Vom beschränkten Horizont des regionalen Wirtschaftens

Regionale Wirtschaftskreisläufe sind das neue Heilmittel gegen Klimawandel, Arbeitslosigkeit und Entfremdung in der Arbeitswelt. Doch wie Öko und sozial sind sie wirklich?

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Nach „Bio“ ist „Regio“ das neue Schlagwort in der Welt der Life-Style-Lebensmittel. Regionale Wirtschaftskreisläufe sollen nicht nur gut für die Umwelt sein, sondern auch die regionale Wirtschaft stärken und die Markttransparenz fördern.

Protagonisten regionaler Wirtschaftskreisläufe vernachlässigen jedoch bei ihrer Betrachtung der Ökobilanzen von Lebensmitteln einen wichtigen Aspekt, der die Vorteilhaftigkeit regionaler Produktion sehr schnell relativiert. Schadstoffemissionen fallen nicht nur beim Transport, sondern vor allem bei der Produktion der Lebensmittel an. Tatsächlich übertreffen die negativen Produktionseffekte für die Umwelt die Transporteffekte bei weitem. Und hier gibt es eine recht einfache Regel: je höher die Produktivität der Herstellung von Lebensmittel aufgrund vorteilhafter geographischer und klimatischer Bedingungen, umso geringer ist die Belastung der Umwelt. Die hier messbaren Unterschiede erheblicher Größenordnung werden häufig selbst durch globale Transporte kaum kompensiert. So zeigen etwa Pierre Desrochers und Hiroko Shimizu in ihrem Beitrag „Will buying food locally save the planet?“ das Erdbeeren in Kalifornien mit einem gut fünffachen Flächenertrag hergestellt werden können als im kanadischen Bundesstaat Ontario. Damit ist aber eben auch ein wesentlich effizienterer Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie Treibstoffen und technischem Gerät möglich. Kein Wunder, dass die Produktion spanischer Tomaten, so ein Studie der britischen DEFRA, mit 630kgCO2/Tonne Ertrag nur gut ein Viertel der Klimagasemission verursacht, wie die Herstellung der selben Früchte in Großbritannien. Bewertet man die Lebensmittel mit dem Konzept der „Food Miles“ einem Maß für die Transportintensität über den gesamten Produktlebenszyklus der landwirtschaftlichen Produkte, so stellte die gleiche Studie fest, dann werden gut vier Fünftel davon vom Transport im Inland verursacht, wobei 48 Prozent auf den Heimtransport vom Einzelhändler und nur 31 Prozent auf den LKW-Transport zum Einzelhandel entfallen. Lediglich ein Prozent der „Food Miles“ werden durchs Flugzeug oder das Schiff erbracht. Vor diesem Hintergrund relativiert sich die oft betonte ökologische Vorteilhaftigkeit regional erzeugter Lebensmittel erheblich.

Doch auch aus ökonomischer Perspektive macht die Konzentration auf regionale Wirtschaftskreisläufe wenig Sinn. Globaler Handel führt auch im Bereich der Lebensmittelherstellung zu einer erhöhten Produktivität, verursacht durch Spezialisierung sowie Serien- und Massenproduktion. Zudem bringt die Vielzahl unterschiedlicher Lieferanten einen intensiveren Wettbewerb hervor, der zusammen mit den Produktivitätsgewinnen sinkende Lebensmittelpreise möglich macht. Globaler HAndel mit Lebensmitteln steht auch nicht im Widerspruch zu dem Ziel der Förderung einer regionalen Wirtschaft, ist es doch gerade die Arbeitsteilung, die ein Wirtschaftssystem stärkt. Regionen konzentrieren sich auf die Produktionszweige, in denen sie komparative Kostenvorteile aufweisen. Diese Produkte und Dienstleistungen tauschen sie auf globalen Märkten gegen Lebensmittel ein, die dank moderner Transporttechnik in hoher Qualität und frisch auf den heimischen Tisch kommen. Kleinteilige Wirtschaft, die diese Vorteile nicht nutzt, leidet zwangsläufig an höheren Kosten und Preisen sowie geringerer Produktvielfalt. Exotische Früchte oder Erdbeeren im Winter sind eine Bereicherung für unseren Speiseplan, auch wenn so mancher nostalgisch in die Vergangenheit schaut, in der die Jahreszeiten noch bestimmten, was oder was nicht auf unsere Tische kommt.

Nicht selten wird die regionale Wirtschaft mit dem Verweis auf höhere Markttransparenz, mehr Vertrauen zwischen den Marktteilnehmern und eine höhere Wertschätzung für die Arbeit der Mitmenschen gewürdigt. Doch schließt die globalisierte Wirtschaft  diese Aspekte wirklich aus? Markttransparenz resultiert nicht zwangsläufig aus regionaler Nähe, sondern aus dem Marktumfeld in dem Produktion und Handel stattfinden. Freier Handel lässt auch Institutionen Raum, die sich auf die Information der Verbraucher spezialisieren. Globaler Handel bedeutet auch mehr Konkurrenz um die Gunst der Verbraucher, deren Gaumen sich eben nicht nur mit billigen, sondern auch mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln zufrieden stellen lassen. Gutes Essen ist daher keine Frage der Entfernung, sondern vor allem eine Frage des Preises. Und je besser die Herstellungsbedingungen, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, das Qualität auch zu moderaten Preisen geliefert werden kann.

Ebenso wenig sind Vertrauen und Wertschätzung auf die Menschen in unmittelbarer regionaler Nachbarschaft beschränkt. Ein wichtiges Ergebnis der Globalisierung ist, dass sich Menschen durch Handel miteinander vernetzten, dass ökonomische Abhängigkeiten entstehen, die gewaltsame Konflikte wirtschaftlich unattraktiv machen. Lebensmittel, so wichtig sie für den Menschen sein mögen, sind Produkte wie andere auch. Das Wissen über ihre Produktion ist daher in einer arbeitsteiligen Welt nicht wichtiger als verfügbare Informationen über die Abläufe in einer Chipfabrik oder in einem Architekturbüro. So wichtig das Verständnis der Menschen für wirtschaftliche Kreisläufe und die Leistung der Menschen, die diese in Bewegung halten, so wenig kommt es darauf an, hier gerade der Lebensmittelproduktion ein Primat zuzuordnen. Jeder lokale Handwerker, jedes vor Ort produzierende Unternehmen, jeder international operierende Konzern trägt keinen geringeren Teil zum Wohlstand einer Region bei als der Ökobauernhof am anderen Ende des Dorfangers. Wer regionale Wirtschaftskreisläufe vor diesem Hintergrund protegiert, läuft Gefahr, dass er den Menschen einen Bärendienst erweist, die sich am anderen Ende der Erde mit dem Handel mit uns eine Existenz aufbauen wollen. Umso bedauerlicher, dass er damit auch nicht verhindern wird, dass beim ortsansässigen Mittelständler mit Handelsbeziehungen nach Fernost aufgrund schleppender Geschäfte Personal gekürzt werden muss.

Dieser Beitrag ist auch auf "Denken für die Freiheit" dem Weblog des Liberalen Instituts der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit erschienen.

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