Voll in der Lutherfalle

Eine alte Geschichte berichtet von zwei Mönchen, die viel über das Leben nach dem Tode nachgedacht haben. Sie konnten keine wirkliche Einsicht gewinnen. Darum trafen sie eine Vereinbarung:

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Wer von ihnen beiden zuerst sterben würde, sollte in der folgenden Nacht dem Überlebenden im Traum erscheinen und ihm mitteilen, ob ihre Vorstellungen vom Himmel richtig waren oder nicht. Weil so eine Erscheinung im Traum ja keine Kleinigkeit ist und sehr mißverständlich sein kann, einigen sie sich auf Stichworte. War ihre Vorstellung zutreffend, so sollte der Verstorbene sagen: taliter – es ist so. War sie falsch sollte er sagen: aliter – es ist anders.

Nun starb der eine der beiden Brüder. Er erschien tatsächlich in der folgenden Nacht seinem Mitbruder.

Und was sagte er? Nec taliter, nec aliter, sed totaliter aliter (es ist weder so, noch anders, es ist völlig anders).

Warum diese Geschichte an dieser Stelle? Sie kam mir in den Sinn, als ich heute morgen eine Mail von thysus in meiner Mailbox vor, in der er mich auf diesen Blogpost hinwies.

Ist dieser liebende Gott derart rigoros ablehnend, dass selbst wir durchschnittlichen, sündigen Menschen ohne Weiteres mehr Liebe aufbringen könnten? Oder genügen gelegentliche barmherzige Anwandlungen, das ewige Himmelreich zu erben?

Es ist im Kern die Lutherfrage: “Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?” Doch eine Abhandlung über Rechtfertigung scheint mir fehl am Platz.

Wohl scheint es mir, der Ort zu sein, wo ein Bekenntnis nötig ist. Man mag dieses nicht mit der strengen dogmatischen Waage messen, obwohl ich natürlich die Lehre der Kirche im Hinterkopf habe, soll es eine Sprache sein, die einlädt selber noch einmal zu überdenken und zu überbeten, was thysus so schmerzlich umtreibt.

Weder ein einfaches “Ja” noch eine einfaches “Nein” werden diesem komplexen Problem gerecht. Es bleibt erst einmal festzuhalten, daß Gott wirklich so anders ist, daß er sich unserer einfachen recht linearen Weltsicht völlig verstellt, wie die Mönche in der obigen Geschichte einsehen mußten.

Gott ist in der Tat rigoros. Er ist so rigoros, daß einem dabei schwindelig werden kann.

Er liebt so rigoros, daß er seinen Sohn in die Welt gesandt hat, um uns durch das Kreuz zu erlösen. Welcher Mensch wäre zu solch einer Liebestat in der Lage? Wie kann es dann also sein, daß dieser Gott es zulassen könnte, daß ein einziger Mensch verloren geht. Die Antwort liegt auf der Hand, wenn man erkennt, daß Gott unsere Freiheit bedingungslos akzeptiert. Wer sich in freier Entscheidung Gott nicht zuwendet, den zwingt selbst Gott nicht dazu, sich ihm zuzuwenden. Wer von Gott weg geht, dem geht Gott hinterher, aber er fängt ihn nicht mit dem Lasso ein. Wir glauben, daß im Tode eine endgültige Entscheidung fällt.

Aber auch anders herum wird ein Schuh daraus. Ein Mensch, der sich Gott zuwenden will, der den unbedingten, doch möglicherweise uneingestandenen Willen hat, auf Gott zuzugehen, wird nicht verloren gehen können. Gott weiß um unsere menschlichen Grenzen. Dazu gehört unter anderem auch die mögliche Unfähigkeit Gott als Gott zu erkennen. Wer außer Gott kann das Innenleben eines Menschen voll und ganz erkennen?

