Unterwerfung- Der Westen und sein Stockholm- Syndrom

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Das Unheimlichtste an Houellebeqs neuem Roman ist, dass er in nächster Zukunft spielt und das Politiker- Tableau fast identisch ist mit dem aktuellen.

Mit jedem Tag, der vergeht, wird die Stimmung in Europa der von Houellebecq beschriebenen ähnlicher.

 

Der Romanheld, ist ein typischer westeuropäischer, atomarisierter Intellektueller, dessen Berufsleben „dahinplätschert, wie sein Leben im Allgemeinen“, der unfähig ist, Bindungen aufzubauen, weil er jede „Art von Enttäuschung und Desillusionierung vermeiden“ möchte und irgendwann feststellt, dass er , mit Mitte vierzig, nur noch „auf den Tod wartet“.

Frauen sind für ihn „frische Ware“, so werden von ihm, dem Universitätsdozenten, die Studentinnen des ersten Semesters genannt. Wenn die Ware dann zu viel Gebrauchsspuren aufweist, wird sie umstandslos ausgetauscht.

Im stillen Kämmerlein hielt es dieser Seelenkrüppel nie für einen gute Idee, „Frauen das Wahlrecht zu geben und sie zu gleichen Studiengängen und Berufen zuzulassen“.

Für ihn hatte das Patriarchat „zumindest den Vorzug zu existieren“ als „Sozialsystem“ hätte es „Bestand“ gehabt. Ansichten, die seine spätere Unterwerfung begünstigten.

Während sich im Leben des Protagonisten so wenig abspielt, dass er die Hoffnung nährt, „diese Welt ohne übertriebene Gewalt“ verlassen zu können, brodelt und gärt es in der Gesellschaft um ihn herum.

Es beginnt damit, dass „drei Typen von rund zwanzig Jahren, zwei Araber und ein Schwarzer“ ihm den Weg zu seiner Vorlesung versperren. Als er darauf besteht, durchgelassen zu werden, heißt es: „Kein Problem, Monsieur, wir haben nur unsere Schwestern besucht“

Wenige Tage später haben die offenen Gewalttätigkeiten Paris erreicht. Bei einem Sektempfang in der Universität, hören die versammelten Dozenten Maschinengewehrfeuer und Explosionen auf dem nahe gelegenen Place de Clichy.

Die Medien schweigen von diesem Ereignis, so wie vorher über viele ähnliche Ereignisse in der Provinz und in den Vorstädten. Politik und Medien wollten keinen Kassandrarufen Vorschub leisten.

„Kassandra“, sinniert der Held, “steht...für ungünstige Vorhersagen, die immer tatsächlich eintreffen; gemessen an den Fakten schien es, als wären die linksliberalen Journalisten von der gleichen Blindheit befallen wie die Trojaner- was in der Geschichte auch nichts Neues wäre: Dasselbe könnte man auch über die Intellektuellen, Politiker und Journalisten der 1930er Jahre sagen, die einhellig davon überzeugt waren, dass Hitler schon zur Vernunft käme.“

Er ahnt, dass „das politische System....zu zerspringen drohte“.

Es kollabierte dann aber eher sanft.

Das begann mit der Präsidentschaftswahl, bei der die Kandidatin der Front National, Marine le Pen, im ersten Wahlgang klar vorn lag, gefolgt vom Kandidaten der Muslimbrüder Ben Abbes, der die Sozialisten knapp geschlagen hatte.

In den vierzehn Tagen bis zur Stichwahl werden die Weichen für die Abschaffung der Grande Nation gestellt. Ein breites Bündnis von den Sozialisten bis zu den Konservativen, genannt „erweiterte republikanische Front“, beschließt, den Kandidaten der Muslimbrüder zu unterstützen.

Der bemüht sich wiederum, öffentlich Beruhigungspillen zu verteilen. Mehr als jeder andere habe er von der von der republikanischen Meritokratie profitiert, er wolle kein System untergraben, dem er alles zu verdanken habe. Aber die Zeiten hätten sich geändert, die Rückkehr der Religion sei eine tiefgreifende Veränderung, der die Gesellschaft Rechnung tragen müsse.

