Wahrheit und Veränderung

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Vishal Mangalwadi. Truth and Tranformation: A Manifesto for Ailing Nations. Ywam Pub: Edmonds, 2009. 317 Seiten. 8 Euro (Kindle-Edition).

Veränderung? Aber ja, bitte!

Mangalwadi ist durch das frisch auf deutsch übersetzte Werk „Das Buch der Mitte" (zu meiner ausführlichen Besprechung geht es hier ) und seine Besuche 2015 in Deutschland in das Bewusstsein der hiesigen Christen gerückt. Was würde der indische Denker über den Zusammenhang von Wahrheit und sozialer Veränderung schreiben? Die Verbindung zwischen einer aussereuropäischen Perspektive, dem intensiven Ringen geistliches Wachstum, Gehorsam gegenüber Gottes Wort und dem jahrelangen Einsatz in einer von bitteren Armut geprägten Gegend Indiens verheisst einige neue Erkenntnisse.

Brauchen wir Veränderung?

Der erste Teil ist mit der Frage überschrieben: Brauchen wir Veränderung? Hinter dem Erfolg des Westens steckt eine bestimmte Sichtweise von Moral (Kapitel 1). Hinter der rasanten Technologisierung des Westens steht der Glaube an die Ratio des Menschen. Wie wurde der Westen zu einer denkenden Zivilisation? Wie kommt es, dass sich Menschen im Westen überlegten, wie sie Arbeit rationalisieren und erleichtern konnten? Der Einfluss der Bibel machte im Mittelalter den Westen zur ersten Zivilisation, welche nicht mehr auf dem Rücken von schwitzenden Sklaven abstützte! Drittens prägte der Gedanke der Familie den Charakter des Westens. Die soziale Institution des Westens, welche die Frau befreite, war die Monogamie, also die dauerhafte, exklusive Ehe zwischen einem Mann und einer Frau. Zum Vergleich: Polygamie und Tempelprostitution schwächten die indischen Frauen. Luther Entdeckung, dass die Bibel den Menschen lehrt, dass Männer und Frauen einander lieben, ein Fleisch werden und Kinder haben sollen, prägte für Jahrhunderte den Westen. Hinter allen Bemühungen steckte ein anderes Bild des Menschen. Ein wahrhaftes Bild über den Menschen zu haben, verändert die Welt nachhaltig.

Können Nationen geheilt werden?

Dieser erste Teil war gut nachvollziehbar. Im zweiten Teil, überschrieben mit „Können Nationen geheilt werden?“, wurde der Weg des Verstehens steiler. Mangalwadi liest die Bibel konsequent aus einer kollektiven Sichtweise. Vielleicht steckt hier drin die wichtigste Lektion des Buches: Wie können wir die Bibel noch konkreter in Bezug auf die sozialen Herausforderungen unseres Landes und unserer Kultur lesen? Zum Beispiel: Wie stellen wir uns zur um sich greifenden Korruption? Gehen wir gegen Unrecht vor, das uns aufgrund von Unehrlichkeit und Aberglaube begegnet?

Kapitel 5 „Seine Wunden, um die Völker zu heilen“ beginnt mit der beunruhigenden Beobachtung auf einem Linienflug in den USA. Das Personal durfte nicht mehr „Frohe Weihnachten" wünschen, sondern musste sich an den Sprachkodex „Frohe Festtage“ halten. Daran zeigt sich, dass die US-Amerikaner die grundlegende Freiheit der freien Meinungsäusserung eingebüsst haben. Wahrheit kann im Westen die Stelle oder die Nomination für einen Oscar kosten. Sie kann dazu führen, dass wir auf eine Black List gesetzt werden. Hier setzt die biblische Auseinandersetzung Mangalwadis ein: Er stellt die These auf, dass wir das Heil säkularistisch-westlich auf eine individualistische Weise deuteten. Er führt dazu an: Jesaja 53,3-4 „er wurde um unserer Übertretungen willen dahin gegeben“). Es gehe Jesaja dabei stets um die sündige Nation (Jes 1,4+21-23; 6,9-10). Auch der Begriff der "Heilung" werde durchgehend für die Völker verwendet (Jes 41,8-9; 57,18-19; 58,7-8; 19,21-25). Der Messias würde verwundet werden, um die Völker zu heilen. Das stehe im Widerspruch zum westlichen Individualismus, der die Erlösung selbstzentriert deute.

