Vom Wolf und den sieben Geißlein

In Zeiten von Bildungs- und Aktionsplänen wird mir wieder bewusst, dass man Kindern zuerst die Mutter nehmen muss, um ungestörten Zugriff auf die Jugend zu haben. Schnell geraten sie in einen Schlund von Begierde, Genuss und Rücksichtslosigkeit. Befreien kann sie nur echte Mütterlichkeit.

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Wenn ich heute meinen Enkeln das Märchen vom Wolf und den sieben Geißlein erzähle, läuft es mir selbst eiskalt über den Rücken, weil mir klar wird, dass dieser Wolf heute leibhaftig existiert, ebenso seine Verstellung, seine Heuchelei, seine Gier und Wolllust.

Ich merke, dass die arglosen Kinder, allein gelassen, sich nicht wehren können gegen die List des Stärkeren. Ihr Vertrauen wird ausgenutzt. Am Ende sitzen sie im vor Fleischeslust stinkenden Bauch des Ungeheuers, bekommen keine Luft mehr, sind jeder Freiheit beraubt, Opfer einer Ideologie, die nichts anderes will als Fleisch und Befriedigung. Liebe und Rücksichtnahme  gehören nicht in das Vokabular des Wolfes. Zu guter Letzt obliegt es den Müttern, ihre Kinder dem Wolf zu entreißen und zu befreien.

Da hatte es einer in schlimmer Absicht auf die  Kinder abgesehen. Nur, wie sollte er an die niedlichen Kleinen  heran kommen? Er musste sich so lange auf die Lauer legen, bis die Mutter einmal das Haus verlassen würde.

Nach eindringlicher Mahnung, dem Wolf mit der rauen Stimme und den schwarzen Pfoten die Tür ja nicht zu öffnen, macht sich die Mutter mit einem großen Korb auf den Weg, um Kräuter zu sammeln für die hungrige Kinderschar. Mag sein, dass die alte Geiß immer neue, noch saftigere Kräuter entdeckte, mag sein, dass sie die Sammelwut packte, mag sein, dass die Mutter über eine ganze Weile das Kindergeschrei zuhause gar nicht vermisste – jedenfalls merkte sie nicht, wie lange sie unterwegs war. Viel zu lange!

Denn der Wolf fand die Gelegenheit günstig, sich dem Geißenhaus zu nähern. Sein erster Versuch, sich als liebevolle Mutter auszugeben, misslang. Dann frisst der Wolf Kreide und lässt sich unter wüsten Drohungen vom Bäcker und vom Müller die schwarze Pfote weißen. Mit süßer Stimme und der sanften Pfote gelingt seine List: „Ich bin eure Mutter und habe euch etwas mitgebracht!“ Welches Kind lehnt schon ein Geschenk ab! Sich als Mama auszugeben, um den Schmerz des verlassenen Kindes zu dämpfen – ein Vorhaben,  das nur kurzfristig gelingt! Und schon öffnen die gutgläubigen Kleinen dem Heuchler die Tür. Da war's um die Kinder geschehen. Bis auf das jüngste im Uhrenkasten verschlingt der Grausame in seiner Gier ein Zicklein nach dem anderen mit Haut und Haaren, torkelt vollgefressen auf die Wiese und fällt zufrieden in einen Tiefschlaf. Er hatte bekommen, was er wollte, der Wanst ist voll, die Gier gesättigt. Keine Skrupel, keine Scham, keine Reue!

Zu spät kommt die Mutter heim und stellt entsetzt fest, dass ihre Kinder der Heimtücke  des gefräßigen Wolfs zum Opfer gefallen waren. Zu spät, um ihre Familie zu schützen, zu spät, um Unheil abzuwenden. 'Wäre ich nur nicht so lange weg geblieben, hätte ich meine Kinder nur nicht so lange allein gelassen', so plagt sich die  Mutter voller Gram. Wäre nicht das allerkleinste Geißlein verschont geblieben, so hätte es keine Rettung gegeben. Die Mutter schreitet zur Tat, befreit ihre Lieben und schließt sie erleichtert in ihre Arme.

