Ursula von der Leyen: Eine Verteidigung

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Es gibt Pointen, die liegen einfach zu nahe – und die, dass Ursula von der Leyen eine ihrer ersten Aufgaben als neue Verteidigungsministerin darin sieht, die „Truppe“ zum familienfreundlichsten und beliebtesten Arbeitgeber Deutschlands zu machen, ist so eine. Von 2005 bis 2009 war sie schon mal Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (oder wie ich mal gelesen habe: alles außer Männer), in ihrer nachfolgenden Rolle als Arbeits- und Sozialministerin hat sie das Thema nicht losgelassen und ihrer Nachfolgerin Kristina Schröder mehr als einmal dazwischengefunkt, und nun kümmert sich die siebenfache Mutter als „Mutter der Kompanie“ um Kitas und Teilzeit und Frauenförderung in der Truppe. Neues Umfeld – gleiches Thema!

So naheliegend wie es ist, über diese Zusammenhänge zu feixen, so nachdenklich muss es stimmen, dass von Progressiven bis Konservativen nun einhellig über sie hergefallen wird. Um nicht missverstanden zu werden: Politisch ist Frau von der Leyen ein wahrer Super-GAU, sie wird als Nachfolgerin der amtierenden Mutti der Nation gehandelt: für mich eher ein Ansporn zum Auswandern, als dass ich zuließe, meine Kinder einer Familienpolitik anzuvertrauen, die auf Bundesebene den Richtlinien einer Kanzlerin von der Leyen gehorcht.

Natürlich scheinen mir auch einige Ansätze, die heute zur Familienfreundlichkeit der Bundeswehr kolportiert werden, nicht gerade erfolgversprechend (wobei vieles davon auch nur auf Annahmen beruht, wie diese Familienfreundlichkeit in Anlehnung an „normale“ Familienpolitik aussehen könnte, ohne konkrete Pläne der Verteidigungsministerin zu kennen): Teilzeit für Soldaten, Kinderbetreuung im Einsatz, veränderter Umgang mit notwendigen Versetzungen? Alles entweder Stückwerk oder kaum ernsthaft zu realisieren – man wird die Taliban in Afghanistan nicht zu einer Waffenruhe überreden können, nur weil Unteroffizier Schulz seine Tochter aus der Kita abholen muss. Aber an diesem abstrusen Beispiel wird schon deutlich, woran es in dieser Diskussion mangelt: An Problembewusstsein und Erfindungsreichtum!

Und ein Hauptproblem der Truppe scheint mir in einem Paradigmenwechsel der vergangenen Jahre zu liegen: der faktischen Abschaffung (eigentlich Aussetzung) der Wehrpflicht. Ich habe noch „gedient“, zu meiner Zeit war der Wehrdienst nur noch zwölf Monate lang, was zur Ausbildung eigentlich schon zu wenig war. Aber wenn mich damals jemand gefragt hätte, ob ich nicht auch freiwillig zur Bundeswehr gehen würde, hätte ich ihm einen Vogel gezeigt. Vielen wird es nicht anders gegangen sein. Als „Freiwillige“ bleiben also für den Moment mal nur noch diejenigen, die eine freiwillige Bundeswehrzeit als Dienst am Land begreifen (eine Einstellung gegen die pazifistische und dem Namen nach antifaschistische Ideologien seit Jahrzehnten erfolgreich kämpfen) oder eben jene, die auf dem Arbeitsmarkt sonst keine Chance oder in der Bundeswehr einen vermeintlich sicheren Arbeitsplatz sehen.

Natürlich wäre es schön, wenn man eine Armee mit Vertretern der ersten Gruppe besetzen könnte: Überzeugte Patrioten, die die Landesverteidigung als sinnvoll und notwendig erachten, die ihren Dienst nicht als Söldner sondern im Dienst am Vaterland (auch so ein politisch unkorrekter Begriff) und dem Volk (dito) verrichten, denen auch bewusst ist, dass der Soldatenberuf keiner wie jeder andere ist sondern im Ernstfall das Leben kosten kann. Aber auch diese Klientel kann man „sauer fahren“, wenn die Rahmenbedingungen so schlecht sind, dass die Motivation zum Soldatenberuf immer weiter abnimmt. Und Familienfreundlichkeit oder besser „Einbezug familiärer Interessen“ ist sicher einer davon.

Standortschließungen wegen der Truppenverkleinerung, daraus resultierende Versetzungen, lange Pendelzeiten oder Wochenendfahrten, die steigende Wahrscheinlichkeit von Auslandseinsätzen in Krisengebieten bei denen man damit rechnen muss, nicht lebend zurück zu kommen, das alles gepaart mit einer feindseligen Einstellung gegenüber der Armee in Medien und nicht unwesentlichen Teilen der Bevölkerung – da gehört schon eine Menge Altruismus dazu, so etwas nicht nur sich selbst sondern auch noch seiner Familien anzutun.

Ist diese Problemlage aber erst mal umrissen, dann erscheint mir ein Blick über unsere Staatsgrenzen notwendig; ein Blick auf Konzepte zur Verträglichkeit persönlicher Lebensentwürfe mit dem Dienst an der Waffe. Man hat sich in Deutschland faktisch für eine Berufsarmee entschieden; ob man das für gut oder schlecht hält, diese Frage stellt sich erst mal nicht mehr. Jetzt muss mit dieser neuen Lage umgegangen werden. Und dazu gehört auch die – ich will es erst mal neutral so nennen – Wertschätzung dessen, was im familiären Umfeld der Soldaten geleistet wird. In einem Land, in dem Soldaten unter Beifall als Mörder verunglimpft werden dürfen, ist das schwer zu verstehen, aber vielleicht muss man sich überlegen, wie man Ehepartner oder auch Kinder von Soldaten für ihre ganz persönlichen Einschränkungen, die durch den Einsatz des Vaters oder der Mutter entstehen, belohnt.

Wir kennen im Ausland spezielle Schulen und Wohnungen, Häuser für Armeeangehörige, Umzüge werden organisiert und finanziert, es besteht jedenfalls in großen Teilen ein Zusammengehörigkeitsgefühl auch der Soldatenfamilien, das bewusst gefördert wird. Ob diese Konzepte im Einzelnen so sinnvoll sind oder nicht auch die Gefahr einer gesellschaftlichen Separierung bilden sei mal dahin gestellt, aber da haben sich Menschen zumindest damit befasst, dass zu einem Soldaten eben auch sein familiäres Umfeld gehört. Ziel müsste es sein, dass die Armee als „Arbeitgeber“ so interessant gestaltet wird, dass man diejenigen, die für diesen speziellen Beruf nicht geeignet erscheinen, psychisch wie physisch, auch ablehnen kann und nicht „mit dem leben muss, was kommt“.

Niemand verlangt (hoffentlich) den Teilzeiteinsatz von Soldatinnen und Soldaten in Krisengebieten, aber mit den besonderen familiären Anforderungen des Soldatenberufs muss man sich, mindestens bei einer Berufsarmee, beschäftigen. Diese Diskussion anzustoßen und die Fehleinschätzung zu entlarven, dass man den Wehrdienst einfach abschaffen, die Einsatzgebiete erweitern und die Finanzierung einschränken kann um dann zur Tagesordnung überzugehen, das könnte ein Verdienst von Ursula von der Leyen werden. Bei allem Feixen über Teilzeitsoldaten und bei aller Kritik an ihrer sonstigen Politik sollten wir diese Thematik im Interesse unserer Soldaten nicht geringschätzen.

Beitrag erschien auch auf: papsttreuer.blog.de

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