Im nächsten Kapitel präsentiert Mangalwadi Jesus als „Troublemaker“. Er beginnt mit Johannes 5 und der Heilung des Gelähmten am Teich von Bethesda. Kranke Männer und Frauen seien nicht deshalb gestorben, weil Hilfe nicht verfügbar gewesen, sondern weil sich niemand um sie gekümmert habe. Ebenso sei der Blindgeborene zum Bettler geworden, weil sich seine Volkgenossen nicht gemäss dem Gesetz um ihn gekümmert hätten (Johannes 9). Jesus provozierte ganz gezielt die Regeln der herrschenden religiösen Elite. Daraus leitet Mangalwadi folgenden Schluss ab: „Ziviler Ungehorsam ist der mutige und leidenschaftliche Akt eines Reformers, das institutionelle Übel seiner Tage ans Licht zu bringen und zu verurteilen.“ Aufrichtiges Mitgefühl rufe uns, soziale Strukturen und kulturelle Praktiken, welche Menschen leiden lassen, anzuprangern.

Mangalwadi fährt fort: Wir Frommen seien blind, so wie unsere Gesellschaft blind sei. Diese Blindheit halte uns davon ab, aufzustehen und wie Jesus zu handeln. Auch das Auferstehungswunder von Lazarus (Johannes 11) sieht er aus dieser Perspektive: Jesus stellte das Übel seiner Tage bloss – mit dem Ergebnis, dass Menschen an ihn glaubten (11,41-42). Im gleichen Atemzug lehnten sie das religöse Establishment ab (vgl. Joh 12,9-11; 19,15). Die westliche Trennung zwischen Evangelisation und Gemeindegründung führe nicht zu einer „glaubens-erfüllten Nachfolge“. Jesus habe die Menschen aufgerufen, nicht mehr zu sündigen (Joh 5,14). Damit übertraf seine Gerechtigkeit die der Gesetzeslehrer (Mt 5,20). Jesus stand für die Geringsten der Gesellschaft auf, während die religiösen Führer die herrschende Elite unterstützt und gedeckt hätten. Mangalwadi zögert keine Sekunde, dies mit der fortschreitenden Korruption des Westens in Verbindung zu bringen. Die institutionellen Giganten raubten dem ehrlichen Arbeiter den Schlaf. Jesus rufe uns dazu auf, gegen das Unrecht aufzustehen. Jesus sei sogar noch weiter gegangen. Er habe zuerst die Unterstützung der Massen sichergestellt, bevor er die korrupten Führer ihrer Sünde überführt habe (z. B. Mt 21,33-46). Echtes Mitgefühl achte dabei nie auf den Ertrag und die Ehre des Retters. Vielmehr opfere sie sich auf. Jesu Lohn sei seine Kreuzigung gewesen. Den Schlusspunkt des Kapitels setzt Mangalwadi mit Mt 15 und der Konfrontation der tiefsitzenden rassischen Vorurteile seiner Jünger durch die Begegnung mit einer Frau aus Tyrus. Das Kreuz auf sich zu nehmen bedeute, ein Rebell zu werden und das korrupte Establishment zu bekämpfen – dies aber mit moralischen Waffen; ein Troublemaker zu werden und die Konsequenzen dafür zu tragen.

