UNWÖRTER ALS WAFFE DER POLITICAL CORRECTNESS

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Als im Juli letzten Jahres 172 Topökonomen gegen die Bankenrettungs-Politik der Bundeskanzlerin in einem offenen Brief protestierten, war das weder tagesschau noch heute eine Meldung wert. Dagegen verkündeten jetzt (wie seit Jahren) alle Nachrichtensendungen, dass Sozialtourismus das Unwort des Jahres 2013 sei. Politisch korrekte Pädagogisierung der Gesellschaft statt Information. Dafür ist der Unwort-Hype ein gutes Beispiel.

“Erfunden” haben das Unwort als Kampfvokabel vier Elfenbeinturm-Wissenschaftler. Mit ihrer Gründung der Aktion Unwort des Jahres wurden sie zu allseits anerkannten Hohepriestern der PC.  Seit 1991 dekretieren sie, was nach ihrem Ermessen gar nicht geht. Sprecherin des Zirkels ist Nina Janich, die mit akademischen Weihen gern in Vorträgen die PC rühmt. Ihr zufolge (schützt) Political Correctness  Opfer, folgt einem wichtigen moralischen Grundimpuls,

dient dem Respekt vor Identitäten und Bewusstseinen,

sorgt für mehr Gerechtigkeit, nicht zuletzt im gesellschaftlichen Verteilungkampf, kann sensibilisieren und zum Umdenken bewegen. PC rettet also die Welt.

Um den Verdacht der akademischen Isolierung zu begegnen, ziert sich dieser Hohepriesterrat mit einem Journalisten. In diesem Jahr mit Stephan Hebel von der FR, der zum Beispiel in der AfD nicht mehr sieht, als die altbekannten Inhaltsstoffe rechtspopulistischer Gründungsversuche. Ein politisch verschworenes Grüppchen tritt an, die Welt zu verbessern und alle Medien schreiben begeistert mit und ab.

Keinem der Journalisten fällt auf, dass diese wissenschaftlich daher kommende Wörterpolizei die Meinungs- und Berichterstattungs-Freiheit einschränken könnte. Sind es oft doch grade zuspitzende Formulierungen, die klar machen, worum es geht.

2010 war  Integrationsverweigerer unter den Top-3 der sogenannten Unwörter. Begründung: Das für eine solche Behauptung immer noch eine sichere Datenbasis fehlt und das der Staat seinerseits für die Integration noch zu wenig tut.  Typischer Gutmenschen-Sprech.

2011 fand sich folgerichtig das Wort Gutmensch auf Platz zwei der Böse-Worte-Liste. Denn der Ausdruck Gutmensch widerspreche Grundprinzipien der Demokratie, zu denen die notwendige Orientierung politischen Handelns an ethischen Prinzipien und das Ideal der Aushandlung gemeinsamer gesellschaftlicher Wertorientierungen in rationaler Diskussion gehören.

Jetzt wissen wir endlich, was mit Gutmensch gemeint sein sollte!

2012 schafften es die Pleite-Griechen auf Platz zwei. Mit der Anmerkung, der Ausdruck sei von der Springer-Presse geprägt worden. Also war (ist) Griechenland nun pleite oder nicht?!

Nicht erst seit der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit für Rumänen und Bulgaren begleiten den Fernsehschauer Bilder von Bussen mit Roma, die ihr Heil in Deutschland suchen und Berichte über ihre soziale Integration hierzulande. Statt einer differenzierten Diskussion über erwünschte und problematische Zuwanderung, wird das Problem seit dem CSU-Diktum wer betrügt, der fliegt konsequent ausgeblendet, indem nur noch über  erwünschte Arbeitskräfte gesprochen wird.

Tatsächlich scheint es aber immer noch den Gebrauch von Wörtern zu geben, die ausdrücken, was Gutmenschen nicht wahrhaben wollen. Die Hohepriester der politischen Korrektheit haben genau hingehört und  diese Worte  auf Platz eins, zwei und drei ihrer aktuellen Geht-Gar-Nicht-Wortliste platziert. Drei: Freizügigkeitsmisbrauch (Gibt es wohl nicht) Zwei: Armutszuwanderung (gibt es auch nicht?). Und Platz eins (Unwort des Jahres 2013): Sozialtourismus. Streng nach Palmströms unmöglicher Tatsache: Nicht sein kann, was nicht sein darf.

Das Wort “Sozialtourismus” diskriminiere Menschen, die aus purer Not in Deutschland eine bessere Zukunft suchten und verschleiere ihr prinzipielles Recht dazu.

Ob es dieses prinzipielle Recht gibt, mögen Sozialgerichte und EU entscheiden. Aber tatsächlich ist der Gebrauch des Wortes Sozialtourismus nicht präzise. Denn Touristen kommen in ein Land und kehren, nach ihrem Besuch, in die Heimat zurück. Aber jene, die mit dem Wort Sozialtourismus bezeichnet werden sollten, kommen um zu bleiben.

Beitrag erschien zuerst auf: lyrikheute.com

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Bert E. Wilhelm

Man kann ein Thema nicht einfach nach Belieben ausfransen, um den Gültigkeitsbereich zu vernebeln. Gelle?

Gravatar: MicroHirn

Sehen Sie, da hab ich doch Ihren Geschmack getroffen! :-)

Allerdings geht es nicht um einen Wettbewerb, irgendetwas schneller gemacht zu haben.
Und mit dem Ruhm ist es auch so eine Sache, aber das wissen Sie sicherlich selber.
Bleiben wir also beim Thema: Die Kritik an der Kritik!

