Von Einem zuviel

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Wenn sich Absurditäten ballen, muss einem Text zur an sich völlig banalen Einemstraße sogar noch ein weiterer zur Seite gestellt werden. Am Ende des vergangenen Jahres hatte Gastkommentator Bernhard Kempen gnadenlos den politisch-korrekten Willkürakt bloßgestellt, der seine Wohnstraße mit einem neuen Namen bedachte. Aus der handlichen Einemstraße wurde nämlich damals das Vier-Wörter-Ungetüm „Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße“, das nur dank konsequenter Schmalschreibung überhaupt auf die Straßenschilder passt. Politisch war der Wechsel vom preußischen Militaristen zum Vorkämpfer der Schwulenbewegung durchaus nachvollziehbar, doch Kempen fand selbst als Angehöriger der in dieser Gegend ansässigen Berliner Schwulenszene sowohl den Aufwand als auch das Ergebnis lächerlich. Lächerlich gewiss, aber selbst das blieb nur die halbe Lachnummer: Weil sich die Bezirkspolitikfürsten in ihren eigenen Regeln zur Neuerfindung der Welt verhedderten, gibt es jetzt tatsächlich beide Straßennamen gleichzeitig.

Die keineswegs ansehnliche Einemstraße/Karl-Heinrich-Ulrichs-Straße ist so kurz wie der Streit um sie lang. Früher war sie noch ein bisschen länger, aber damals, also von 1870 bis 1934, aber da hieß sie auch noch Maaßenstraße. Damit die Nazis Herrn von Einem würdigen konnten, entstanden kurzerhand zwei Halbstraßen. Nun aber machten Berliner Schildbürger aus dem restlichen e(E)inem dieser Reststummel erneut zwei, und das kam so:

Während am 17. Dezember unter dem lauten Jubel von 70 anwesenden Funktionären und Aktivisten die Umbenennung von 300 Metern wie geplant gefeiert wurde, blieb es jenseits der Kreuzung der Kurfürstenstraße auf weiteren 200 Metern totenstill. Dort endet nämlich Schöneberg und beginnt der Bezirk Mitte. Der hatte sich zwar mit dem Nachbarbezirk abgesprochen, doch ebenso vor geraumer Zeit im Bemühen um ultimate Gerechtigkeit die Straßenfrauenquote (bitte keinen Strich vor dem „q“) eingeführt. Deshalb könne man, auch wenn Karl-Heinrich-Ulrichs als Schwuler vielleicht nicht so eindeutig zu positionieren ist, die Straßen nicht nach einem Mann benennen, argumentierten 14 aufrechte Bürger und zogen umbenennungsaufschiebend vor das Verwaltungsgericht. Dessen Urteil ist nun nicht nur offen, sondern kann sich auch noch lange hinziehen.

Muss nun Schöneberg zur Wiederherstellung der Einheit die schöne Karl-Heinrich-Ulrichs- Straße gar rückumbenennen? Und will man in Mitte tatsächlich die dafür erforderlichen nächsten Jahrtausende darauf pochen, selbst einen möglicherweise dereinst einmal existierenden außerordentlich verdienten Mann von jedweder Straßenehrung auszuschließen? Vielleicht wäre es aber auch eine Lösung, alle Berliner Straßen in 200-Meter-Abschnitte einzuteilen, um ausreichend Möglichkeiten zu finden, die Quotengerechtigkeit wiederherzustellen.

Eine Gleichbehandlung ganz anderer Art forderte allerdings eine Versicherung, die ihre Adresse an der Einemstraße hat, in einem Schreiben an das Bezirksamt Mitte. Wenn von Einem aus dem Berliner Straßenverzeichnis gestrichen wird, so schrieb man sarkastisch, aber durchaus nachvollziehbar, dann müsste das auch mit Otto von Bismarck, Friedrich von Motz oder Friedrich Wilhelm geschehen, die stadtweit als Namensgeber dienten. Als Kinder ihrer Zeit seien sie alle Monarchisten gewesen und damit automatisch antidemokratisch und homophob. An eine Umbenennung der nach ihnen benannten Straßen denke aber bisher niemand.

Bis zur Klärung dieser schwerwiegenden Fragen muss die freudlose Gasse nun weiter als Mahnmal des Militarismus den Schwulenkiez mit der CDU-Parteizentrale vom anderen Ufer (des Landwehrkanals) verbinden. Das alles hätte man sich sparen können, wäre man dem Vorschlag von Herrn Kempen gefolgt, die Einemstraße nach der Schriftstellerin Charlotte von Einem umzubenennen. Vielleicht hätte sich sogar ein(e) HistorikerIn gefunden, die/der nachgewiesen hätte, dass die Dame dem eigenen Geschlecht zugeneigt gewesen sein könnte. Dann wäre man auch um eine weitere Schwulität des Umbenennungsaktes herumgekommen, denn der designierte Neu-Namensgeber Karl-Heinrich-Ulrichs soll sich, so ein weiterer im Bezirk Mitte aktenkundiger Einwand in seiner 1914 erschienenen Novelle "Manor" allzu sehr der Pädophilie zugeneigt gezeigt haben.

Mehr von Konrad Kustos gibt es hier: chaosmitsystem.blogspot.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Karl Letis

Wie so oft haben sich Linke und Grüne nicht ausfühlich genug mit ihren Entscheidungen beschäftigt.
Ihre Begeisterung übertrifft auch hier wieder ihr rationales Denkvermögen und den tatsächlichen Sachverhalt.

Ein weiterer Hinweis, dass man Politik nicht mit Gefühlen machen kann, und dass im Kern flasche Dogmen in Realpolitik gegossen zu großen Nachteilen aller Bürger führen.

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