Nicht weniger herausfordernd ist das 7. Kapitel über das Natürliche und das Übernatürliche. Mangalwadi warnt eindringlich vor unserer pseudo-intellektuellen Welt, welche das Rechnen mit der übernatürlichen Welt einfach als lächerliche Nummer abtun möchte. Es gebe zwei Stimmen: Die erste Stimme sei Gottes Wort; die zweite werde vom Widersacher Gottes, der die Kultur kontrolliere, produziert. Das begründet Mangalwadi mit Daniel 2,7 und 10, aber auch mit 1Sam 16,14-23 und Richt 9,23. Soziopolitisches Übel sei direkte Folge von geistlicher Bosheit. Diese Sicht verbindet Mangalwadi mit zwei existenziellen Erfahrungen, erstens der Befreiung eines Mannes von Besessenheit, für den anhaltend gebetet wurde; zweitens mit der Erfahrung eines Herzinfarktes 2003, der gemäss Aussage der Ärzte nicht auf körperliche Ursachen zurückzuführen gewesen sei. Die Frage, die bei mir entstand, war: Wie wahren wir die Balance zwischen dem Erstnehmen der Bedrohung aus der unsichtbaren Welt und einem ungesunden Überengagement angesichts dieser Bedrohung?

Das achte Kapitel „Seine Wahrheit – Schlüssel zur Veränderung“ führte dann in vertrauteres Gefilde zurück. Auch hier löste Mangalwadi Erstaunen bei mir aus. Ohne Wimperzucken führte er den Begriff der Wahrheit und Weisheit zusammen. Er trennt religiöse nicht von der übrigen Wahrheit. Den Aufruf, nach Erkenntnis zu streben, wendet er auf das gesamte Leben an. Einmal mehr dient ihm das religiöse Leben der Klöster als Vorlage: Die Kultivierung eines religiösen Lebens führte zu wissenschaftlichen, schriftstellerischen Aktivitäten wie auch zur Entwicklung von rechtlichen und politischen Modellen und Systemen. Am Beispiel des eigenen Landes führt er aus, dass die Anfangsinitiative der baptistischen Missionare, welche Indien mit dem Evangelium auch Sprache, Bildung und Entwicklung beschenkten, durch die Folgen aufklärerischen Denkens in säkulare Hände übergeben worden sei. Christen zogen sich vom universitären Leben und der Wissenschaft zurück und beschränkten sich auf die Theologie. Eine neue Reformation würde mit dem Streben nach Erkenntnis zusammenhängen.

Der erste Graben, der hierzu überwunden werden müsse, sei ein denkerischer: Gerettet zu werden bedeutet, Gott zu erkennen (Joh 17,3; Kol 2,3). Die Furcht Gottes steht am Anfang wahrhaften Erkennens (Hiob 28,28; Spr 1,7). Satan verblendet Nationen (Jes 1,2-4; 44,18-19; 56,10-11; Jer 4,22; 5,4-5; 10,14; Mt 13,13-15; Lk 11,52; Röm 1,18-32, Eph 4,17-18; Offb 20,3+8). Der Mangel an Erkenntnis bringt eine Nation zu Fall (Jes 5,13; Hos 4,6+14). Dem steht Gottes Verheissung gegenüber, einen Hirten zu senden, der das Volk zu wahrer Erkenntnis führen würde (Jes 11,2+9; 33,6; Jer 3,15; 24,7; 31,34). Der Wiederaufbau Israels begann durch Daniel, der mit Erkenntnis erfüllt war (Dan 1,17+20; 4,9) und wusste, dass Gott Weisheit und Erkenntnis verleiht (2,21-22) und dass sein Volk durch diese Erkenntnis stark sein würde (11,32). Anti-Intellektualismus habe sich durch die Trennung der Errettung der Seele und dem Geschenk eben dieser Erkenntnis ergeben (vgl. 1Tim 2,4; 4,3+6; 2Tim 1,12; Tit 1,1; Hebr 10,26; Jak 1,5; 1Petr 1,2-8; weiter Eph 1,7-9; Kol 1,9-10; 2,2; Phm1,6; Eph 4,13; Phil 1,9; Kol 3,10). Gott zu erkennen und zu fürchten, beschränke sich also nicht auf das Überweltliche.

