Verbrämter Eigennutz

In Zettels Raum bringt es Techniknörgler auf den Punkt: Die Debatte um die Abschaffung der Flatrate bei der Telekom wird nicht ehrlich geführt, denn hier werden aus privaten Interessen gesellschaftliche Anliegen konstruiert.

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In Zettels Raum bringt es Techniknörgler auf den Punkt: Die Debatte um die Abschaffung der Flatrate bei der Telekom wird nicht ehrlich geführt, denn hier werden aus privaten Interessen gesellschaftliche Anliegen konstruiert. Der persönliche Unmut mit der Marktentwicklung im Bereich der Netzwerkdienstleistungen wird zu einer Frage der Netzneutralität hochstilisiert und damit auf die politische Ebene gehoben. Doch damit ist der Staat eindeutig überfordert, zuungunsten individueller und unternehmerischer Freiheit.

Wie in Zettels Raum ausführlich dargestellt, hat die Entscheidung der Telekom, zukünftig auf Flatrates zugunsten volumenbegrenzter Geschwindigkeitstarife zu verzichten, nichts mit der Frage der Netzneutralität zu tun. Aber auch die Entscheidung die eigenen Datendienste VoIP und IPTV diesen zukünftigen Einschränkungen nicht zu unterziehen sind kein Thema für die Politik. Hier bündelt der Anbieter schlichtweg nur zwei unterschiedliche Dienstleistungen (Datendienste und Internetanschluss) miteinander, ob diese über die selben technischen Einrichtungen vertrieben werden ist dabei ökonomisch irrelevant. Schließlich hindert die Telekom mit dieser Entscheidung niemanden bei der Konkurrenz ebenfalls eine Trennung von Datendiensten und Grundversorgung mit Internetanschluss vorzunehmen. Diese Diskriminierung verschiedener Datenströme stellt zwar eine prinzipiell Verletzung der Netzneutralität dar, also einer inhaltsneutralen Datenübertragung, macht das Unterfangen jedoch keineswegs zum Marktversagen, hält man sich an dessen klassische Definition. Hier wird Marktversagen als ein Abweichen des Marktpreises in der Realität von einem theoretischen Gleichgewichtspreis definiert, bei dem das Angebot gleich der Nachfrage ist und der Preis der Güter alle gesellschaftlich relevanten Kosten deckt. Marktversagen kann durch fehlende Eigentumsrechte an Produktionsfaktoren (externe Effekte) und durch das Trittbrettfahren bei Gütern entstehen, bei deren Bereitstellung das Auschlussprinzip nicht anwendbar ist (öffentliche Güter). Manchmal wird auch eine asymmetrische Verteilung von marktrelevanten Informationen und das Vorhandensein von Marktmacht als Marktversagen bezeichnet, obgleich die Einbeziehung in das Marktversagenskonzept hier sehr umstritten ist, zumal Marktanpassung hier i.d.R. sehr rasch erfolgt sowie Preisdifferenzierungsstrategien  und potentielle Konkurrenz ein Großteil der Folgen reduziert.

Die viel beklagte Verletzung der Netzneutralität verbindet nichts mit diesem Marktversagenskonzept, weder ergeben sich hier Abweichungen der privaten Kosten der Produktion von Netzdienstleistung für Anbieter und Nachfrager, die von unbeteiligten Dritten zu tragen sind, noch bedeutet eine unterschiedliche Behandlung gleicher Daten eine nicht zu überwindende Markteintrittsbarriere für die Konkurrenz. Denn die Bevorzugung der eigenen Datendienste gegenüber ähnlicher Dienste der Konkurrenz bedeutet gleichzeitig, dass sich der Nutzwert des Internetzugangs für den Kunden und damit deren Zahlungsbereitschaft dafür reduziert, da hier die möglicherweise preiswerteren Konkurrenzangebote weniger flexible genutzt werden können. Die Telekom kannibalisiert also mit der Privilegisierung ihrer Datendienste ihr eigenes Internetangebot, trägt also die Kostenverantwortung für ihr neues Geschäftsmodell selbst. Darüber hinaus ist sie nicht in der Lage die Netzdienstleistungen der Wettbewerber zu beeinflussen, beispielsweise auch nicht, vertragliche Vereinbarungen konkurrierender Datendienstleister mit den Bereitstellern der Internetanschlüsse ebenfalls privilegierte Verbindungen zu den Kunden zu verhindern.

Netzneutralität in diesem Sinne hat als Konzept nichts mit Marktversagen zu tun, weshalb ihre Gewährleistung auch keine Aufgabe für den Staat ist. Staatliche Regulierung zur Aufrechterhaltung vermeintlicher Neutralität des Datentransport behindert vielmehr die Suche nach neuen Marktlösungen und damit den Wettbewerb. Der Vorstoß der Telekom dient nichts anderem als einer knappheitsgerechten Bepreisung der notwendigen Infrastruktur, die nur so effizient genutzt und wirtschaftlich refinanziert werden kann. Dass dabei durch ein differenziertes Tarifmodell die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten so weit wie möglich abgeschöpft werden soll, widerspricht nicht den Vorstellungen von Wettbewerb und ist auch keine Besonderheit auf dem Telekommunikationsmarkt. Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ein Unternehmen versucht den Wettbewerb abzuschüttelt oder ob es ihm tatsächlich gelingt unüberwindbare Marktbarrieren zu errichten. Die neuen Tarife der Telekom sind dazu nicht geeignet, weshalb die Aufregung in der Öffentlichkeit auch nicht zu einer Staatsangelegenheit werden sollte.

 

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