Ich glaube, darin lösen sich dann alle Fragen nach unserer Rettung auf. Sicher lehrt die Kirche die unbedingte Heilsnotwendigkeit des Glaubens und der Taufe. Nulla salus extra ecclesia gilt heute wie zu allen Zeiten. Doch es Verdienst der Lehrentwicklung der Kirche, diesen Satz genauer auszufalten. In jüngster Zeit ist dies im II. Vatikanischen Konzil erfolgt. Die Erkenntnisfähigkeit des einzelnen Menschen spielt dabei eine große Rolle. Nur wer von der Kirche und ihrer Heilsnotwendigkeit Kenntnis erlangt und sich dieser Erkenntnis nicht mutwillig widersetzt, muß zwingend zur Kirche gehören, um das Heil erlangen zu können. Wer die Kirche – aus welchen Gründen auch immer – ohne eigenes Verschulden nicht als Heilsnotwendig erkennen kann, aber nach seinem Gewissen in aller Sorgfalt entscheidet, wird nicht in die Irre gehen. Es ist vielleicht kein Beweis, aber ein deutlicher Hinweis, daß die Kirche schon sehr viele Menschen heilig gesprochen hat, was nichts anderes bedeutet, als daß sie das Heil erreicht haben. Von keinem einzigen Menschen, nicht einmal vom anzunehmenden schlimmsten Schurken oder Massenmörder würde die Kirche behaupten, er sei verdammt.

Der in o.g. Blogpost angeführte Samariter handelt barmherzig – also nach dem Gesetz Gottes – weil es ihm im Gewissen als richtig erscheint. Und darum wird er von Jesus als Vorbild dargestellt. Handle so und Du wirst leben.

Ein von niemandem geliebter Mensch, ein abstossender, ins Elend abgerutschter Säufer, der gar nicht glauben und schon längst nicht mehr lieben kann, wird dementsprechend auch von Gott (von dem zwar ganz klar behauptet wird, dass er die Liebe selbst sei) nicht geliebt und dem ewigen Feuer überantwortet.

Dieser Satz hat mich förmlich schockiert. Das muß ich an dieser Stelle ehrlich eingestehen. Es gibt nämlich keinen Menschen auf dieser Welt, der von niemandem geliebt wird. Und sei er das größte Scheusal, das kein Mensch zu lieben im Stande ist, so ist es noch immer noch Gott, der niemals aufhört zu lieben. Und genau diese Liebe ist es, dem elenden Säufer die Tür zum Himmelreich öffnen kann.

Es scheint oft, man könnte das Ganze wesentlich billiger haben. Was sollen denn da beispielsweise diese jahrhundertlangen, ernsthaften theologischen Diskussionen und erbitterten Streitigkeiten? Was sollen alle diese Kämpfe um liturgische Feinheiten, Details oder Grundsätze?

Es scheint nicht nur so, es ist sogar so, daß wir das Ganze – also das Himmelreich – wesentlich billiger haben könnten. Wir müßten uns nur alle sofort und ohne Wenn und Aber von jeglicher Sünde bekehren. Im Handumdrehen wäre das Reich Gottes vollendet. Wäre da nicht diese blöde Erbsünde, die uns immer wieder disponiert, uns partiell oder ganz von Gott abzuwenden oder gar gegen ihn zu stellen. Und genau weil Gott das weiß, weil er uns bis ins tiefste Detail kennt, hat der den Menschen in der Geschichte immer wieder, angefangen bei Noah, Abraham, Mose, David, den Propheten seinen Bund angeboten und den Bund im Kommen seines Sohnes vollendet.

Die Kirche, die Jesus Christus auf Erden gegründet hat, ist nichts weiter als der Krückstock des ewigen Bundes, an dem wir geführt vom Heiligen Geist ins Himmelreich humpeln, um vom Vater gerettet zu werden. Die Kirche hat den Auftrag, dieser Krückstock zu sein. Doch darüber hinaus soll sie den Menschen auch ein Bild vom Himmelreich sein, ein Haus voll Glorie, ein streitender Heerhaufen in der Welt auf dem Weg aus der Welt hinaus. Gebrochen wie wir Menschen sind, würden wir aber am liebsten auch diesen Krückstock selber schnitzen, den Weg selber festlegen und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ob unserer eigenen Bequemlichkeit in die Irre gehen. So ist also die streitende Kirche auch eine mit sich streitende Kirche, um die Weisungen des Heiligen Geistes in der konkreten Zeit zu erkennen. Unsere Ratio, die ja ein Geschenk Gottes ist, befähigt uns, die Wahrheit zu erkennen, wenn wir uns mühen. Um die Wahrheit zu streiten, lohnt sich allemal. Das gilt auch für die Liturgie der Kirche, denn diese ist ein Abbild der himmlischen Liturgie. Gibt sie auf das Abbild der himmlischen Liturgie zu sein, hat die Gemeinde nicht mehr Teil an der Gnade, die sie vermittelt. Da lohnt sich doch der Streit, oder? Auch wenn ich gestehen muß, daß er nicht auf Platz 1 der Prioritätenliste stehen sollte, ist dieser Streit derzeit eine drängende Zeitfrage, wenn Teilhabe an der himmlischen Liturgie allzu sehr einer bürgerlichen Versammlung mit Imbiß weicht.