Wie kann das Evangelium verändern?

Im dritten Teil wendet sich Mangalwadi der Frage zu, wie das Evangelium verändern kann. Er beginnt mit der Evangelisation. Wer das Buch bis zu dieser Stelle gelesen hat, kann sich vorstellen, dass er diesen Begriff anders füllen wird, als wir es uns in Europa gewohnt sind. Er schliesst den Kampf gegen korrupte Herzen und Institutionen darin ein. Dabei ist er sich wohl bewusst, dass Veränderung bis zur Wiederkunft Christi von temporärer Natur sein wird. Zur Begründung zieht er Wirken und Lehren von Paulus heran. Er versteht dessen Evangelisation als Botschaft, welche eine soziale Reform beinhaltete. Es steht für ihn klar, dass das Evangelium, das Paulus verkündete, vom gekreuzigten, auferstandenen, erhöhten und bald zurückkehrenden Christus handelte. Dies sei jedoch zugleich eine politische Botschaft gewesen. Sich vor dem Herrn der Herren zu beugen bedeutete, den Cäsar nicht mehr als Gott zu verehren. Kein Wunder, habe ein Vorwurf gelautet, dass Paulus damit das ganze System störe (z. B. Apg 21,28). Paulus wollte auf keinen Fall die römischen oder jüdischen Autoritäten beseitigen. Sie predigten vielmehr politische Freiheit durch den Wechsel des Menschen unter die Herrschaft Gottes. So versteht Mangalwadi auch ein politisches System: Erst vor einem transzendenten Gesetz kann es wahre Gleichheit aller Menschen geben!  Ein Evangelist müsse den Machthabern verkünden, dass diese auch einen Herrn und Richter über sich hätten (so wie es Paulus z. B. vor dem Landpfleger Felix getan hat, Apg 24,25).

Die Botschaft ist wirkungslos ohne die Kraft des Heiligen Geistes. Es war zu erahnen. Das Zitat von Joel 2 in Apg 2 nimmt Mangalwadi in voller Länge: Die Ausgiessung des Geistes habe eine überschäumende Kraft in der Gesellschaft frei gesetzt. Er blickt dann auf eine besondere Gabe des Geistes, die Prophetie. Jede evangelistische Botschaft sei eine prophetische Botschaft. Sie adressiere persönliche wie auch gesellschaftliche Sünde. Petrus‘ erste Rede stehe beispielhaft dafür (siehe z. B. Apg 2,40). Die westliche Kirche sei korrupt geworden, weil ihre Führer nicht den Mut gehabt hätten, gegen gesellschaftliche Sünde aufzustehen (ähnlich der Gemeinde in Korinth). Die Welt habe schon Jesus gehasst, weil sie dessen Zeugnis gegen ihre Bosheit ärgerte (Joh 7,7). Die Puritaner hätten im gleichen Sinn und Geist die freie Presse geschaffen und damit das Kreuz, das mit der prophetischen Rede verbunden gewesen sei, auf sich genommen. Wunder seien die Zeichen des Königreichs, Gerechtigkeit jedoch sein Inhalt (vgl. Ps 45,6-7). Durch den zivilen Ungehorsam hätten die Jünger dem göttlichen Gesetzgeber Gehorsam geleistet (Apg 4). So gelte es auch heute, das Kreuz mit allen Konsequenzen auf sich zu nehmen – durch die Kraft des Heiligen Geistes. Der Zugang zu dieser Kraft werde durch Gebet geschaffen.