In Zeiten von Bildungs- und Aktionsplänen wird mir wieder bewusst, dass man Kindern zuerst die Mutter nehmen muss, um ungestörten Zugriff auf die Jugend zu haben. Darum treibt man zuerst die Mütter  mit geheuchelten  Versprechungen wie Selbstverwirklichung, Chancengleichheit oder Gleichstellung aus dem Haus und in den Erwerb, und das möglichst in Vollzeit und lockt sie mit Konsum und Rentenansprüchen. Sind die Kinder schließlich dem Elternhaus entrissen, so hat  der Verführer leichtes Spiel. Schnell geraten sie in einen Schlund von Begierde, Genuss und Rücksichtslosigkeit. Befreien kann sie nur echte Mütterlichkeit.

Märchen sind Gleichnisse. Ihre Wahrheit gilt zu allen Zeiten.

Zuerst erschienen auf familiengerechtigkeit-rv.info

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Reiner Schöne

Ein sehr guter Artikel. Genauso ist es um die Kinder staatsgerecht erziehen zu können. Es geht nichts, wirklich überhaupt nichts, was Mutterliebe ersetzen kann. Alle Versprechungen die man den Müttern gibt, Selbstverwirklichung usw. kann nur bis zu einem gewissen Grad verwirklicht werden, die meisten scheitern schon an einem Arbeitsplatz, denn selbst wenn die Kinder im Kindergarten sind, werden die Mütter bei Krankheiten zurückgerufen und somit ist es auch "aus" mit der Selbstverwirklichung. Meine Frage als 60 zig Jähriger und 6-facher Großvater wäre: was war so schlecht an unserer Kindheit unserer Erziehung durch unsere Eltern, an unserer Kindheit und Jugend, als die Eltern noch Eltern sein durften im Zusammenschluß mit den Großeltern. Die die noch keinen Kindergarten brauchten, und als Kind auch nicht wollten da man viele Kinder im gleichen Alter in unmittelbarer Nachbarschaft wohnten und man viel mehr Zeit draußen verbrachte als die Kids heute. Man brauchte kein Fernsehen, keine PCs, man lebte seine Phantasien aus, wenn es auch ab und an etwas gefährlich wurde, oder sich weh tat, es gehörte dazu. Heute werden Eltern als Geburtsmaschinen missbraucht, sind die Kids da, werden sie abgegeben. Tut man es nicht wird man dumm angesehen.

Gravatar: Eva Salm

Danke Frau Fischer, so eine geniale Parabel und soo wahr! Werde sie anwenden in Gesprächen! Und die Mutter wird zu Hause immer gebraucht, auch bei älteren Kindern um die klare Sicht der Dinge zu bewahren! Aber wie kann man die Wende fördern? Wir Mütter stehen mit dem Rü ken an der Wand!

Gravatar: eisenhut

Endlich - wie lange habe ich auf so einen Artikel gewartet.
Eine gut ausgebildete Mutter, die mit wenig Geld organisieren musste und Verantwortung übernahm - kann, wenn sie will auch wieder eine Stelle haben. Welcher Arbeitgeber sucht denn das nicht: mit wenig Gehalt zufrieden, kaum krank und diese Fähigkeiten - ich bin mir sicher das sind Argumente. Die Rente ist doch so und so nicht viel. Dagegen steht eine einmalige Zeit - die Entwicklung von Kindern zu erleben aber auch die in einem selber. Was für eine Möglichkeit der Kreativität und wahrer Machtausübung mit Liebe. Die Erfahrungen mit Solo Müttern die den Lebensunterhalt sichern mussten hatten wir doch schon bei den Trümmerfrauen. Warum jetzt immer noch- ein Rätsel. Warum denken so viele Frauen nicht einfach an sich un d orientieren sich so leicht an dem Umfeld?

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