Von Brandmauern und Funkenflug

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Ich kann mich nicht daran erinnern, dass unsere Politiker, sieht man mal von ehemaligen DDR-Größen ab, jemals so unverfrorenen Etikettenschwindel betrieben haben, wie in ihrer Eurorhetorik. Das bisher eindrucksvollste Beispiel dafür ist die „Stabilitätsunion“, mit der die Umwandlung von einer Währungsunion erst zu einer Transferunion, dann zu einer Schuldenunion und schließlich zu einer Inflationsunion kaschiert werden soll. Es geht aber noch dreister.

Um die Deutschen auf die nächsten Wortbrüche (sprich: weitere Bürgschaften und neue Risiken) vorzubereiten, werden jetzt „Brandmauern“ versprochen. Als ich das las, hatte ich sofort das brennende Haus meiner Eltern an der Rothenbaumchaussee 141 in Hamburg-Harvestehude vor Augen. Am 26. Juli 1943 schlug eine Brandbombe ins Dach. Der kleine Hans-Olaf stand auf der Straße und sah sein Elternhaus abbrennen. Die Brandmauer zwischen den Häusern verhinderte das Überschlagen der Flammen auf das Haus des Nachbarn.

Eine Brandmauer hatten wir auch im Maastricht-Vertrag. Es bleibt das Verdienst des damaligen Finanzministers Theo Waigel (CSU) und seines Staatssekretärs Horst Köhler, diese gegen energischen Widerstand der Franzosen aufgebaut zu haben. Sie hatte auch einen Namen: „No-bail-out“-Klausel. Und sie hatte eine Bedeutung: Einem in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Land durfte nicht geholfen werden. Damit sollten Politiker davon abgehalten werden, Schulden zu Lasten der Bürger in anderen Ländern aufzunehmen. Diese Brandmauer zwischen den Steuerzahlern in Deutschland und ausgabefreudigen Politikern in anderen Ländern wurde im Mai 2010 von Kanzlerin Merkel auf Druck der Franzosen Sarkozy, Lagarde, Trichet und Strauss-Kahn eingerissen.

Jetzt forderte EU-Währungsfeuerwehrmann Olli Rehn: „Wir brauchen höhere Brandmauern in Europa.“ Dadurch verschleiert er nicht nur die Tatsache, dass die Brandmauer von Maastricht abgerissen wurde, er erweckt den Eindruck, dass eine neue aufgebaut worden wäre, nur nicht hoch genug. Mit diesem Etikettenschwindel machte er aus einem Rettungsschirm (ESM) eine Brandmauer.

Daraufhin erklärte der französische Feuerwehrmann, Finanzminister François Baroin: „Je höher die Brandmauer, desto geringer ist die Gefahr, dass der Rettungsschirm in Anspruch genommen werden muss.“ Damit suggeriert er, dass mit der Erhöhung der (vor allem von den Deutschen) abgegebenen Bürgschaften das Risiko der Deutschen sinkt. Das erinnert zwar stark an die Geschichte des Barons von Münchhausen, der sich mal an seinen eigenen Haaren aus dem Sumpf gezogen haben will, ist aber aus französischer Perspektive plausibel.

Auch der sozialistische Kandidat für das französische Präsidentenamt, Francois Hollande, hat jetzt verkündet, sich im Falle seiner Wahl für Eurobonds einzusetzen. Wenn alle für die Schulden aller haften, wie beim Euro-Bond der Fall, lässt es sich leichter Schulden machen.

Warum der Rettungsfonds ESM keine wirksame Brandmauer ist

Auch die französische Präsidentin des Internationalen Währungsfonds (IWF); Christine Lagarde, forderte in Davos von den Deutschen Zustimmung zur Aufstockung des Rettungsschirms und nannte ihn auch gleich „Brandmauer“. Da vor allem französische Banken viele Risiken im griechischen Feuer haben, bedeutet das im Klartext, dass bei einer Aufstockung der Hilfen für Griechenland deutsche Steuerzahler noch einmal französische Banken retten dürfen. 

Wie immer, verbreitet die Bundesregierung erst einmal den Eindruck, dagegen halten zu wollen, um dann doch nachzugeben. Euro-Feuerwehrmann Schäuble sagt: „Keine Brandmauer wird funktionieren, wenn die zugrundeliegenden Probleme nicht gelöst werden“. Klingt irgendwie gut. Mit seiner „Logik“ müsste man aber dann auch sagen können: „Keine Brandmauer wird funktionieren, wenn es brennt“. Ob er wohl gemerkt hat, damit klargestellt zu haben, dass der ESM gar keine Brandmauer ist?

Was aber wollte uns Schäuble wirklich aus Davos zurufen? Weil der ESM keine Brandmauer ist, müsse er erst einmal kräftig verstärkt werden, um dann Eurobonds oder Ähnlichem Platz zu machen? In der Tat, wenn er den Einheitseuro „retten“ will, bleibt ihm gar nichts anderes übrig. Selbst wenn man Griechenland zu 100 Prozent von seinen Schulden befreite, würde die Wirtschaft nicht einen Deut wettbewerbsfähiger. Die Textilfabriken von Athen, die Reeder von Piräus und der Hotelier in Rhodos wären immer noch zu teuer. In der Geschichte von über hundert Umschuldungen (einschließlich der in Argentinien und Russland) hat es noch nicht einen Fall ohne gleichzeitige Abwertung gegeben. Die ist in einer Einheitswährung aber nicht möglich.

Von Eurorettungsgipfel zu Eurorettungsgipfel wird deutlicher, dass in einer Währungsunion auch ein kleines Land einen verheerenden Flächenbrand auslösen kann, wenn es keine  feuerresistenten Brandmauern gibt. Sogar in den USA, mit dem Dollar als Einheitswährung, gilt die „No-bail-out“-Klausel seit dem Bürgerkrieg vor 150 Jahren. Auch heute kommt keiner in den anderen 49 Bundesstaaten auf die Idee, das hochverschuldete Kalifornien zu alimentieren. 

Statt die Brandmauer von Maastricht wieder aufzurichten, sorgen unsere Eurofeuerwehrleute für Funkenflug. Irgendwo habe ich mal gelesen, dass der Anteil von Brandstiftern unter Feuerwehrleuten besonders hoch sein soll.

 

Beitrag erschien zuerst auf handelsblatt.com

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