Drittens braucht es für die Veränderung die Kirche als Säule der Wahrheit (vgl 1Tim 3,15). Manche sehen sie nur als harmlose anbetende, Zeugnis gebende Gemeinschaft. Dabei sei sie noch mehr: Gegengift gegen soziales Übel. Gerade in der ersten Zeit sei die Kirche gerade für Arme und Benachteiligte so anziehend gewesen, weil sie sich kraftvoll für diese Gruppen eingesetzt hätten. Klar: Die Kirche hat die Aufgabe, Reiche und Arme willkommen zu heissen. Wohlstand müsse schliesslich geschaffen werden, damit er verteilt werden könne. Die Kirche sieht Mangalwadi nicht als eine Anhäufung von Helden, sondern als Gemeinschaft von Schwachen, die durch ihren Glauben auf den Messias gegründet seien. Das Beispiel von Christen aus Indien, die einen Menschen aus der Kaste der Unberührbaren frei gekauft haben, legt ein zeugnishaftes Beispiel aus der Gegenwart ab.

Als vierte Kraft nennt Mangalwadi die Hoffnung. Die Kirche leide unter einer „eschatologischen Lähmung“: Die Dunkelheit steige an und alle kehre sich zum Schlechten. Dem setzt der Autor aus eigener Erfahrung einen hoffnungsvollen Akzent entgegen. Hier gehe ich wiederum mit. Der Blick darf nicht auf die Dunkelheit gerichtet sein, sondern auf die Kraft unseres wiederkommenden Herrn! Aus dieser Perspektive gewinnt mutiges Handeln Profil. Der maximale Einsatz ist das Leben – doch nie mehr. Mangalwadi deutet 2Petrus 3 folgerichtig als Reinigungs- und nicht als Vernichtungsprozess. Sünde und Tod würden weichen und die Erde wieder in ihrem ursprünglichen Zustand erstrahlen. „Neu“ trage die Bedeutung von „erneuert“. Der Mensch ist keine Null, sondern ein Sünder; die Erde ist keine Null, sondern verflucht wegen der Sünde des Menschen. Ein Christ ist kein Revolutionär, sondern in erster Linie Zeuge des göttlichen Retters.

Ein Buch zur kritischen Reflexion

Dieses Buch gibt an mehreren Stellen zu kauen. Diese kritische Reflektion wird doppelt erleichtert: Erstens ist Mangalwadi auch in diesem Buch bemüht, seine Gedanken aus dem Wort Gottes herzuleiten. Das hebt sich wohltuend von manchem spekulativen Ansatz ab. Zweitens geht es Mangalwadi nicht um eine abstrakte, von der Wirklichkeit abgelöste Gedankenführung, sondern um die Anwendung in seinem Leben und seinem Land.

Das Buch ist 2009 inmitten der Turbulenzen auf den Finanzmärkten entstanden. Bereits im Vorwort wird der weite Bogen, der nachher gespannt wird, durch die erschreckenden Ereignisse nahe an den westlichen Leser herantransportiert. Mangalwadi merkt in einer Fussnote an, dass dieses Buch für christliche Leser konzipiert wurde. „Es ist Zeit für die Kirche erneuert zu werden und die Kraft der Guten Nachricht wieder zu verkündigen – „um die Gebrochenheit unserer Zeit zu verändern“.

Zustimmung: Gegen eine individualistische, selbstzentrierte Deutung des Heils

Mangalwadi bezieht zu Recht Stellung gegen den westlichen Individualismus, der die Erlösung rein selbstzentriert deutet. Ebenso kritisiert die gefährliche Trennung zwischen Evangelisation und Gemeindegründung. Mit bestechender Logik führt er dem europäischen Leser vor Augen, dass der Westen unter fortschreitender Korruption leiden werde. Mangalwadis These lautet: Die westliche Kirche habe schon den Kampf um die sexuelle Revolution verloren; sie sei deshalb gänzlich unvorbereitet im bevorstehenden Kampf gegen die ökonomische Korruption. Dem pflichte ich bei! Die Frage ist Furcht einflössend: Warum nehmen viele protestantische Christen an der Korruption teil – ohne jegliches Schuldgefühl? Die Wurzel der Korruption ist im menschlichen Herzen zu finden, nicht im System. Es geht um den Neid. Korruption ankert in der Idee, dass Macht Zugang zu persönlichen Privilegien schafft. Korruption kann in einer Gesellschaft, in welcher moralischer Relativismus vorherrscht, gut gedeihen.