Dementsprechend überlässt der künftige muslimische Regierungschef den anderen Parteien alle so genannten Schlüsselressorts, beansprucht aber das Bildungsministerium. Wer über die Kinder bestimmt, verfügt über die Zukunft.

Am Ende seines Fernsehauftritts hatte der muslimische Präsidentschaftskandidat seine Zuschauer dort, wo er sie haben wollte: „Es gab ein paar Zweifel allgemeiner Art, aber vor allem das Gefühl, dass da nichts war, worüber man sich aufregen müsste...“

 

Seine Gegenkandidatin Marine le Pen ging in ihrer Erwiderung auf Condorcet zurück, der in seiner Rede vor der Nationalversammlung 1792 gesagt hatte, dass die im Geiste weit entwickelten Ägypter „in die blödsinnigste, abgründigste Unwissenheit zurückfielen, als die religiöse Macht sich das Recht herausnahm, die Menschen erziehen zu wollen.“

Sie beendete ihre Ausführungen mit einem Zitat aus der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1793: „Wenn die Regierung die Rechte des Volkes verletzt, ist für das Volk...der Aufstand das heiligste seiner Rechte und die unerlässlichste seiner Pflichten.“

 

Der inzwischen bodenlose Graben zwischen dem Volk und jenen, die in seinem Namen sprachen, also Politikern und Journalisten, führt in Frankreich und anderen westeuropäischen Ländern zum Bürgerkrieg, ist sich der Romanheld danach sicher und teilt damit ein inzwischen weit verbreitetes Gefühl.

In einer zutiefst verunsicherten, zerfallenden Gesellschaft, werden Wahlen nicht mehr auf dem Feld der Wirtschaft, sondern dem der Werte gewonnen.

 

Dies erkannt zu haben, brachte dem Muslimbruder den Wahlsieg. Ramadan und Scharia seien nicht mehr als Teil eines Werte- Traditionalismus. Diese Strategie war erfolgreich, weil eine „von ihrem grundsätzlichen Antirassismus gelähmte“ Gesellschaft unfähig war, die Gefahr „überhaupt zur Kenntnis zu nehmen“, geschweige denn, sie zu bekämpfen.

Eine Art flächendeckendes Stockholm- Syndrom, wie man es Tag für Tag beobachten kann.

Nach der muslimischen Machtübernahme veränderte sich Frankreich rasch.

“Die unmittelbarste Folge ....war die Absenkung der Kriminalitätsrate.“ Die Arbeitslosigkeit sank rapide, weil die Frauen aus dem Berufsleben ausstiegen.

Kleider und Röcke verschwanden aus der Öffentlichkeit. Frauen trugen nur noch Hosen und unförmige, weite Oberteile, die bis zur Hälfte der Oberschenkel reichten.

Die Sorbonne wurde zur islamischen Universität, in der keine Frauen mehr unterrichten durften, männliche Dozenten zum Islam konvertieren mussten.

Dieser Schritt wurde ihnen schmackhaft gemacht durch ein verdreifachtes Gehalt und die Möglichkeit, künftig drei Ehefrauen zu haben, darunter auch minderjährige.

Staatlich geförderten Schulunterricht gab es nur noch bis zum zwölften Lebensjahr, danach musste Bildung privat bezahlt werden.

Auch die Wirtschaftsstruktur veränderte sich grundlegend. Die letzten Großbetriebe verschwanden zugunsten von Klein- und Kleinstunternehmen. Und weil es „nichts Schöneres“ geben konnte „als eine Solidarität, die innerhalb des warmherzigen Rahmens der Familie ausgeübt wird“, wurde von der Regierung eine Kürzung der „Sozialausgaben um 85 Prozent“ innerhalb der nächsten drei Jahre angekündigt.

„Das Erstaunlichste war, dass der hypnotische Zauber, den Ben Abbes von Anfang an verbreitete, weiter wirkte und dass es gegen seine Vorhaben keinen nennenswerten Widerstand gab. Die Linke hatte sich schon immer durch die Fähigkeit ausgezeichnet, antisozialen Reformen zuzustimmen, die man vehement abgelehnt hätte, wären sie von rechts gekommen“.

