Vom Zwang, operieren zu müssen

Kaum einer wird widersprechen, wenn ich behaupte: Nie ist so viel und so teuer operiert worden in Deutschland, wie heute?

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Ein Gefühl, dass sich auch leicht durch Zahlen unterlegen lässt: Von 2002 bis 2010 – also innerhalb von nur acht Jahren – verdreifachte sich die Zahl der Operationen in deutschen Krankenhäusern. Von 576 auf 1.854 Tausend.

Egal, ob im eigenen Familien- oder Bekanntenkreis oder im Wartezimmer eines Orthopäden: die Zahl der „Operationskarrieren“ scheint zahlenmäßig nicht mehr aufzuhalten.

Unheimlich viele, die heute schon mit 50 Jahren ihre erste künstliche Hüfte bekommen haben, planen schon fürs Folgejahr die nächste Operation. Ein neues Kniegelenk soll es diesmal sein. Alles ist möglich – der technische Fortschritt hat in den letzten 10; 15 Jahren Möglichkeiten eröffnet, an die zuvor noch niemand auch im Traum denken durfte.

Die Zeit scheint nicht fern, das jedes Gelenk, jeder Knochen, ja sogar jedes menschliche Organ bei Versagen einfach durch ein Neues ersetzt werden kann.

Und natürlich hat dieser Fortschritt auch einen Preis. Einen hohen Preis!

Allein für die schon selbstverständliche „neue Hüfte“ bezahlt die Krankenkasse inklusive Anschlussbehandlung zwischen 10.000 und 15.000 €.

Wenn wir den nur allzu menschlichen und verständlichen Traum träumen, das uns auch eines nicht zu fernen Tages das eigene, kaputte Herz ganz einfach durch ein neues, künstliches aus dem Regal ersetzt wird, werden wir auch mit der doppelten Summe nicht mehr auskommen.

Und natürlich möchte ich, wie sicherlich alle anderen Christenmenschen, dass auch eine größtmögliche Zahl von Patienten in den vollen Genuss all dieser neuen Möglichkeiten kommen, ihre Lebensqualität auch noch mit 80 oder 85 Jahren eine hohe ist – sie sich bis ins hohe Alter eines guten Lebens erfreuen können.

Aber: es sollte doch die Frage erlaubt sein, wie wir das dann auch in 50 Jahren noch bezahlen sollen? Mit dem stattlichen Krankenversicherungssystem von heute wird das nie und nimmer gelingen. Völlig ausgeschlossen! Wir alle müssten das Doppelte und dreifache unseres heutigen Beitrages zahlen. Allerdings: nicht “wir“, sondern unsere Kinder und Enkel!

Weil in 30 oder 50 Jahren wir selbst die Alten sind; diejenigen, die diese teuren Operationen benötigen. Die es heute womöglich noch gar nicht gibt! Und nur die Kinder und die Enkel, die einige von uns heute geboren haben, müssten dann diese heute unkalkulierbaren Riesensummen aufbringen.

Das können sie aber nur unter der Voraussetzung, dass sie von ihren Eltern zu anständigen Menschen erzogen worden sind, die  fleißig mit Kopf oder Händen das Geld erarbeiten, was wir dann für unsere Gesundheit brauchen.

Und das Geld für unsere Rente nicht zu vergessen! Wir erinnern uns? Drei- bis viermal so viel, wie wir selbst je eingezahlt haben.

Auch nicht zu vergessen, die Steuerlast an den Staat. Vorgeblich für weitere soziale Wohltaten? Wenn der Staat sein Ausgabentempo so beibehält wie im Augenblick – und die deutschen, europäischen und globalen Rahmenbedingungen werden sich eher noch verschärfen, denn „billiger“ werden – wäre das in 30 Jahren ein staatlicher Hunger nach Steuergeld in Höhe von ca. 1 Billionen Euro; in 50 Jahren müsste sich der Staat für über 1,5 Billionen Euro jährlich aus den Taschen seiner Bürger bedienen.

Das ist einfach nicht mehr leistbar!

