Verlobung: Warum es keine Express-Ehe gibt

In den meisten Gemeinden gibt es heute so etwas wie eine Ehevorbereitung. Doch mitunter beschränkt sie sich auf die Liturgieabstimmung und Liedauswahl. Meine Frau und ich hatten das Glück, an einen Priester zu geraten, der uns neben der Ehevorbereitung auch auf unserem Glaubensweg begleitet hat.

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“Verlobung? Brauch ich nicht!” So werden wohl die meisten reagieren, wenn sie den Vorschlag hören, der Hochzeit noch eine Zeit der Verlobung vorangehen zu lassen. Es ist ja auch nicht so, als ob es nicht bei den meisten Beziehungen eine umfangreiche Zeit des Zusammenlebens gäbe, bevor man sich zum großen Schritt des Ja-Worts entscheidet. Und so mancher begreift diesen Zustand der “wilden Ehe” wohl auch als Verlobungszeit, als Testzeit, ob man denn zueinander passt. Ich kann das auch deswegen so schreiben, weil meine Frau und ich, lange vor unserem erneuten Glaubensweg, jahrelang unverheiratet zusammen gelebt haben.

Aber bereitet einen so etwas auf eine Ehe vor, oder ist es doch eher die Bequemlichkeit und der romantische Wunsch möglichst viel Zeit miteinander zu verbringen, die zu diesen Konstellationen führen? Der Papst jedenfalls hat in seiner gestrigen Katechese, wiederum in der Reihe der Familienthemen, die Verlobung erläutert. Allein, dass er der Verlobung eine separate Betrachtung einräumt, verdeutlicht, für wie wichtig er diese Zeit vor der Ehe hält. In seinen eigenen Worten (Zitate hier wie im folgenden aus einer Eigenübersetzung von Zenit):

Gerade die Freiheit der Bindung erfordert eine bewusste Harmonie der Entscheidung; nicht allein ein auf Anziehung, dem Gefühl, einem Moment, einer kurzen Zeit beruhendes Einvernehmen. Sie erfordert einen Weg.

Diesen Unterschied, nicht einfach wie in einer Ehe zusammen zu leben, sondern eine Ehe vorzubereiten und zu prüfen, sehen viele nicht – ich selbst habe ihn jedenfalls zu der Zeit nicht gesehen. Damit geht einher, dass es sich bei der Verlobungszeit um eine Phase handelt, die man als aktive Vorbereitung auf die Ehe sehen sollte, nicht einfach als eine Zeitdauer an deren Ende man sich zur Ehe entscheidet (odere eben nicht):

Die Verlobung ist anders ausgedrückt jene Zeit, in der zwei Menschen dazu berufen sind, eine besondere Arbeit an der Liebe zu vollbringen; eine teilhabende und geteilte Liebe, die in die Tiefe geht. Nach und nach lernt man einander kennen, d.h., der Mann „lernt“ über die Frau, indem er von dieser Frau lernt: seiner Verlobten; und die Frau „lernt“ über den Mann, indem sie von diesem Mann lernt: ihrem Verlobten. Lasst uns die Bedeutung dieses Lernens nicht unterbewerten: Es ist ein schöner Einsatz, den die Liebe selbst erfordert; er ist mehr als unbefangenes Glücklichsein, ein Gefühl der Verzauberung. […]

Es gibt keine Express-Ehe: Man muss an der Liebe arbeiten, einen Weg gehen. Das Bündnis der Liebe zwischen Mann und Frau ist zu erlernen und zu verfeinern. Ich erlaube mir, von einem handwerklich geschaffenen Bündnis zu sprechen. Aus zwei Leben wird eines.

Die Verlobungszeit sollte also geprägt sein von einem aktiven Lernen. Einfach zu sagen “wir lieben uns” oder gar “wir sind verliebt” ist nicht ausreichend. Die Liebe, recht verstanden, geht darüber hinaus und verlangt, wie der Papst sagt, “Einsatz”.

Dieses Bewusstsein ist auch deshalb wichtig, um sich nicht über den Charakter der folgenden Ehe zu täuschen, in der der Himmel eben icht immer voller Geigen hängt. Gerade in den schwierigen Situationen erweist sich erst die richtige Liebe, und da ist es gut, wenn man den Partner auch in diesen Situationen kennt, bereits kennengelernt hat.

Wer alles und sofort verlangt, gibt dann bei der ersten Schwierigkeit (oder der ersten Gelegenheit) alles auf. Es gibt keine Hoffnung für das Vertrauen und die Treue der Hingabe seiner selbst, wenn die Gewohnheit vorherrscht, die Liebe wie eine Art „Nahrungsergänzungsmittel“ für das psychische und physische Wohlbefinden zu konsumieren. Das ist keine Liebe! Die Verlobung erhellt den Willen, etwas gemeinsam zu hüten, das nie ge- oder verkauft, verraten oder verlassen werden darf, wie verlockend das Angebot auch sein mag.

Der Papst vergleicht Ehe und Verlobung anhand verschiedener Beispiele mit der Beziehung Gottes zu den Menschen und zur Kirche. Die verwendeten Bilder sind wunderschön, und ich kann sie nur zur Lektüre empfehlen. Eingehen möchte ich aber auf einen Aspekt, der mir selbst sehr am Herzen liegt, dem von Ehevorbereitungskursen. In den meisten Gemeinden gibt es heute so etwas wie eine Ehevorbereitung, die aber – gelinde gesagt – unterschiedliche Qualitäten aufweisen. Meine Frau und ich hatten das Glück, an einen Priester zu geraten, der uns gleichzeitig auf unserem Glaubensweg begleitet hat. Da fielen also allgemeine Katechese und Ehevorbereitung irgendwie zusammen. Aus Berichten anderer Paare weiß ich aber auch, dass sich die Ehevorbereitung mitunter auf die Liturgieabstimmung und Liedauswahl beschränkt – eigentlich keine Ehe- sondern eine Hochzeitsvorbereitung.