Die Macht des Faktischen zog Houellebecqs innerlich haltlosen Helden bald in ihren Bann. Ein Angebot, an die islamische Sorbonne zurückzukehren, die Aussicht, drei Frauen ehelichen zu können, erwies sich als unwiderstehlich, ja, „es wäre die Chance auf ein zweites Leben, das nicht besonders viel mit dem vorherigen gemein haben würde.“

Ich hätte nichts zu bereuen- ist der letzte, furchterregende Satz in Houellebecqs Buch.

Furchterregend deshalb, weil es die Formel ist, nach der sich die Unterwerfung unserer (männlichen) intellektuellen Elite vollziehen wird.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: D.Eppendorfer

"Der freie Wille existiert."

Welche rotgrüne Gesinnungsdemokratur daraus gerade erwächst, können wir ja tagtäglich in unserem neuen Multikultiparadies beobachten, in dem militante Moslems ungestraft "Juden ins Gas" schreien dürfen, friedlich demonstrierende besorgte Bürger aber als Nazis diffamiert werden.

Übrigens wurde auch Hitler von sich anständig dünkenden Bürgern freiwillig und demokratisch gewählt, bevor er einen Kontinent in Trümmern mit etwa 50 Millionen Toten hinterließ. Ich würde also nicht zu sehr auf den freien Willen des eher dummen und somit leicht manipulierbaren Volkes bauen, denn auch unser politisches System trägt ja der Gefahr Rechnung, dass aufgehetzte Emotionen des Pöbels jeden Moment ins Totalitäre abdriften und die Demokratie abschaffen könnten. Das gilt auch für religöse Eiferer, die trotz langer fundierter Kritik wie hypnotisiert an ihrem rigiden Glauben kleben, obwohl der mit unserer freiheitlichen Demokratie inkompatibel ist, weil es sich um ein komplett anderes totalitär-ideologisches Herrschafts-System handelt.

Wir sollten uns also davor hüten, die besänftigende Schönmalerei zu übertreiben, denn sonst könnte uns bald eine hässliche Islamdiktatur-Realität anspringen und uns versklaven oder zerfleischen.

Gravatar: D.A.S. Nichts

Ihnen möglicherweise nicht bewusst, sind 'Die Leeren' zweifellos das Schlüsselwort Ihres Beitrags.

Die unendlichen Leeren des Universums, der Worthülsen und der menschlichen Dummheit hat ja schon Einstein beschrieben, der fürchterliche, lieblose Patriarch, wobei er sich beim Universum so sicher nicht war.

Gravatar: P.Feldmann

Es betrifft aber bei weitem nicht nur die Frauen, Vera Lengsfeld, sondern der Islam füllt bei Houellebecq nur die Leere des Protagonisten u. der Gesellschaft. Die Leeren, die z.Zt. Gender Links Antifa etc. vertreten, sind leicht übergängig und unterwerfen sich ohne Widerhall der neuen Macht.

Schwierig wird es für Menschen mit einem eigenen Wertesystem u. Glauben werden.

Wie man dieser Tage hier bei uns sieht , unterwerfen sich viele Frauen gern dem Patriarchat und tragen als Konvertitinnen die Burka aggressiv im Strassenbild.

Die Grenze verläuft nur im hedonistischen Scheitern bei Houellebeqc zwischen Männern und Frauen. In Wirklichkeit ist es aber eine Grenze zwischen Wert und Wertlosigkeit(aus fehlender Wert-Begründung), die hier massgeblich ist.

Gravatar: Adorján Kovács

Liebe Frau Lengsfeld,

der Roman ist außer Frage beklemmend wahr. Aber man sollte doch eine stilistische Finte des Autors berücksichtigen: Das letzte Kapitel ist im Konjunktiv geschrieben. Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass der Protagonist sich aus Opportunismus bekehren wird. Aber der Roman endet eben mit dem futurischen Konjunktiv, auch der letzte Satz ist im Konjunktiv gehalten. Houellebecq ist nun mal ein guter Autor. Er läßt doch literarisch offen, OB alles wirklich so endet. Es könnte also noch eine Wende geben, will er uns sagen. Der freie Wille existiert.

Gravatar: Izmir Übül

Na, Frau Lengsfeld, was ist das denn nun schon wieder? Das Stockholm - Syndrom? Sie meinen im Ernst mit Herrn Houellebeq, Westeuropa und christliches Abendland seien dabei und liefen Gefahr, sich zur treu ergebenen, kooperativen Geisel des Islam zu machen?

