Wahnsinnige Weihnachten

Ein Kulturgut im Sog der Political Correctness.

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Die Edeka-Weihnachtsvideos sind inzwischen Kult. Nach dem einsamen Opa im Vorjahr gab es nun den berührenden Appell, trotz aller weihnachtlichen Verpflichtungen Besinnlichkeit und Zuwendung für die Kinder nicht zu vergessen. Es gebe zu Weihnachten nicht nur ein „Muss“ und ein „Soll“, sondern auch den Willen zur Gemeinsamkeit, so lautete die Botschaft, die im Internet millionenfach angeklickt wurde. Doch Edeka hatte die versöhnliche Rechnung ohne die allzeit bereiten Politkommissare gemacht. Die fanden in dem Spot ein Bruchteile von Sekunden sichtbares Nummernschild M-U-SS 420, und darin enthalten seien die SS-Runen, und die seien schließlich verboten, und das gehe ja so gar nicht. Ein kleinerer Bruchteil dieser Pharisäer wies dann tatsächlich auch noch darauf hin, dass die 420 ein deutlicher Hinweis auf Hitlers Geburtstag (20. April) sei. Wo stehen wir, wenn solche Dinge allen Ernstes zum Problem erkoren werden? Dabei hat Weihnachten schon genug um die Ohren.

Unterschlagen oder ignoriert wird in der Kritik an Edeka, dass dieses „muss“ sich konsequent aus dem Songtext ergibt. Wie die sprichwörtlichen Pawlowschen Hunde reagiert diese Spezialdisziplin des Typus Gutmensch auf schlichte Reizbegriffe oder -bilder, ohne einen Denkvorgang dazwischenzuschalten. Ich schlage dementsprechend vor, alle Wörter mit SS aus der deutschen Sprache zu entfernen oder alternativ dafür einen neuen Buchstaben zu erfinden. Schuld ist so gesehen sowieso die Rechtschreibreform: Das ß muss wieder her. Und wenn wir schon bei Reformen sind, sei an den anscheinend ernstgemeinten Vorschlag erinnert, Weihnachten als Antwort auf den Konsumkult im Sommer zu feiern. Der dies verfassende Autor hatte damit sicher nicht eine Steigerung des Konsums seiner Bücher im Auge, sondern nur für alle das Beste im Sinn.

Hellsichtig hatte er aber erkannt, dass der Mythos Weihnachten schwächelt. Das traditionelle Fest steht der globalisierten Weltkultur und dem Genderismus in ähnlicher Weise entgegen wie der Genderismus dem Islam und der Islam der Weltkultur. Ja, wäre der Weihnachtsmann eine Frau oder hätte er sich rechtzeitig im islamisierten Kulturkreis Renommee verschafft, dann sähe es anders aus. So aber hat die Institution Weihnachten nicht nur ein Problem mit den vielen neuen Kulturen im Lande, die manchmal wenig Verständnis dafür haben, dass die Biodeutschen Kartoffeln und Schweinefleisch verzehren, sondern mit dem Niedergang an sich.

Darüber wurde vor einigen Jahren manchmal noch heftig gestritten. Etwa als in Solingen intensiv darüber nachgedacht wurde, die Weihnachtsbeleuchtung in der Innenstadt als „Winterlicht“ auszuweisen. Oder als  der Landessprecher der Linken in Nordrhein-Westfalen forderte, den Martinstag in „Sonne-Mond-und-Sterne-Fest“ umzutaufen - Entschuldigung, umzubenennen heißt das natürlich poco-gerecht. In Friedrichshain-Kreuzberg gab es eine Auseinandersetzung darüber, ob Weihnachtsmärkte nur noch genehmigt werden sollten, wenn sie als Wintermarkt firmierten. Solche Begriffsakrobatik wird nicht dadurch erträglicher, dass dort das Ramadanfest laut Tagesspiegel erst öffentlich gefeiert werden durfte, nachdem es in „Sommerfest“ umbenannt worden war - im Gegenteil. Skeptisch wurden auch die „Zipfelmännchen“ beobachtet, die plötzlich in den Supermärkten auftauchten und dem alten Schoko-Weißbart politisch-korrekt Konkurrenz machten.

Doch heute wird längst nicht mehr gestritten, sondern öffentlich unwidersprochen gehandelt. Von der weihnachtsfeindlichen Repression, die unter dem scheinbar menschenfreundlichen Banner der Toleranz um sich greift, erfahren wir nur wenig in den Medien. Höchstens, wenn wir selber betroffen sind. Sollten meine Leser entsprechende Beispiele kennen, würde ich mich über Zuschriften freuen. Den Alltag kritisch zu beschreiben ist jedenfalls für Medienmann und Medienfrau längst nicht mehr karriereförderlich.

