Über den Wein

Es gibt hinreißende, den Trank heiligende, dem nach Vergessen und Rausch gleichzeitig dürstenden Sterblichen eine gewisse Absolution erteilende Texte über den Wein.

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Am schönsten und zugleich bittersten hat des Menschen glühendes Verlangen nach Trost im Rebensaft wohl der große unfromme persische Mathematiker und Fatalist Omar Chajjam (um 1048 - 1131) besungen, Allah erfülle gleichwohl seine Wünsche im Jenseits.

I

Obschon ich schön von Angesicht und Farbe bin,

tulpengleich die Wange, die Gestalt zypressengleich,

wurde es nicht klar, warum der ewige Maler

mich schmückte für das Freudenhaus aus Staub.

XXI

Nun, da vom Glück nichts als der Name blieb,

kein reifer Freund zurückblieb als nur der Trester,

halte den Becher fest in der beherzten Hand,

heute, wo der Hand nichts blieb als der Becher.

LXII

Trink Wein, denn das Firmament führt

deine und meine Zerstörung im Schilde;

setzte dich ins Grün und trink klaren Wein,

denn dieses Gras wird reichlich aus deinem und meinem Staube wachsen.

LXXII

Heiter zu sein und Wein zu trinken, ist meine Regel,

frei zu sein von Glauben und Unglauben meine Religion:

Ich fragte die Braut des Schicksals, was ihre Mitgift sei,

'Dein frohes Herz', antwortete sie.

LXXVI

Wascht mich mit Wein, wenn ich fortgehe,

bei meinem Begräbnis sprecht ein Gebet, erfüllt von Wein;

wenn ihr mich finden wollt am Tag des Jüngsten Gerichts,

sucht mich im Staub vor der Tür der Schenke.

LXXVII

So viel Wein will ich trinken, daß sein Aroma

die Erde durchdringen soll, wenn ich in ihr liege;

sollte ein Zecher über meinem Staube wandeln,

wird er vom Duft meines Weins entrückt und berauscht.

(Ich zitiere hier aus den Trinkliedern in der Übersetzung von Cyrus Atabay.)

Beitrag erschien auch auf: michael-klonovsky.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Adorján Kovács

Wobei, sehr geehrter Herr Klonovsky, gar nicht sicher ist, ob Chajjam überhaupt Moslem war. Wie wir heute wissen (obwohl es viele nicht wissen wollen), gab es in Persien noch weit bis ins Mittelalter hinein christliche und vor allem buddhistische Enklaven. Zu letzterer könnte auch Chajjam gehört haben, denn was er sich in seinen Trinkliedern erlaubt, war schon damals für einen Moslem in einer islamischen Umgebung kaum publikationsfähig. Später ist er dann zu einem "rebellischen" muslimischen Dichter in "toleranter" islamischer Umgebung umgedeutet worden.

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