Dazu müssten Westeuropa und christliches Abendland erst einmal aufhören, <a href="http://www.spiegel.de/forum/netzwelt/exklusiv-aus-dem-neuen-spiegel-die-nsa-ruestet-zum-cyber-feldzug-thread-222489-3.html#postbit_23416331" rel="nofollow">treu ergebene und kooperative Geisel der USA</a> zu sein.

Das wird wohl kaum passieren. Unter der ausgeprägten Schwäche von Rechtsstaat und christlicher Religion wird die Situation in diesen Breiten eher weiter eskalieren, ein neutraler Zustand wird sich gerade nicht einstellen.

Gravatar: Thomas Rießler

Aus aktuellem Anlass ein Hinweis auf die Veröffentlichungen des amerikanischen Autors J. R. Nyquist (https://jrnyquistdeutsch.wordpress.com/ueber-dieses-projekt/):

„Jeffrey Richard Nyquist wurde 1958 in Elgin, Illinois geboren. Er studierte an der University of California at Irvine und war dort Teil eines PHD-Programms in Politikwissenschaft und Soziologie. Sein Hauptinteresse galt schon früh der sog. Sowjetologie und den damit verbundenen Fragen nicht nur der Militärstrategie und der Massenvernichtungswaffen, sondern ebenso der ‘Psychosoziologie’ der Atombombe, gerade auch in ihrer ganzen kulturgeschichtlichen, theologischen, und schließlich eschatologischen Dimension. Konfrontiert mit einer Reihe marxistischer Professoren an seiner Universität, die wenig für seine Forschungsergebnisse übrig hatten, beschloß J. R. Nyquist, der Graduate School – und damit auch der Aussicht auf eine akademische Karriere im Universitätsbereich, in Think-Tanks oder den etablierten Medien – den Rücken zu kehren, und konzentrierte sich fortan, während der Jahre 1989 bis 1993, auf sein ehrgeiziges Buchprojekt, Origins of the Fourth World War.“

Auszüge aus diesem Buch:

“Ich begann im Jahr 1987, meine Notizen für dieses Buch zu sammeln. In jenem Jahr erkannte ich, daß der Kommunismus bald seinen eigenen Zusammenbruch ‘orchestrieren’ würde. Am Anfang war ich noch dumm genug, davon zu träumen, daß mein Buch die Menschen für die Gefahr sensibilisieren würde. Ich las hunderte von Büchern und verfaßte tausende von Notizen. Woche für Woche speicherte ich sie auf meinem Computer und gruppierte sie immer wieder neu. Einige dieser Notizen sind lang, andere kurz. Hier ist eine:

Im Dezember 1984 sagte William H. Webster, damals Direktor des FBI: ‘Wir haben heute mehr Anklagen wegen Spionage als je zuvor in unserer Geschichte.’ Konteradmiral William O. Studeman, Direktor der Marineaufklärung, beschrieb den Charakter eines Teils dieser Spionage als ‘für die sowjetische Seite potentiell kriegsentscheidend’.

Ende der 1980er Jahre konnte ich noch solche Notizen schreiben und mir vorstellen, daß sie etwas bewiesen, daß sie einen wichtigen Aspekt des sozio-strategischen Problems demonstrierten, das Amerika hatte. Ich sah nicht voraus, daß fast jeder diese Tatsache als praktisch belanglos abtun würde. Ich sah nicht voraus, daß solche Einsichten eines Tages einen Fall klinischer Paranoia bedeuten würden.

Zu dieser späten Stunde, in der wir am Rande einer Weltkatastrophe leben, gibt es keine Fußnoten, die noch überzeugen könnten. Die öffentliche Meinung ist nun derart verhärtet und ist so darauf versessen, ein falsches Rußlandbild zu unterstützen, daß nur ein Narr hervortreten und seinen Seelenfrieden aufs Spiel setzen würde, um den Irrtum beim Namen zu nennen. Insofern zeigt sich hier mein Narrentum. Was begonnen hat als Versuch, meine Umgebung aufzurütteln und die Menschen zu warnen, endet in einer akademischen Übung in Soziologie.“

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