Immerhin wird man bei intensiver Internetrecherche schon fündig. Da gibt es die Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“ des christlichen Hilfswerks „Geschenke der Hoffnung“, bei der Kinder aus wohlhabenden Ländern Kindern in armen Ländern Geschenke schicken. 445.898 Kartons waren es 2013. Das war aber auch nicht recht: „Wir wünschen nicht, dass unsere Einrichtungen sich an der Aktion beteiligen“, verlautete dazu das katholische Bistum in Osnabrück, schließlich sei dies eine Aktion einer anglikanischen Freikirche mit einem „anderen Missionsverständnis“. Als Beispiel dafür nannte er, dass diese Kirche unerhörterweise Broschüren mit christlichen Botschaften in muslimischen Regionen wie Palästina verteilt habe. Aus poco-Gründen stellt die katholische Kirche damit implizit den christlichen Kernauftrag ins Abseits. So sieht Mission 2.0 also aus!

Ganz aktuell verlor ein städtischer Nikolaus im bayerischen Mühldorf seinen Job, weil er bei Facebook einen Post gegen Kindesmissbrauch unter dem Titel „Kinderehe=Kindesmissbrauch“ geteilt (also nicht einmal selber verfasst) hatte. Nachdem  ihn die sozialdemokratische Bürgermeistern (wie sie auch immer davon überhaupt Kenntnis erlangt haben mag – Maas lässt grüßen) angewiesen hatte, sich von dem Post zu distanzieren, weigerte sich der aufrechte Nikolaus und flog dann raus - ganz ohne Schlitten. Es hatte ihm eben nicht geholfen, sich auf das Recht der freien Meinungsäußerung zu berufen.

Schon 2012 untersagte in Frankreich die Leiterin des Kindergartens des Colleges von Grand-Clos jeglichen Hinweis, jede Nennung und jede Darstellung des Weihnachtsmanns. Sie begründete diese Anweisung damit, dass der Weihnachtsmann ein „zu christliches“ Symbol sei, um die „verschiedenen Glaubensüberzeugungen zu respektieren“. Dass der Weihnachtsmann überhaupt kein christliches Symbol, sondern eine Erfindung der amerikanischen Unterhaltungsindustrie ist, wusste sie nicht oder hat sie dabei nicht interessiert.

Einen kleinen Aufstand durch erboste Eltern gab es immerhin in diesem Jahr in Deutschland, konkret in Kassel, die über die örtliche Zeitung bekannt machten, dass die Kindertagesstätte Sara-Nussbaum-Haus aus „Rücksicht“ auf die vielen muslimische Kinder schon seit mehreren Jahren auf christliche Rituale verzichtet. Die Diktion passt in das gängige Weltbild des neuen Überbaus, das sich auch im offiziellen Kasseler Statement zu dem Vorfall niederschlug: Es gebe zwar einige unzufriedene Eltern, die sich mehr Religiosität wünschten, aber man orientiere sich eben „am hessischen Bildungs- und Erziehungsplan. Dieser sieht vor, dass wir keine religiöse Unterweisung betreiben, aber sehr wohl unsere Werte wie Solidarität, Nächstenliebe, Teilen und Gerechtigkeit thematisieren.“

Der schlichte Wunsch der Eltern, den Kindern das einst selbst als zutiefst erfüllend empfundene Gefühl des Weihnachtsfeierns zu ermöglichen, wird als Wunsch nach mehr Religiosität diskriminiert und das Feiern von Weihnachten als religiöse Unterweisung absichtlich missinterpretiert. Weihnachten ist aber viel mehr als ein religiöses Fest, denn es steht schon seit heidnischen Zeiten als die Wende zum Besseren im Moment der tiefsten Dunkelheit und ist heute der institutionalisierte Versuch, in einer hektischen Welt Besinnlichkeit und Gemeinsamkeit wiederzugewinnen.

Interessant ist in dem Zusammenhang die Reaktion der Föderation der Türkischen Elternverbände in Deutschland. Man habe hat kein Problem mit Weihnachtsbäumen in Kindergärten, selbst bei mehrheitlich muslimischen Kindern. Über Ressentiments oder Beschwerden muslimischer Eltern, die ihre Kinder fremden religiösen Einflüssen ausgesetzt seien, sei ihm jedenfalls nichts bekannt, sagte Vorstandsmitglied Ali Sak und fügte hinzu: „Das Ausfallenlassen von Festen aus angeblicher Achtung vor anderen Religionen führt genau zum Gegenteil dessen, was beabsichtigt wird.“ So wurde das Verhalten der Kassler Behörden als das offenbart, was es ist, nämlich der peinliche Versuch vorauseilender Unterwerfung.

Der Antrag eines CDU-Mitglieds im Kasseler Stadtparlament, nicht aus falsch verstandener Toleranz auf weihnachtliche Traditionen zu verzichten und sich zum Weihnachtsfest als Teil christlich-abendländischer Kultur zu bekennen, wurde übrigens mit 47 von 71 Stimmen abgelehnt und überhaupt nur von der AfD unterstützt. Doch Weihnachten, das ehemalige Fest des Friedens, offenbarte in Kassel noch mehr über das neue Deutschland. Die grüne Jugenddezernentin berichtete diffus von „schändlichen“ Hass-Emails in der Folge des Zeitungsartikels. „Wir werden jeden einzelnen dieser Fälle verfolgen und über unser Rechtsamt Strafantrag stellen.“ Früher gab es zu Weihnachten für Missliebiges die Rute, heute ist es die Keule.