Gravatar: Bert E. Wilhelm

Ich liebe es ja, wenn verschwurbelte Phrasen gedroschen werden. Nur gehandelt wird nicht. Waren die Sprachwissenschaftler halt etwas schneller und schlauer! Gebührt ihnen also auch der Ruhm. Und die Erwähnung in der Tagesschau. Und in allen sonstigen viel gesehenen Sendungen und viel gelesenen Publikationen. Und nicht bloß auf einem unbekannten Portal irgendwo in den Untiefen des Internets. Gut gemacht!

Gravatar: MicroHirn

Herr Wilhelm,

eine interessante Hypothese zur Evolution, ich fürchte aber Sie greifen der Evolution nun voraus. Menschen lassen sich vom 'Klügeren' auch nur begrenzt für dumm verkaufen.

Meine Formulierung scheint Ihnen seltsam absurd? Nun, damit wollte ich Sie gedanklich in die richtige Richtung schubsen. Gerade wenn Sie die eine geistige Hierarchie in Form einer postulierten 'Klugheit' einführen, liegt es doch auf der Hand, dass diese nicht im luftleeren Raum agiert sondern Ziel und Zweck einer Absicht widmet.
Der' Volksmund' generiert ja so manch treffliche Ausdrucksweise, die wohltuenderweise abseits von politisch korrekten Denkverboten, Kritik und Unbehagen undiplomatisch ausdrückt. Darf das sein unter einem Paradigma des 'reinen Gutseins'? Darf man sprachliche Unsensibilität dulden, wo wir doch wissen, welch Waffe die Sprache sein kann?
Damit sind auch Ziel und Zweck schon formuliert, die Lenkung einer als unangemessen oder inhuman empfundenen Formulierung gemäß den Vorgaben gutmenschlicher Manier und die Einflussnahme auf den Sprachgebrauch durch Stigmatisierung als 'Unwort'.
Unwörter sind böse, lautet vereinfacht und entblößt von sprachwissenschaftlichem Kauderwelchs die Botschaft. Der gute alte Pranger und die Ächtung in moderner Version ausgedacht von den 'Klugen'. Eigentlich haben wir nun alles beieinander, damit Ihnen meine Formulierung nicht mehr so seltsam absurd vorkommt. Die Instrumentarien der 'Volkserziehung ' sind eben vielfältig und manchmal verborgen in so eifrigen Aktionen wie das Unwort des Jahres. Jetzt fehlt nur noch der gute Wille, die Angelegenheit zu durchdenken.

Gravatar: DerLektor

Das war dann wohl alles, was Herr Suhr uns zu sagen hat. Tief schürfend.

Gravatar: Giselher Suhr

Immerhin: Den Nickname MicroHirn finde ich großartig.

Gravatar: Bert E. Wilhelm

Tja, dann kann ich nur sagen: Waren die Sprachwissenschaftler halt etwas schneller und schlauer! Da haben Sie dann wohl Pech gehabt und müssen mit der ""Prangerwirkung mit Ächtungspotenzial"" leben. In der Evolution setzt sich eben immer der Klügere durch. Schönen Abend noch.
P.S. Ihre ""Prangerwirkung mit Ächtungspotenzial"" erscheint mir seltsam absurd.

Gravatar: MicroHirn

Hatte ich schon den Prangereffekt mit Ächtungspotential erwähnt?
Gutmenschliche Entschlossenheit darf man nicht unterschätzen und sei es die nachträgliche Bewertung dessen, was wieder für lästerliche Begriffe geprägt wurden.
Die tabubrechenden Unwortbenutzer sind zwar die Unverbesserlichen, an denen dennoch gern ermahnende Worte zelebriert werden. So funktioniert das.
Ihr Zusatz der Sterblichkeit, Herr Wilhelm, erscheint mir seltsam pathetisch. Aber warum auch nicht den Götterstatus einnehmen, klingt doch gut. :-)

Gravatar: Bert E. Wilhelm

Den Erziehungsaspekt lesen Sie und Herr Suhr wohl als einzige Sterbliche heraus, MicroHirn.

Gravatar: MicroHirn

Nun geht es ja nicht um eine 'Modenschau' der schönst klingenden Worte, sondern um einen Erziehungaspekt was man gemäß gutmenschlicher Nomenklatur sagen darf und was nicht.
Konstruktive Kritik wäre da gefragt wo Verbesserungen möglich wären. Da wo einzig die mögliche Verbesserung in der Abschaffung läge, darf und muß gewettert werden.

Gravatar: Bert E. Wilhelm

Anstatt zu granteln, sollte er seinen eigenen Wettbewerb aufmachen. Das wäre dann konstruktiv - das hier ist nur destruktiv.

Gravatar: MicroHirn

Aus Steuermitteln bezahlt zu werden bedeutet was noch mal, Herr Lektor? Nur eine volkspädagogisch durchgestylte Gutmenschenmeinung vertreten zu dürfen?

Wo die Unwortkleisterei nichts fruchtet, muß dann das sozialwirksame Schamgefühl herbeigerufen werden? Stellvertreterschämen ist ja beliebt und edel, kann aber kein Ersatz sein für wichtige und notwendige Diskussionen über das Gefühl eine verordnete Einheitsmeinung auch über die 'Unwörter des Jahres' verpasst zu bekommen.

Gravatar: Verwundert

Herr Suhr klärt sicherlich auch gern darüber auf, was es mit seinem abgewandelten Kinderlied "10 kleine Gutmenschen" auf sich hat, dass er auf einer privaten Website verbreitet.

Gravatar: DerLektor

Herr Suhr, Sie waren wirklich einmal Korrespondent bei einem öffentlich-rechtlichen Sender und sind so also aus Steuermitteln bezahlt worden? Ich schäme mich für Sie!

Gravatar: DerLektor

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