Wie schwer es ist, im Beispiel unserer in die Höhe schießenden Operationskosten, auch nur ansatzweise etwas zu verändern, zeigt die naive Frage an die Akteure im Gesundheitswesen, wie viele von diesen Operationen denn eigentlich schlicht und ergreifend überflüssig wären und damit Kassen und Patienten ganz ohne Not belasten und ihnen Schaden zufügen.

Wie immer in „sozialen Fragen“, fällt die Antwort sehr ungnädig und gereizt aus: „Klar, wenn diese Gesellschaft sich so entscheiden würde – also gegen Operationen – könne man gern die Alten auch mit schmerzverzerrtem Gesicht an Krücken gehen oder im Rollstuhl fahren lassen!“

Es ist mittlerweile fast unmöglich, in diesen Angelegenheiten eine sachliche Diskussion zu führen, ohne die Moralkeule zu spüren zu bekommen. Und die Politiker kloppen immer wieder gern mit. Weil es so gut ankommt bei den Leuten, Applaus in der Talk-Show und vermeintlich Wählerstimmen bringt.

 

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Y. Y.

Das erpresserische Argumentieren mit Moral, eine Spezialität besonders von SPD und Grünen, ist menschenverachtend. Außerdem ist es eine Sauerei, auf Moral zu pochen und selbst unmoralische Taktiken zur Durchsetzung seiner politischen Ziele anzuwenden.

Gravatar: Conni

Der Artikel ist in der Tat ein Schock. Frankreich hat den bildungssozialistischen Weg weit früher und radikaler beschritten als Deutschland. Bei uns geht es erst seit einigen Jahren so richtig los.
Erschreckend, was dabei herauskommt. Ein Blick nach Frankreich ist ein Blick in unsere Zukunft.

Gravatar: F. H.

Volle Zustimmung! Ich habe bewusst nur die offizielle Version der Politiker und Medien angegeben, also die hinterlistigen, moralischen Begründungen (Erpressungen) für sozialistischen Schwachsinn.

Gravatar: Klimax

"Und die frühkindliche Betreuung in Krippen und Kindergärten ist dazu da, dass Kinder nicht mehr zu Hause verblöden, ..." - Das glaube ich gerade nicht. Ganz im Gegenteil: sie ist dazu da, daß Kinder aus besser gebildeten Schichten keinen Vorsprung mehr haben, wenn es auf die Schule geht. Das Ergebnis ist das gleiche: Einheit, Gleichheit, aber dies eben auf unterem, nicht auf oberem Niveau.

Gravatar: F. H.

Man verzeihe mir, wenn ich etwas abschweife, aber die Bildungspolitik ist mindestens ebenso verseucht mit moralischen Totschlagsargumenten wie die Gesundheitspolitik. Sog. „Gemeinschaftsschulen“ (schönerer Name für Einheitsschulen) sind z.B. dazu da, dass keiner mehr als Hauptschüler diskriminiert wird. Der Abbau von Förderschulen (früher genannt Hilfs- oder Sonderschulen) und die Eingliederung der Förderkinder in Regelschulen ist dazu da, dass niemand mehr ausgegrenzt wird.
Und die frühkindliche Betreuung in Krippen und Kindergärten ist dazu da, dass Kinder nicht mehr zu Hause verblöden, sondern frühzeitig die gleiche staatlich verordnete Bildung erhalten. Dieses „gleich“ gilt als Gebot der Gerechtigkeit.
Vor ein paar Tagen wurde in einem Bildungsmagazin durch Leserkommentare die Schulpolitik und -situation in Frankreich angesprochen, bei der moralische Pseudo-Gründe weit früher als bei uns den gesunden Menschenverstand als Entscheidungsinstanz ablösten. Ich war schockiert, zumal Frankreich bei uns stets als Vorbild beschrieben wird:
http://jungefreiheit.de/service/archiv/?www.jf-archiv.de/archiv13/201310030154.htm

Gravatar: fufu

Ja, das traurigste heute ist, dass sich keine vernuenftige Diskussion mehr ohne "Keulen" fuehren laesst.

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