Wie wohltuend ist es dagegen jenseits organisierter Weltverbesserungsideologie die Menschen selbst zu hören. In einem berührenden Artikel hat die türkischstämmige Journalistin Cigdem Toprak ihr Weihnachtsgefühl zwischen den Kulturen beschrieben. „Ich gehöre nicht dem christlichen Glauben an, aber das christliche Fest gehört zu meiner kulturellen Identität als Deutsch-Türkin. Ob im Kindergarten, in der Schule, an der Universität oder im Arbeitsleben – Weihnachtsfeiern am Ende jedes Jahres brachten mich mit meinen Freunden, Mitschülern und Kommilitonen stärker zusammen. Als eine muslimische Kommilitonin von einer Weihnachtsfeier fernblieb, und unsere Dozentin uns erklärte, dass sie aufgrund ihrer religiösen Pflichten nicht daran teilnehmen würde, war ich etwas betrübt. Sie und ich hatten die Chance verpasst, uns näher kennenzulernen, so dachte ich "Schade", denn sie isolierte sich selbst von der Gemeinschaft.“ Anschließend spitzte Toprak unter Verweis auf das vermeintlich ‚kulturell oder religiöse‘ Wegschauen deutscher Institutionen bei psychischer und physischer Gewalt gegenüber Frauen zu: „Falsch verstandene Toleranz führt auch dazu, dass man glaubt zu wissen, was Andersgläubige verletzen könne – ohne sie vorher selbst zu fragen und so ihre Vormundschaft zu übernehmen.“ So hätten diese Bevormunder auch nicht bemerkt, dass in der modernen türkischen Kultur Silvester als eine Art "Ersatzweihnachten" zelebriert werde - inklusive Tannenbaum und Beschenkungen.

So schwer verständlich wie diese Verquickung von besinnlichem Weihnachten mit weitgehend überholten christlichen Ritualen ist, so offensichtlich ist daraus kein Angriff auf fremde (oder poco: andere) Religionen und Kulturen abzuleiten. Erst recht unverständlich ist der dem vorausgehende Umkehrschluss, Reibungspunkte zwischen den Kulturen minimieren zu können, indem man auf eine eigene kulturelle Identität verzichtet. Hier zeigt sich beispielhaft, wie gegenwärtig Integration als Leitmotiv ausgetauscht wird gegen eine immer weitergehende Unterwerfungshaltung. Man denke nur an das jüngste Impulspapier von Staatsministerin Aydan Özoguz, das mit „positiver Diskriminierung“, also rechtlicher Bevorzugung allen Fremdens, sogar das Grundgesetz aushebeln will.

Am Ende solcher Wahnsinnspolitik steht dann vielleicht die Synthese von Weihnachten und Ramadan nach dem Motto, „Ihr dürft ruhig Weihnachten feiern, aber dabei nicht essen.“ Es wird vermutlich auch nichts helfen, wenn der Weihnachtsmann sich eine Burka anzieht. Und solcher Sarkasmus hilft natürlich schon gar nicht. Die letzte und vermutlich noch eine Weile sichere Verteidigungslinie des Weihnachtsfestes ist die Konsumwirtschaft. Schlechte und unpopuläre Nachrichten sind schließlich geschäftsschädlich. Solange die größten Umsätze in der Weihnachtszeit getätigt werden, wird der Postkapitalismus an diesem Brauch festhalten wollen.

Mehr von Konrad Kustos gibt es hier: http://chaosmitsystem.blogspot.de/

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Joachim Datko

So ist es aber richtig:

Zitat: "(...) man orientiere sich eben „am hessischen Bildungs- und Erziehungsplan. Dieser sieht vor, dass wir keine religiöse Unterweisung betreiben, aber sehr wohl unsere Werte wie Solidarität, Nächstenliebe, Teilen und Gerechtigkeit thematisieren.“"

Wir sollten den religiösen Ballast reduzieren. Religionen versuchen, den Menschen von klein auf das Selbstbestimmungsrecht zu stehlen.

Streng religiöse Menschen sind Marionetten der jeweiligen Religion.

Cartoon: http://www.toonpool.com/user/5813/files/kreuz_und_einfluss_651085.jpg

Joachim Datko - Physiker, Philosoph

Gravatar: Klaus Kolbe

Diesen selbsternannten Weltverbesserern und sogenannten Gutmenschen ist jegliche Orientierung und jeglicher gesunde Menschenverstand abhanden gekommen – sie haben, in vielerlei Hinsicht, ihren inneren Kompaß verloren.

Jeder Kapitän aber und jede Schiffsbesatzung weiß, wohin eine Reise ohne Kompaß führt …

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