Und so, wie der Papst die Ehevorbereitung beschreibt, wird sie wohl in den wenigsten Fällen laufen, in denen lediglich versucht wird, heiratswilligen Paaren nicht allzu viele Steine in den Weg zu legen, eine Aufklärung über die Ehe und den Glauben aber kaum stattfindet:

Zwar verbringen viele Paare vielleicht auch viel intime Zeit miteinander, manchmal leben sie zusammen, kennen sich jedoch nicht wirklich. Es klingt seltsam, doch die Erfahrung zeigt, dass es sich so verhält. Daher muss die Verlobung als Zeit des gegenseitigen Kennenlernens und der gemeinsamen Teilhabe an einem Plan neu bewertet werden. Der Weg der Ehevorbereitung ist aus dieser Perspektive zu gestalten und soll auch auf das einfache aber intensive Zeugnis christlicher Eheleute zurückgreifen. Auch hier soll der Schwerpunkt auf dem Wesentlichen liegen: die gemeinsam bewusst neu zu entdeckende Bibel, das Gebet, das in seiner liturgischen Dimension, aber auch als „Hausgebet“ in der Familie zu leben ist, die Sakramente, das sakramentale Leben, die Beichte, in der der Herr kommt und in den Verlobten Wohnung bezieht und diese auf die wahrhafte gegenseitige Annahme „mit der Gnade Christi“ vorbereitet; sowie die Brüderlichkeit gegenüber den Armen, Bedürftigen, die uns zur Schlichtheit und zum Teilen anhalten. Wenn beide Verlobten sich darum bemühen, so werden sie wachsen. Dies wiederum führt zur Vorbereitung einer schönen und anderen, d.h. nicht weltlichen sondern christlichen Hochzeitsfeier!

Der Papst sagt in seiner Katechese nichts über die Dauer der Verlobungszeit, aber es geht wohl auch nicht so sehr um eine zeitliche “Verprobung”, ob eine Ehe “funktioniert” sondern um das Erarbeiten einer Beziehung, die eine Ehe werden kann. So kann eine lange Ehevorbereitung trotzdem eine “Express-Ehe” sein und eine kurze Verlobungszeit ausreichend für das Paar. Das alles klingt nicht besonders romantisch, aber vielleicht ist es auch notwendig, das Verständnis von Liebe und Romantik einem Realitätscheck zu unterziehen, der in der Ehe sowieso auf einen lauert. Bleibt die Liebe romantisch, umso besser, man soll aber nicht meinen, sie bliebe es von alleine so – die Liebe, ich habe das schon verschiedentlich geschrieben, ist nicht so sehr ein Gefühl als eine Entscheidung. Und diese Entscheidung treffe ich jeden Tag neu: Ich entscheide mich jeden Tag, meine Frau zu lieben!

Wer aber partout noch ein bisschen Romantik braucht, für den hat der Papst auch  noch die Worte Gottes parat, die er zu seinem “verlobten” Volk im Alten Bund gesprochen hat:

Denken wir an diese Worte Gottes, als er sein Volk als „Verlobten“ und „Verlobte“ bezeichnete: „Ich traue dich mir an auf ewig; ich traue dich mir an um den Brautpreis von Gerechtigkeit und Recht, von Liebe und Erbarmen. Ich traue dich mir an um den Brautpreis meiner Treue: Dann wirst du den Herrn erkennen“ (Hos 2,21-22). Jedes verlobte Paar möge an diese Worte denken und zueinander sagen: „Ich traue mich dir an“. Wartet auf diesen Augenblick; dieser Augenblick ist ein Weg, auf dem man langsam vorankommt, aber ein Weg des Heranreifens. Die Etappen dieser Strecke dürfen nicht ausgelassen werden. Das Heranreifen vollzieht sich Schritt für Schritt.

“Das Heranreifen vollzieht sich Schritt für Schritt” – diese Worte haben in mir zweierlei ausgelöst: Erstens ein Gefühl des Verlustes, mangels damaliger Glaubenstiefe diese Phase der Verlobung und der Ehevorbereitung nicht in der Form durchlaufen zu haben, wie der Papst es beschrieben hat. Aber zweitens auch ein Gefühl der Freude, weil dieses Heranreifen nie endet und man es auch in einer bereits geschlossenen Ehe nachholen kann. Dazu möchte ich auch alle einladen, die das erste Gefühl mit mir teilen oder die aus anderen Gründen keine adäquate Verlobungszeit hatten: Erarbeiten wir uns einfach “on the job” die Ehe, bereiten wir uns mit Gott auf die noch anstehenden Herausforderungen vor. Gott begleitet uns, schenkt uns die Gnaden des Ehesakraments – ich bin sicher er wird uns nicht daran scheitern lassen, dass wir die Verlobung nicht vor der Ehe geschafft haben.

Zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Joachim Datko

Nur nicht katholisch trauen lassen!
Es lassen sich nur noch ungefähr 1/4 der standesamtlich getrauten Paare zusätzlich kirchlich trauen.
Insbesondere die r.-k. Trauungen gehen stark zurück.
2013 ## 43.728 Trauungen
2012 ## 47.161

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