Verschwörungstheorien, die Wahrheit und Ockhams Rasiermesser

Verschwörungstheorien feiern nach ein paar Jahren Ruhe ein geradezu rauschendes Comeback. Die Wahrheit bringen sie aber nicht ans Licht.

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Wussten Sie, dass die Anschläge in Paris gar nicht passiert sind? Und wenn sie doch passiert sind, dass es dann nicht der IS, auch sonst keine islamistische Organisation, sondern der CIA, jedenfalls die USA, gesteuert aber natürlich durch Israel oder – flüsternd – die Juden, waren? Keine Sorge, ich bin nicht übergeschnappt, ich gebe nur Berichte wieder, die eine französische Journalistin aus der Islam-Szene mitgebracht hat. Unter diesen Menschen – im Prinzip durchaus friedliebend – gilt es teilweise als ausgemacht, dass die Anschläge nur dazu dienen sollen, den Ruf des Islam in der Welt zu schädigen. Denn – so die einfache Logik – Mord ist unislamisch, also kann es kein Moslem gewesen sein!

Man könnte drüber lachen, wenn es nicht so traurig und die möglichen Konsequenzen – die weitere Radikalisierung von Islamisten – nicht so dramatisch wären. Und es kann einem auch das Lachen im Halse stecken bleiben, wenn man sieht, wie es auch in Deutschland ansonsten ganz intelligente Menschen gibt, die ähnlichen Verschwörungstheorien aufsitzen. Der Abschuss des Fluges MH17 über der Ukraine? Gesteuert durch den CIA. Irgendwie hängt das auch mit dem im Pazifik verschollenen Malaysia-Airlines-Flug 370 zusammen; wie genau, weiß natürlich keiner (manche behaupten, in der Maschine über der Ukraine seien die Leichen des im Pazifik verschollenen Flugzeugs gewesen). Dass Papst Johannes Paul I. durch finstere Gestalten im Vatikan umgebracht wurde ist eh ausgemachte Sache – dass aber Johannes Paul II. durch den CIA eingesetzt wurde, um den Ostblock zu destabilisieren? Naja, wäre dann wenigstens erfolgreich gewesen.

Und natürlich nicht zu vergessen, die „Mutter aller Verschwörungstheorien“ – 9/11. Die WTC-Gebäude – gesprengt! Ein Flugzeug auf’s Pentagon – war eigentlich eine Bombe! Drahtzieher im Hintergrund – Wählen Sie aus zwischen George Bush, den Rothshilds, diversen Logen oder dem Weltjudentum. Dass die Ereignisse zu den besten rekonstruierten der Geschichte gehören und wohl jede anderweitige Theorie inzwischen widerlegt ist? Egal – das ist nur ein Beweis, wie lückenlos die Mächte im Hintergrund handeln.

Dabei kann man solchen Theorien durchaus etwas Positives abgewinnen: Sie lehren uns, genau hin zu sehen. Dass Saddam Hussein keine Massenvernichtungswaffen besaß – ist mittlerweile bewiesen und wird auch von der US-Regierung nicht mehr anders behauptet (nebenbei: Wer ein New-Yorker Gebäude sprengt soll nicht in der Lage sein, ein paar schmutzige Bomben als „Beweis“ in irgendeiner Hütte im Irak zu deponieren? Die „Intelligence“ beim CIA scheint sehr ungleich verteilt zu sein!), die Lüge ist aufgeflogen. Es wäre schade gewesen, das als Verschwörungstheorie abzutun. Und Misstrauen gegen die Mächtigen dieser Welt scheint immer wieder angebracht. Ihnen einfach zu glauben – von „Die Renten sind sicher“ über „Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort“ bis „Wir schaffen das!“ sollte sich für einen aufgeklären Bürger vor allem dann verbieten, wenn er sich als Demokrat versteht.

Was aber bei Verschwörungstheorien passiert ist etwas ganz anderes als gesundes Misstrauen: Es geht um die Bestätigung eines eigenen Verdachts gegen die Regierung oder Institutionen oder auch bestimmte Bevölkerungsgruppen. Und man muss zugeben: Nährboden ist da die einseitige und bisweilen hart an der Lüge vorbeischrammende Berichterstattung in den Medien und Kommentierungen durch die Politik. Mit ein paar handfesten und nachprüfbaren Zahlen könnte man die Frage, welche Migranten über welche Wege aus welchen Gründen nach Deutschland kommen, einfach beantworten. Dass das offenbar oder angeblich nicht geht, dass man derzeit davon ausgeht, dass sich 300.000 unregistrierte Flüchtlinge in Deutschland aufhalten, ohne dass man wüsste, wo sie sind oder was sie planen, lässt leicht den Schluss zu, dass es mit der Qualifikation derjenigen, die das zu verantworten haben, nicht so weit her sein kann. Oder … genau: Das ist Absicht!

Greift der Gedanke erst mal Raum, dass es sich um eine geplante „Flutung“ Westeuropas mit Migranten und Islamisten handeln könnte, macht sich der geneigte Verschwörungstheoretiker auf die Suche nach den wahrhaft Verantwortlichen. „Follow the money“ heißt es dann nicht selten, und natürlich gibt es Menschen, Gruppen oder Staaten, die von derartigen Entwicklungen profitieren. Darauf hin engt man die Analyse auf genau diesen Kreis ein und wird – ganz sicher – fündig bei irgendwelchen Ungereimtheiten. Irgendein Mitglied einer Loge war sicher just am Morgen des 11. September, vor den Anschlägen, aus New York abgereist und hat sich anschließend mit einem Bankier getroffen, der beste Kontakte zum Vatikan unterhält, der sich nun für die Unterbringung von Flüchtlingen in Deutschland einsetzt, mit einem Schwerpunkt angeblich verfolgter Muslime … Heraus kommen – je nach Humor – amüsante Geschichten, mehr aber auch nicht. Denn ihr Problem ist: Sie zeigen allesamt keine Beweise, maximal Indizien, davon auch nicht wenige, blenden aber Hinweise, die in eine andere Richtung deuten, aus.

