierte und hochfahrende Diplomaten. Im Zentrum der Ermittlungen steht ein Herzstück der Regierung Schröder, die rot-grüne Ausländerpolitik. Es geht um einige Milliarden Euro, ein paar hunderttausend Menschen, die nie hätten nach Deutschland kommen dürfen – und vor allem um die Frage, wo die Verantwortung eines Ministers liegt, dessen Untergebene jahrelang massenhaften Rechtsbruch duldeten, vielleicht sogar beförderten.“

Was auch immer man Guido Westerwelle im Amt vorwerfen kann, nichts davon hat die Dimension des Amtsversagens des ersten Grünen-Außenministers in dieser Affäre oder kommt dieser auch nur nahe. Daher ist auch der frühere grüne „Chefdiplomat“ gut beraten, Zurückhaltung zu üben.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Olaf M.

Fischer machte Fehler, wuchs aber mit seinen Aufgaben. Mit seinem Amtsantritt tauschte er die Turnschuhe gegen den Anzug, und machte darin eine gute Figur. Westerwelle war schon immer laut, kämpferisch, aber auch polemisch. Diese Eigenschaften machten ihn als Oppositionspolitiker erfolgreich. Mit seinem Amtsantritt verharrte er jedoch in seiner alten Rolle. Der Sinn für die feinen kommunikativen Nuancen, die in der Außenpolitik nötig sind, fehlt ihm jedoch völlig. Daher ist Westerwelle der schlechteste Außenminister dieser Republik.

Gravatar: P.Sanderge

Stände die Wahl zwischen Fischer und Westerwelle.So würde ich Westerwelle immer noch den Vorzug geben.

Gravatar: Susanne

Selbstverständlich hätte es Gründe für Joschka Fischer gegeben, zurückzutreten. Dass er das nicht getan hat, ist kein Grund für Westerwelle an einem Amt zu kleben, für das er nach Meinung vieler Beobachter weder das nötige Talent noch die nötige Reputation hat. Es wird sein wie mit dem FDP-Vorsitz: er macht es so lange, bis er zurückgetreten wird. Dann aber erneut ohne jede Würde.

Gravatar: Yussuf K.

Herr Fischer hätte auf Grund seines "Vorlebens" niemals ein staatliches Amt begleiten dürfen. Damit hätte sich auch die Frage nach einem Rücktritt erübrigt.

Gravatar: Bürger

Danke für diese Informationen.

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