Verantwortung und Hobby – Der Zusammenhang von Merkels Handy und Mülltrennung

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Wenn man mal ganz in Ruhe darüber nachdenkt, was mögen dann wohl die wesentlichen Aufgaben eines Staates sein – ich meine jetzt mal nicht als Anarcho-Libertärer, sondern als ganz normaler Bürger? Zu diesen Aufgaben dürften doch dann in erster Linie mal die gehören, die der einzelne Bürger nicht erfüllen kann. Man kann sich dann noch darüber streiten, welche Aufgaben dann auf welchen Ebenen zu erfüllen sind, aber definieren wir „Staat“ dann einfach mal so, dass er auch durch Kommunen, Länder, die Bundesregierung und jeweils deren Institutionen vertreten werden. Einschränken möchte ich dann noch, so liberal sollte es schon sein, dass der Staat (nach eben erläutertem Verständnis) auch nur die Aufgaben erfüllen sollte, die nicht auch von privaten Organisationen, also Vereinen, Bürgerinitiativen oder privaten Unternehmen erfüllt werden können, zumindest insoweit, wie diese die Interessen der Bürger effizient erfüllen können.

Mit dieser Einschränkung fällt jetzt schon mal eine Menge an staatlichen Aufgaben weg, die heute staatlicherseits erfüllt oder zumindest kontrolliert werden. Wieso beispielsweise eine Kommune ein Recht auf die Mitsprache der Gestaltung meiner privaten Häuserfront oder die Form des Daches haben sollte, erschließt sich heute wohl niemandem mehr. Was es den Staat angeht, wie viele Mülltonnen ich vor der Tür stehen habe? Keine Ahnung! Warum ich in meiner Lieblingslounge, die von einem Zigarrenraucher betrieben wird, in dem Zigarrenraucher arbeiten und Zigarrenraucher Zigarren einkaufen und rauchen wollen, keine alkoholischen Getränke mehr angeboten werden dürfen (weil sie sonst als Gaststätte gelten würde, in der nicht geraucht werden darf)? Verstehen nur grünlinke Gutmenschen, die meinen, mich vor mir selber schützen zu müssen!

Nun haben Organisationen, staatliche sowieso, eine Tendenz zur Selbsterhaltung und Ausweitung ihrer Kompetenzen. Eine Behörde, deren Zweck sich erledigt hat, wird also nicht abgeschafft, sondern höchstens entweder ihr Aufgabenfeld erweitert oder die Notwendigkeit per Gesetz festgelegt. Die armen Mitarbeiter und Beamten können am wenigsten dafür, aber schränkte man die Aufgaben des Staates auf das Notwendigste ein, müssten sich wohl bestimmt 90 % von ihnen einen neuen Job suchen. Da die Entscheidung darüber aber nicht bei deren Dienstleistungskunden, also uns Bürgern, sondern wiederum beim Staat liegt, dürften wir auf so eine Entwicklung wohl noch bis zur nächsten Revolution warten müssen.

Nachdem ich aber von 90 % gesprochen habe, ist die Frage, was ich denn für Aufgaben für die restlichen 10 % (eher weniger, es geht mir zugegeben nur um die plakative Darstellung) vorsehen würde. Und was mir dabei immer als erstes einfällt ist: Innere und äußere Sicherheit! Die vornehmste Aufgabe des Staates besteht doch – darin sind sich hoffentlich alle einig – darin, die Freiheit und Unversehrtheit ihrer Bürger zu schützen. Also Abwehr von äußeren Feinden durch eine Armee und Geheimdienste, und Sicherung der Freiheit gegen innere Feinde dieser Freiheit (und nicht innere Feinde der Regierung, das ist ein Unterschied, der gerne übersehen wird). Dazu gehört die einfache Verbrechensbekämpfung (gegen die Feinde des Eigentums und der Unversehrtheit der Freiheitsrechte jedes Menschen, im Volksmund Diebe und Verbrecher genannt) genau so wie ein Schutz der Verfassung, bspw. gegen terroristische Aktivitäten, diese wiederum von außen wie von innen.

