Warum haben wir keine Fahrradhelmpflicht?

Letztes Jahr plädierte Florian Rötzer in der Telepolis für eine Fahrradhelmpflicht. Das ist nun an sich wenig überraschend, weil Telepolis hauptsächlich, hust, Minderheitenmeinungen abdruckt, aber dieser Artikel illustiert sehr schön,

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 wie viele Leute paternalistisches Verhalten zu rechtfertigen versuchen:

    Die Argumente für eine Helmpflicht wären in Südkorea ebenso wie in Deutschland ziemlich eindeutig. Fahrradfahrer ohne Helm haben eine 14 Mal höhere Wahrscheinlichkeit, bei einem Unfall zu sterben. Viele der Kopfverletzungen, die auch zum Tod führen können, könnten durch Tragen eines Helms vermieden werden.

Das ist das Argument: man ist sicherer mit Helm. Man verhindert durch einen Fahrradhelm einige schwere Kopfverletzungen. Viele Leute tragen aber keine Fahrradhelme, also sollte man eine Helmpflicht einführen. (Die genaue Berechnung der Zahl würde ich gerne sehen!)

Die Argumente der Helmpflichtgegner werden auch zusammengefasst:

    Wenn ein Helm halt nicht so schweißtreibend, ungemütlich, hässlich und die Freiheit einschränkend wäre. Dabei verweisen die Helmablehner auch darauf, dass Helme riskantes Fahren der Fahrrad-, aber auch der Autofahrer fördern könnte. Das könnte man natürlich auch immer vom Sicherheitsgurt sagen.

Sicher, das kann man auch vom Sicherheitsgurt sagen und viele Ökonomen haben es auch schon gesagt. In der Tat ist der vermeintliche Sicherheitsgewinn durch Sicherheitsgurtpflicht eine der ersten Lektionen, die man in vielen Büchern zur Wirtschaftswissenschaft vorgelegt bekommt. Die Einführung einer Gurtpflicht hat zwar jeden einzelnen Unfall sicherer gemacht, aber auch mehr Unfälle entstehen lassen, weil aggressiver gefahren wird. Welcher Effekt letztlich überwiegt, das kann man nur empirisch klären und es hat sich gezeigt, dass sich die Effekte im wesentlichen kompensiert haben und der Straßenverkehr dadurch kaum sicherer geworden ist. Es ist erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit dieser Einwand von den Helmpflicht-Anhängern weggewischt werden.

Aber dabei ist es doch nicht einmal der einzige unerwünschte Nebeneffekt einer Helmpflicht, dass viele Leute aggressiver fahren. Ein ganz anderer Effekt ist, dass viel weniger Leute radfahren, denn offensichtlich macht eine Helmpflicht das Fahren unattraktiver (… sonst würde jeder mit Helm fahren). Vielleicht fahren ja dann mehr Leute Auto …

Dazu gibt es einige Daten aus Victoria und New South Wales, wo das Fahrradverkehrsaufkommen vor und nach Einführung einer Helmpflicht analysiert wurde. Es zeigte sich, dass sich das Aufkommen nahezu halbiert hat. Der Link enthält auch einige Daten zu Krankenhauseinlieferungen nach Einführung der Helmpflicht und viele weitere Links zu diversen Themen.

Wenn man es also für eine gute Idee hält, dass mehr Leute Fahrrad fahren, weil es gut für die Umwelt oder gegen ihr Übergewicht ist, dann ist eine Helmpflicht eher eine abschreckende Maßnahme.

Das alles soll nun auf keinen Fall bedeuten, dass es eine tolle Idee ist, ohne Fahrradhelm zu fahren. Meine Kinder sollten Fahrradhelme tragen. Aber daraus folgt keineswegs automatisch, dass es eine gute Idee ist, eine allgemeine Helmpflicht einzuführen, weil dies ganz andere Auswirkungen hat, als sich Herr Rötzer das vorstellen kann. Aber es ist doch zu unserem Besten. Leider ist oft die Lösung noch viel schlechter als das Problem.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich am 27. August 2009 auf "freiheit verpflichtet"

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Zocher

die Leute machen Fahrräder und Sachen kaputt und stehlen

Gravatar: Friedrich Dominicus

Selbverständlich reich eine Helmpflicht nicht. Es kann ja wohl auch nicht angehen, daß Fahrradfaher in Shorts auf dem Rad sitzen. Ich plädiere daher für Motorradanzüge mit Handschuhen auch auf Fahrrädern. Außerdem muß jedes Fahrrad noch ein zu enwickelndes Fahrrad Airbab haben. Das ganze sollte Flummi artig hüpfen können. Da mit vielen umherfliegenden Fahrradfahrern zu rechnen ist, halte ich es auch für notwendig an den Strassenränder Fangnetze für umherhüpfende Fahrradairbagflummis anzubringen. Selbverständlich muß sich jeder nach seiner Leistungsfähigkeit an diesem Schutz beteiligen. Ich schlage daher einen Fahrradairbaflummisolidaritätszuschlag gestaffelt nach Einkommen vor.

Jeder unter 10000 EÄR Jahreseinkommen is freigestellt, jeder der über 100 000 Jahreseinkommen hat ist mit ca 40 000 EUR zu belasten.

Ich danke für Ihre Verständnis für diese wohlüberlegten Sicherheitsüberlegungen.

Gravatar: Erwin Müller

Ja klar, Sicherheitsgurte verhindern keine Unfälle, aber mindern doch - neben anderen Rückhaltesystemen - die Folgen so sehr, dass die Todeszahlen sich seit Einführung der Gurtpflicht auf ein Viertel reduziert haben. Und da ist noch nicht mal die stark gestiegene Fahrleistung eingerechnet! Also passt das Argument nicht wirklich, auch wenn es immer wieder aus der Mottenkiste geholt wird.

Anderseits können Schutzeinrichtungen auch wirklich gefährlich werden. Z.B. gibt es in unserer Firma seit einem Jahr eine allgemeine Schutzbrillentragepflicht in allen Hallen, und nicht nur an Maschinen. Zwar hat es vorher noch nie einen Unfall gegeben, der durch die Brille verhindert worden wäre, aber nun schon einen (und mehrere beinahe), der durch die Sichteinschränkung der Schutzbrille verursacht wurde!

Man muss also wie immer abwägen zwischen Wirkung und Nebenwirkung. Beim Fahrradhelm steht auf der einen Seite das Erhalten des eigenen Lebens, auf der anderen Seite ein bisschen Unbequemlichkeit, die wohl mit besseren Materialien noch vermindert werden kann.
Da sollte die Abwägung nicht all zu schwer fallen, ob mit oder ohne Pflicht.

Gravatar: Klimax

Ich fordere eine Helmpflicht für Fußgänger! Warum denn nicht? Könnten diese nicht von einem Auto erfaßt werden? Da hören wir doch regelmäßig von. Mit Helm wäre das Verletzungsrisiko minimiert.

Studien beweisen... Experten haben erkannt... usw. usf.

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