Vorratsdatenspeicherung: Eine Zusammenfassung des BVG-Urteils

Die Verfassungsbeschwerden, über die das Bundesverfassungsgericht zu befinden hatte,  richteten sich gegen die im Telekommunikationsgesetz festgelegten Verpflichtung, dass die Verkehrsdaten von Telefondiensten, E-Mail-Diensten und Internetdiensten vorsorglich ohne konkreten Anlass gespeichert werden müssen

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Die Speicherungspflicht sollte es möglich machen, zu rekonstruieren, wer wie lange mit wem kommuniziert hat. Dies betraf jedoch nicht den Inhalt der Kommunikation. Die Speicherungsfrist beträgt sechs Monate.

Die Beschwerden richteten sich außerdem gegen den Auskunftsanspruch gegenüber den Anbietern der Dienste zur Ermittlung von IP-Adressen. Auf diese Weise soll es den Behörden ermöglicht werden, eine bekannte IP-Adresse einem Nutzer oder einer Adresse zu zuordnen. Die Beschwerdeführer sahen durch diese Regelungen das Telekommunikationsgeheimnis und das Recht auf informelle Selbstbestimmung verletzt.

Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass eine Speicherungspflicht selbst im vorgesehenen Umfang nicht von vornherein Verfassungswidrig ist, sehr wohl aber die rechtliche Ausgestaltung der Datenspeicherung. Die bisherige Ausgestaltung widerspreche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, gewährleisteten keine hinreichende Datensicherheit und keine hinreichende Begrenzung des Verwendungszweckes.

Das Gericht räumt ein, das es sich bei der vorgesehenen Vorratsdatenspeicherung  um einen „besonders schweren Eingriff mit einer Streubreite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt. Auch wenn sich die Speicherung nicht auf die Kommunikationsinhalte erstreckt, lassen sich aus diesen Daten bis in die Intimsphäre hineinreichende Rückschlüsse ziehen.“ Dies mache die Erstellung von aussagekräftigen Persönlichkeitsprofilen für praktisch jeden Bürger möglich.

Damit eine solche Maßnahme dennoch als verfassungskonform eingestuft werden kann, dürfe die Speicherung der Telekommunikationsdaten nicht direkt durch den Staat, sondern müsse durch die Privaten Anbieter der Telekommunikationsdienste erfolgen, so dass die Daten nicht schon bei der Speicherung zusammengeführt werden, sondern bei verteilt auf einzelne Unternehmen bleiben. Auf diese Weise stehen sie dem Staat nicht unmittelbar in ihrer Gesamtheit zur Verfügung.

Unter diesen Umständen dürfen die Daten zur Strafverfolgung und Gefahrenabwehr verwendet werden, solange der Rückgriff auf die Daten die Ausnahme bleibe. Das Verfassungsgericht erklärt, dass die  Einführung der Vorratsdatenspeicherung weiteren Maßnahmen zur Datenerfassung Grenzen setzt: „Durch eine vorsorgliche Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten wird der Spielraum für weitere anlasslose Datensammlungen auch über den Weg der Europäischen Union erheblich geringer.“

Das Bundesverfassungsgericht macht zur Nutzung der gespeicherten Daten  den „durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdacht einer auch im Einzelfall schwerwiegenden Straftat“ zur Voraussetzung und die hinreichend belegte „konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes“, damit die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt.  Nicht zu gegriffen werden sollen auf die Verbindungsdaten von Personengruppen, die Verschwiegenheitsverpflichtungen unterliegen.

Der Auswertung der Daten ohne das Wissen der Betroffenen zieht das Bundesverfassungsgericht enge Grenzen. Das Bundesverfassungsgericht legt fest: Eine Verwendung der Daten ohne Wissen des Betroffenen ist verfassungsrechtlich nur dann zulässig, wenn andernfalls der Zweck der Untersuchung, dem der Datenabruf dient, vereitelt wird.“  Die heimliche Verwendung der Daten dürfe nur vorgenommen werden, wenn sie im Einzelfall erforderlich und richterlich angeordnet ist. Allerdings muss die Benachrichtigung dann wenigstens nachträglich erfolgen.

Die Hürden, die das Bundesverfassungsgericht festgelegt hat, sind für Auskünfte über die Identität von bereits bekannten IP-Adressen weit weniger hoch gesetzt. Schon „gewichtige Ordnungswidrigkeiten“ genügen als Rechtfertigung. Dabei dürfen die Behörden selbst keine vorsorglich gespeicherten Datenabrufen, sondern erhalten von den Dienstanbietern lediglich personenbezogene Auskünfte über den Inhaber eines bestimmten Anschlusses. Ein begründbarer Anfangsverdacht reicht für die Einholung dieser Information aus. Die Zustimmung eines Richters ist nicht notwendig.

Zur Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts

Zuerst erschienen auf Denken für die Freiheit

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Erwin Müller

Es ist mit unserer freiheitlichen Grundordnung schlicht nicht vereinbar, wenn alle Bürger unter Generalüberwachung gestellt werden, selbst wenn diese Daten erst mal verschlossen bleiben. Es wäre völlig ausreichend die Überwachung auf die Personen und ihre Kontakte zu beschränken, gegen die ein begründeter Verdacht vorliegt. Das Urteil geht da leider nicht weit genug.

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