USA: Nanny-Staat im Neuschnee

Die Hilflosigkeit der Bürokratie offenbarte Positives

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In der vergangenen Woche hielten einige wenige Zentimeter Neuschnee den Süden der USA in Atem und viele Tausende von Autofahrern in ihren Fahrzeugen gefangen.

Die Fotos aus Atlanta ähnelten in erschreckender Weise den Bildern aus der US-Fernsehserie „The Walking Dead“. Tagelang ging nichts mehr auf den Straßen der Hauptstadt des US-Bundesstaates Georgia. Viele Gestrandete ließen ihre Autos auf den verstopften Freeways einfach stehen und suchten einen warmen Unterschlupf in Supermärkten, Einkaufszentren und Kirchen. Eine Frau musste gar im Auto am Freeway I-276 ein Baby zur Welt bringen, nachdem sie auf dem Weg ins Krankenhaus im Stau steckenblieb. Schüler mussten die erste Nacht in Schulgebäuden verbringen, da die Schulbusse nicht weiterkamen und verzweifelte Eltern nicht durch das Verkehrschaos zu ihren Kindern durchdringen konnten.

Viele Freeways sahen bis zum Beginn dieser Woche noch aus wie gigantische Parkplätze, flankiert von Autowracks der zahlreichen Massenkarambolagen. Laut Atlantas Stadtverwaltung ereigneten sich 760 Unfälle. Außerhalb der Stadt wurde ein Todesopfer gemeldet. US-Medien berichteten schon von „einer der blamabelsten Dramen in einer US-Großstadt seit Hurrikan Katrina 2005“. Dabei fielen diesmal nur ein paar Zentimeter Neuschnee.

Doch während die Nationalgarde verzweifelt versuchte, mittels Militär-Fahrzeugen gestrandete Bürger mit Nahrung und Getränken zu versorgen, formierten sich private Hilfsprojekte. In sozialen Netzwerken, vor allem über die Facebook-Gruppe „SnowedOutAtlanta“, vernetzten sich Notleidende und Hilfsbereite – fernab von jedweder Organisation durch Stadtverwaltung, Militär oder Nationalgarde. Während kranke und alte Menschen oder Familien mit Kleinkindern nach Hilfe fragten, boten zahlreiche Individuen Unterstützung und Unterkünfte an, lieferten Lebensmittel, Decken, Kleidung und andere Ausrüstungsgegenstände direkt an die einzelnen Fahrzeuge. Jede Form der konkreten Hilfe wurde bereit- und vor allem freiwillig angeboten. Keine Zwangsinstitution sammelte zuvor hart erarbeitetes Geld ein, um es im Anschluss wieder zu verteilen. Eine solche Zwischeninstanz war schlicht und ergreifend nicht notwendig. Die Menschen halfen sich gegenseitig. Direkt. Unmittelbar.

Etwas Neuschnee hatte also aufgezeigt, dass sich Planer und Verwalter im Notfall nicht um die Bürger kümmern können. Doch gerade dank dieser Hilflosigkeit des bürokratischen Molochs offenbarte sich Positives. Die Individuen sind fähig. Die Individuen sind fürsorglich. Zwei Erkenntnisse, die lohnen, im Bewusstsein verankert zu werden.

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