Vier kleine Klicks. Recherchieranleitung für welt.de

Es ist ziemlich einfach geworden, sich ein Bild zu machen. Ein Bild über den Stellenwert einer Meldung, die sich auf eine „Studie“ beruft, zum Beispiel. Dauert genau vier Klicks.

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Der Fall: öffentlich-rechtliche Sender, aber auch private Medien wie welt.de meldeten am 25.3., eine “neue Studie” sage einen Spritpreis von „bald über zwei Euro“ voraus. Tendenz der Veröffentlichung: Alarm, Alarm, die fossilen Rohstoffe sind bald aufgebraucht! Wie ja vom Club of Rome bereits in grauer Vorzeit für das Jahr 2000 voraus gesagt. Schiefergas, neue Ölfelder, neue Energiegewinnungsmethoden jenseits von Wind und Sonne? Alles Quatsch, laut Studie.

Der aufgeweckte Leser riecht den Braten und googelt einfach mal die Urheberin der Studie, die „Energy Watch Group” (Klick eins). Zwei weitere Klicks braucht er, um auf deren Website die Information abzurufen, die EWG sei „auf Initiative des deutschen Parlamentariers Hans-Josef Fell“ gegründet worden. Noch mal auf Google, und – schwupps – hat er den Herrn Fell am Haken: es handelt sich – small wonder – um den „energiepolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen“. Auf dessen Startseite prangt erwartungsgemäß die Losung: „100% erneuerbare Energie“ (dass darunter der Claim „auf alle Felle“ steht, bestätigt nebenbei noch den Verdacht, das Grüne oft etwas dämlich sind).

Vier Klicks und es ist klar, was das für „Experten“ sind, die da über kommende Energiepreise orakeln. Welt.de dagegen - eyes wide shut – beschreibt sie in aller Einfalt wie folgt: „Die Expertengruppe ist ein internationales Netzwerk von Wissenschaftlern und Parlamentariern.“ In Wahrheit handelt es sich um eine Lobby des öko-industriellen Komplexes, deren Ausführungen ungefähr so relevant sind wie die Einlassungen der amerikanischen Waffenindustrie über den Segen von Sturmgewehren für Privathaushalte. Dies nicht zu erwähnen, entspringt entweder völliger Unprofessionalität oder dem regelrechten Vorsatz, die Leser zu manipulieren.

Keine Redaktion, die den Begriff „Qualitätsjournalismus“ jemals für sich beansprucht hat, dürfte sich einen solchen Klops leisten. Derjenige, der solch eine Meldung verantwortet, müsste unverzüglich eine Riesenwatsche dafür kriegen. Man kann vom öffentlichen-rechtlichen Rundfunk und speziell von der „Frankfurter Rundschau“, welche die eigentliche Quelle des Desinformationsstücks darstellt, selbstredend nicht erwarten, dass sie der Studie den Stecker ziehen, indem sie Ross und Reiter nennen. Diese Meinungsträger sind ja ziemlich beste Kumpel der Wind- und Solarbranche. Aber von einem Medium wie welt.de darf man wohl erwarten, dass es tendenziöse Nachrichten nicht dumpf nachplappert, sondern ein Minimum an Recherche investiert.

Vier Klicks genügen. Jeder Klippschüler kann das lernen. Sogar Journalisten.

www.welt.de/wirtschaft/energie/article114745497/Studie-sieht-Spritpreis-bald-ueber-zwei-Euro.html

Beitrag erschien zuerst auf Achgut.com

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Klaus Kolbe

@ Pessimist, 03.04.2013 10:50

An Ihrer Antwort kann man unschwer ersehen, daß Sie wohl aus tiefsten Pessimisten-Träumen gerissen wurden. Mein Rat zur Linderung: Legen Sie sich ruhig wieder nieder, und – vor allen Dingen – träumen Sie weiter.
Manchmal hilft das ja.

Gravatar: Pessimist

@ Klaus Kolbe

Aus dem Schmöker "Das Guttenberg-Dossier" können Sie ruhig weiter Ihre Weisheiten saugen – dies sei Ihnen gerne freigestellt!

Mir genügen persönliche Kontakte mit tangierten Personen, um aus besseren Quellen vermittelt zu bekommen "wer die Politik des Hauses Springer festlegt". Jene Personen brauche auch keine Nachhilfe in Sachen "wie macht man eine Recherche im Internet".

Übrigens so einen treu-deutsch-naiven Kommentar wie den Ihrigen habe ich selten gelesen!

Gravatar: Pessimist

@ Klaus Kolbe
Dazu brauche ich jenes Buch nicht. Aus diesem haben Sie und ähnliche Typen Ihre Weisheiten zu saugen.
Alle wesentlichen Infos kann man auch direkt von den tangierten Personen erhalten, z. B. aus der Ministerialbehörde.

Gravatar: Klaus Kolbe

@ Pessimist, 28.03.2013 13:59

Wovon träumt der Pessimist eigentlich nachts? sieht man sich, ob solcher äußerungen, daß „die ehemalige FDJ-Führerin [gemeint ist wohl Bundeskanzlerin Merkel] die Politik des Hauses Springer bestimmt“ und (als Steigerung dessen) daß „diese auch noch [vom Hause Springer] befolgt wird“, genötigt zu fragen. Naiver geht’s wohl kaum mehr.
Ich möchte hier nur ein Stichwort geben: Atlantikbrücke!
Wie diese „funktioniert“, was deren Zweck ist, kann man sehr ausführlich in dem Buch „Das Guttenberg-Dossier“ von Friederike Beck nachlesen.

Gravatar: Pessimist

Lieber Herr Röhl,

sicher können oder könnten Journalisten dies - auch Journalisten im Hause Springer. Ich gehe einmal davon aus, dass dies auch einige gemacht haben.
Jedoch, wir dürfen nicht vergessen: Axel Springer hat die Politik und die Marschrichtuing seines Hauses immer selbst vorgegeben.
heute wird die Politik des Hauses Springer beim Kaffeeklatsch zwischen "F." und "A." durch die ehemalige FDJ-Führerin bestimmt, vorgegeben und auch befolgt.

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