Auch bei diesen Staatsaufgaben gibt es Libertäre, die meinen, Armee-, Geheimdienst-, Polizei- und Verfassungsschutzaufgaben könnten auch privatwirtschaftlich organisiert sein. Dem kann ich nur schwer folgen, wenn auch die Argumente, die dazu vorgebracht werden, durchaus plausibel erscheinen (vielleicht bin ich da doch noch zu stark einem etatistischen Denken verhaftet). Aber nehmen wir einfach mal als Kompromiss an, innere und äußere Sicherheit, wie oben beschrieben, sei Kernaufgabe des Staates, von mir aus auch noch die Unterstützung unschuldig in Not geratener Bürger durch ein weit(!)maschiges Sozialsystem. Dann würde man doch erwarten, dass ein Staat, der seine Kompetenzen über diesen Bereich hinaus ausweiten möchte, diese Kernaufgaben besonders gewissenhaft und gut erfüllen sollte. Der Mitarbeiter einer Firma qualifiziert sich ja nicht dadurch für weitere Aufgaben, indem er die bereits bestehenden schlecht macht, oder?

Der amerikanische Geheimdienst hat also Angela Merkels Mobiltelefon abgehört. Nun, der amerikanische Staat hat die gleichen vornehmen Aufgaben wie der deutsche, und wenn sich amerikanische Behören nicht so sicher sind über die Freundschaft der Deutschen zu den USA, oder sich nicht so sicher sind, ob sich die Deutschen nicht durch Feinde der USA – und sei es unbewusst – instrumentalisieren lassen, dann ist es ihre Pflicht, den Staat auch auf diese Art und Weise zu schützen. Eine solche Einstellung gegen befreundete Staaten ist nicht die feine Art, deswegen redet man auch ungern darüber, aber am Ende: Was sollten denn die USA über die Politik der Bundeskanzlerin erfahren, was sie ihnen nicht mitgeteilt hätte? Entweder sie wissen schon alles, weil die Kanzlerin mit offenen Karten spielt, oder sie erfahren Erfahrenswertes, was sie nur in ihrer Einschätzung bestätigen dürfte, dass Maßnahmen wie die Handyüberwachung eines befreundeten Staatsoberhauptes notwendig sind. Meine Sorge gilt in dieser Überlegung aber nicht so sehr den Amerikanern – sie gilt den ganz offiziell äußeren und inneren Feinden unserer Freiheit. Denn wenn der NSA die Bundeskanzlerin abhören kann, glaubt dann irgendwer, dass das ein chinesischer oder ein saudi-arabischer Geheimdienst nicht schafft? Und über die mögen auch per Mobiltelefon Informationen ausgetauscht worden sein, die ihnen gegenüber geheim gehalten werden sollten. Man muss also annehmen, dass unsere Regierung einigermaßen schutzlos solchen Schnüffelattacken ausgeliefert ist, dass die Bewahrung der inneren und äußeren Sicherheit durch Verfassungsschutz und Geheimdienst eben nicht gewährleistet ist. Und es ist ja nicht nur die Kanzlerin: es ist der Verteidigungsminister, der Innenminister, der Außen… ach ne, der nicht, der ist nicht so besonders interessant … aber ich nehme an, das Bild ist klar. Wenn ein Mobiltelefon wie das der Kanzlerin, bei dem man das Bemühen um Schutz durch den Verfassungsschutz annehmen darf, nicht von denen geschützt werden kann – wessen denn dann?

Man kann das jetzt fatalistisch akzeptieren, ist eben nichts zu machen in einer so vernetzten Welt, da bleibt nur, selbst ähnliche Mittel einzusetzen (im Facebook tauchte die humorige Frage auf, wieso der amerikanische Präsident sich eigentlich nicht über das Abhören durch deutsche Geheimdienste beschweren würde …) und andere Schutzmechanismen zu suchen. Man kann sich auch über „die Amerikaner“ echauffieren, die ihre Freunde ausschnüffeln. In aller erster Linie sollten wir uns aber fragen, wieso der deutsche Staat ganz offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Regierung geschweige denn seine Bürger zu verteidigen gegen diejenigen, die ihre berechtigen Interessen in Privatsphäre nicht respektieren? Und – jetzt komme ich zur Mülltrennung – wieso meint dieser Staat sich in Angelegenheiten wie Erziehung und Bildung, Straßenbau, Mülltrennung, Nichtraucherschutz und Geschlechtergerechtigkeit einmischen zu können, wenn es ihm nicht mal gelingt, seine ureigensten Aufgaben richtig zu erfüllen? Und wieso machen wir diesen Schmonzes eigentlich noch mit und zeigen mit dem Finger auf „die Amerikaner“, als ob die unser Problem wären?

Beitrag erschien zuerst auf: papsttreuer.bolg.de 

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