Angesichts dieser Veränderungen werden wir uns wohl intensiver mit der Frage zivilen Ungehorsams auseinander setzen müssen. Dabei ist die Ermahnung Mangalwadis von Belang, dass echtes Mitgefühl nie auf den Ertrag und die Ehre des Retters denke, sondern sich aufopfere. Das lässt keinen Raum für eine selbstzentrierte Sichtweise, wie sie bei uns im Westen vorherrscht. Wenn wir das Evangelium auf das gesamte Leben anwenden, werden wir auch Machthabern mutig verkünden, dass auch sie einen Schöpfer und Herrn über sich haben.

Die Kirche ist und bleibt eine Gemeinschaft von Schwachen. Im Bewusstsein dieser Schwäche hat sie sich um Arme und Benachteiligte zu kümmern – so wie sie es die letzten 2000 Jahre getan hat. Sie schöpft dabei Kraft aus der Perspektive, dass ihr Herr wiederkommt.

Fragezeichen: Gegen eine kollektivistische, transformatorische Deutung des Heils

Heilt Gott heute Nationen? Diese Aussage ist Wasser auf die Mühlen der Tranformationstheologie. Mangalwadi fällt zum Glück nicht auf einer Seite vom Pferd. Trotzdem ist eine Akzentverschiebung unverkennbar, wenn Jesus als Revolutionär und Paulus als Reformer und die Kirche als Gegengift gegen soziales Übel hingestellt werden.

Ich frage mich, ob Mangalwadi hier nicht das einheitliche Erkenntnisfeld überbetont. Richtig: Natürliche und übernatürliche Welt dürfen nicht getrennt werden, ebenso wenig geistliche und weltliche Erkenntnis. Trotzdem sollte hier die Zwei-Reiche-Lehre von Martin Luther als Korrektiv zum Zuge kommen sollte: Die beiden Bereiche sollen nicht getrennt, aber voneinander unterschieden werden. Das soll uns nicht davor abhalten, noch weiter aus unserer säkular-individualistisch geprägten Komfortzone herauszukommen. Wir werden gefordert sein, uns vermehrt institutionellem und gesellschaftlichem Übel zustellen. Auch im Bewusstsein, dass wir allfällige Konsequenzen zu tragen haben.

Unsere Herzen im Licht der biblischen Botschaft prüfen

Dieses Buch fordert heraus zu prüfen. Diese Prüfung betrifft die Aussagen der Heiligen Schrift und dann unser eigenes Herz. Auch wenn Jesus Christus in der gegenwärtigen Zeit keine Nationen heilt, kann er dennoch durch die Heilung einzelner Menschen, die sich als Gemeinschaft von Schwachen zusammenschliessen, mächtig wirken!

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Joachim Datko

Aus den Klauen des Christentums befreien!

Zitat: "Das Personal durfte nicht mehr „Frohe Weihnachten” wünschen, sondern musste sich an den Sprachkodex „Frohe Festtage“ halten. "

Was ja vernünftig ist. Wir sollten uns aus den Klauen des Christentums befreien. Religionen sind sehr aufdringlich und versuchen ganze Gesellschaften zu manipulieren.

Gravatar: Thomas Rießler

Jesus Christus hat durch sein Leben das Gesetz und damit die zehn Gebote erfüllt. Im Johannesevangelium wird dies besonders deutlich. Er hat die Gebote in Perfektion erfüllt, denn er selbst ist das Wort bzw. Gebot. Seine Handlungen stehen immer im Einklang mit den zehn Geboten. Es ist faszinierend zu sehen, wie er den Willen Gottes immer wieder spontan erkennt und danach handelt und sich dadurch der allmächtige Gott immer weiter offenbart.

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