Dabei ist natürlich nicht auszuschließen, dass man auch mal auf einen Funken Wahrheit trifft: Eine Verschwörungstheorie ist nicht nur einfach deshalb falsch, weil sie als solche bezeichnet wird und mehr oder weniger an den Haaren herbeigezogen daher kommt. Im Gegenteil: Je mehr nicht ganz von der Hand zu weisende Indizien als „Verschwörungstheorie“ abgetan werden, je weniger handfeste und nachprüfbare Informationen verbreitet werden, umso mehr liegt der Verdacht nahe, dass Ungereimtheiten vorliegen. Eine Verschwörungstheorie ist aber auch nicht einfach deshalb wahr, weil das so ist. Und wenn man sieht, wie viele Menschen in Deutschland aufgrund der politischen Schlagseite der Mainstreammedien plötzlich auf Russia Today und Sputnik News oder zweifelhafte Internetseiten setzen, kommen einem wirklich Zweifel, ob es denen wirklich um Erkenntnisgewinn oder die Bestätigung eigener Vorurteile geht: Merkel ruiniert Deutschland, die USA unterwerfen uns nicht erst seit ’45, der Hooten-Plan war nie abgesagt: Ressentiments, Halbwissen und – ja auch – mangelhafte Informations- und Medienpolitik begründen Verschwörungstheorien.

Mein ganz persönliches Rezept dagegen: Ockhams Rasiermesser! Dabei handelt es sich um ein heuristisches Forschungsprinzip, das Lösungen für Probleme nach folgenden beiden Maßgaben sucht:

  1. Von mehreren möglichen Erklärungen für ein und denselben Sachverhalt ist die einfachste Theorie allen anderen vorzuziehen.
  2. Eine Theorie ist einfach, wenn sie möglichst wenige Variablen und Hypothesen enthält, und wenn diese in klaren logischen Beziehungen zueinander stehen, aus denen der zu erklärende Sachverhalt logisch folgt.

An dieser Hürde scheitern so gut wie alle Verschwörungstheorien, die es in aller Regel notwendig machen, dass eine Vielzahl von Personen involviert sind, die aber dann allesamt Stillschweigen bewahren müssten. Müssen sie nicht, flüstert da einer finster, es reicht, sie mundtot zu machen! Und mit diesem Hinweis erweitert man die Theorie um eine weitere Prämisse und potenzielle Mitwisser, macht die Theorie noch unwahrscheinlicher.

Auch wenn ich den Begriff für unangemessen halte: Die Medien in Deutschland geben sich in der Mehrzahl nicht gerade Mühe, den Vorwurf der „Lügenpresse“ aus der Welt zu schaffen. Dass der Innenminister nach Fragen zu Anschlagswarnungen raunt, „ein Teil der Antwort könnte die Bevölkerung verunsichern“ zeugt entweder von unangenehmen Wahrheiten, die man glaubt, nicht aussprechen zu dürfen, oder einer schier unfassbaren medialen Ungeschicklichkeit. Das kann und muss man kritisieren und es wäre schöner, wenn es in Deutschland noch ein paar mehr investigative Journalisten gäbe, die nicht der politischen Korrektheit huldigen sondern tatsächlich die Wahrheit ans Licht bringen wollen – egal, in wessen politisches Konzept sie passen.

Aber stattdessen auf halbseidene sogenannte Nachrichtenseiten und -sender zu setzen zeugt ebenso wenig von überragender Medienkompetenz wie der Glaube an das, was der Onkel von der Tagesschau sagt. Der Wahrheit kommt man damit jedenfalls nicht wirklich näher. Dafür ist es notwendig, möglichst viele Informationen zu sammeln, und sich selbst ein Bild zu machen – mit gesundem Menschenverstand und Ockhams Rasiermesser in der Tasche!

Beitrag zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Else

Finde diesen Beitrag sehr unverständlich. Wahrscheinlich bräuchte ich mehr Köpfchen um zu verstehen, was hier gemeint ist.
Ist der Verfasser nun den Verschwörungstheorien zugeneigt oder abgeneigt.
Ich jedenfalls informiere mich über/bei ganz verschiedenen Medien und glaube der offiziellen Presse grundsätzlich kaum noch was- zu oft wurde da gelogen und wir werden für dumm verkauft.

Gravatar: Josef Weidmann

Auch ich halte mich als Physiker an Ockham's Rasiermesser. Denn in der Naturwissenschaft gilt ebenfalls: je mehr Variablen nötig sind für eine Theorie, desto unwahrscheinlicher, bzw. beliebiger wird sie, weil sie dann auf alles passt und nichts mehr erklären kann.
Allerdings bei Anwendung von Ockham's Rasiermesser auf den 11. September komme ich zu dem Schluss, dass mindestens der sprengungsähnliche Einsturz von WTC-Gebäude 7, das nicht von einem Flugzeug getroffen wurde, mit der offiziellen Theorie nicht zusammenpasst. Auch das vollständige Fehlen von Flugzeugtrümmern am Pentagon ist nicht zufriedenstellend geklärt worden. Wenn aber die offizielle Theorie in wichtigen Punkten nicht stimmen KANN, führt der Rückgriff auf das Rasiermesser zwingend zu einer anderen Erklärung, also einer "Verschwörungstheorie".

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