Wie ist denn dieser Gott nun, der uns Rettung verheißen hat? Die Antwort gibt die Schrift (die Bibel) und die Lehrtradition (die ganze!!!) der Kirche, doch immer gilt, die Unähnlichkeit unserer Aussagen über Gott ist immer größer als die Ähnlichkeit.

Nec taliter, nec aliter, sed totaliter aliter

 

Dem Bloggerkollegen thysus wünsche ich viel Gnade bei seiner Suche und viel göttliches Licht auf seine Fragen.

Beitrag erschien auch auf: katholon.de 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: MicroHirn

Die Guten ins 'Töpfchen', die Schlechten ins 'Kröpfchen', wobei die Mengenverhältnisse auch schon von vornherein feststehen.
Nur wenige......
Sieht so ein Sieg aus? Menschen scheitern an und in einer völlig unbedeutenden Lebensspanne, die sie noch nicht einmal selber gewollt haben, angesichts einer Ewigkeit die nicht überblickbar erscheint? Die Definition der Liebe Gottes scheint mir in jedem Fall menschengemacht.

Gravatar: FDominicus

"Er liebt so rigoros, daß er seinen Sohn in die Welt gesandt hat, um uns durch das Kreuz zu erlösen. "

Ach ja diese rigorose Liebe war so groß, daß er im Prinzip alle Menschen ertränken wollte.
Diese Liebe war so groß, daß die Gegner nicht nur geschlagen sondern vernichtet worden. Gott immer gleich von Ewigkeit zu Ewigkeit?

Ziemlich eifersüchtig scheint dieser liebende Gott auch zu sein:
"Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir"

Ja, bei so viel Liebe kann einem schon schwindelig werden.

Gravatar: Rainer Puzicha

Lieber Martin Möller,
die Bibel ist Gottes Wort, ob nun von Luther oder vielen anderen Übersetzern ( Elberfelder ,
Schlachter, Genfer usw. ) übersetzt , ist dabei zweitranig. Wichtig aber ist, dass seit den Übersetzungen jeder der lesen kann, die herrliche Botschaft des Evangeliums für sich persönlich in Anspruch nehmen kann. Wer dem Herrn Jesus glaubt und Ihn Herrn seines Lebens sein lässt, der hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht Gottes.
Die Bibel hat keinen Schaden angerichtet, sondern Millionen Menschen dass Heil gebracht.
Schaden haben Menschen anderen Menschen zugefügt, besonders aber die katholische Kirche, über Jahrhunderte bis auf den heutigen Tag, ist sie am Blut vieler Jünger Jesu schuldig geworden .

Gravatar: Martin Möller

Luthers Lehre ist häretisch und völlig antibiblisch. Nicht umsonst machte er sich die nicht unbeträchtliche Arbeit, für sich und seine Anhang eine eigene Bibel zu schreiben, pardo, zu "übersetzen". Selbst das Kapital von Karl MArx hat nicht so extremen Schaden angerichtet wie diese angebliche "Bibel". Für Deutschalnd war es fast das Todesurteil, diese Schrift empfangen und angenommen zu haben.

Gravatar: Thomas Rießler

Zumindest hat Luther ernsthaft mit seiner Sündhaftigkeit gerungen und daher durch persönliche Erfahrungen Gewissheit darüber erlangt, wie hoffnungslos tief er in seine Sündhaftigkeit verstrickt ist. Vor diesem Hintergrund der persönlichen Unzulänglichkeit wäre es ihm sicherlich nicht in den Sinn gekommen, sich selbst eine größere Liebesfähigkeit als Gott anzumaßen. So etwas ist ganz einfach blasphemisch, Katholik. Darüber braucht man nicht weiter nachzudenken.

Gravatar: Ulrich Dittmann

... es ist zweifellos wunderbar, wenn man glauben und auf ein besseres(!) Leben nach dem Tode hoffen(!) k ann.
Das macht das manchmal "schwierige" Erdenleben gewißlich erträglicher, für die Glaubenen und Hoffenden.
Doch "Hoffen und Glauben", sind eben nur "Hoffen und Glauben" und nicht Wissen. Das ist der ewige , grauselige Knackpunkt, den die Nichtwissenden eben nicht negieren können...

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