Trotz Sinn kein Verstand

Die Sendung heißt „Maybrit Illner“. Und es geht in diesem Format auch nur um eine Person: um Maybrit Illner. Offiziell soll es sich natürlich um eine kontroverse Diskussion aktueller Themen handeln. Dazu werden dann mehr oder weniger kompetente Gäste eingeladen, in der Regel ausgewogen zusammengesetzt aus den Archetypen „Politiker“, „Wirtschaftsfachmann“, „Wissenschaftler“ (manchmal auch ersetzt durch „Publizist“); „Showbiz-Promi“ (ein bekannter Name sollte schon auftauchen, bringt vielleicht keine zusätzliche Kompetenz, aber Quote) und „Normalbürger“ (die Alibi-Stimme aus dem Volk). Faktisch aber werden die Themen nicht debattiert – schon gar nicht kontrovers. Die Gäste dienen nur als schmückendes Beiwerk, angeordnet um die zentral plazierte Moderatorin, die im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen möchte. Und deshalb auch tunlichst darauf achtet, kaum weniger Redezeit als die Eingeladenen zu haben. Was sie durch merkwürdig verdreht formulierte und verschlungene Fragestellungen erreicht. Die immer dann besonders lang und komplex werden, wenn tatsächlich einmal ein offener Schlagabtausch droht. Wobei die Fragen natürlich auch keine solchen sind. Sondern die verklausulierte Erwartung einer bestimmten Antwort. Denn „Maybrit Illner“ ist nicht dafür da, dem Zuschauer eine Meinungsbildung zu ermöglichen. Nein, die Sendung transportiert bereits eine vorgefertigte Meinung (die der Moderatorin, der Redaktion, des Senders); von der der Zuschauer überzeugt werden soll.

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Wenn also eine Sendung mit dem Titel „Gluthitze hier, Ölpest da – nimmt die Natur jetzt Rache an uns?“ angekündigt wird, dann lautet die eigentlich gemeinte Überschrift „Mabrit Illner ist davon überzeugt: Ölpest und Gluthitze sind die Rache der Natur an uns bösen Konsumenten. Und sie wird es Ihnen mit Hilfe entsprechend ausgewählter Gäste beweisen!“ Und exakt das war das Spiel, was man gestern Abend im ZDF einmal mehr bewundern konnte. Meinungsmache. Verpackt in das trivialstmögliche und inhaltsloseste Gespräch, was man zu Themen wie „Klimadebatte“ und „Energie“ überhaupt führen kann. Auf einem Niveau, das selbst im Unterschichtenfernsehen nicht oft unterschritten wird. Fakten? Erläuterungen? Belege und Beweise? Alternative Ideen und neue Argumente? – Alles Fehlanzeige.

Einigkeit herrschte gleich zu Beginn, denn Andersdenkende waren nicht eingeladen: Die Welt geht zugrunde. Und wir sind schuld daran. Auch wenn Mojib Latif (Archetyp „Wissenschaftler/Publizist“) Wert darauf legte, vom Begriff „Klimakatastrophe“ nicht viel zu halten. Er spräche lieber neutral vom „Klimawandel“.

Moment mal. Keine Klimakatastrophe, Herr Latif? Nur ein schnöder Klimawandel, wie er allenthalben vorkommt? Kein Grund, Risiken zu vermeiden, sondern vielleicht eher ein Grund, Anpassungsstrategien zu entwickeln?  Da hätte die „Journalistin“ Illner doch einhaken können. Eine Chance, das öffentliche Gerede der Klimaforscher als reines Balzritual (um Aufmerksamkeit und Fördermittel) zu entlarven. Aber das Investigative ist Illners Sache nun gerade nicht. Eher das Manipulative.   Und daher ließ sie auch die wenigen Momente ungenutzt verstreichen, in denen es wirklich einmal an die Substanz ging.

Etwa Hans-Werner Sinns (Archetyp „Wirtschaftsfachmann“) berechtigten Einwand, die bisherige „Klimaschutzpolitik“ hätte keinerlei Emissionen vermieden. Denn sie beeinflußt genau nicht die Angebotsseite des Marktes. Öl und Kohle, die wir nicht verbrauchen, werden eben anderswo genutzt. Leider glitt Sinn dann mit den Begriffen „Ölscheichs“ (aus Arabien) , „Gasoligarchen“  (aus Rußland) und „Kohlebarone“ (aus den USA) auch in das Triviale ab. Und provozierte sogleich den Widerspruch des Promi-Archetypen Hannes Jaenicke. Denn dieser witterte nicht etwa die Chance, etwas über ökonomische Zusammenhänge zu lernen. Sondern einen Anflug von Rassismus in Sinns Worten. Und regte sich entsprechend über diesen unerhörten Angriff auf die Ölscheichs auf. Dabei hat Sinn nur ausgeführt, daß hier kluge und rational handelnde Menschen am Werk sind. Die eben ihr Öl verkaufen. Ganz unabhängig von den Maßnahmen der Bundesregierung. Dieses Dilemma der Klimapolitik, die Angebotsseite einfach außer acht zu lassen, und damit sich selbst als ideologiegetrieben und im Wortsinne irrational zu entlarven, wurde von Frau Illner einfach mal wegmoderiert.

Stattdessen durfte „Volkes Stimme“, die jugendlich-naive und gleichzeitig fanatisch-verwirrte „Vollzeit-Umweltaktivistin“ Hanna Poddig ihre Sicht der Dinge zum Besten geben. Und den Weltuntergang  als Folge des verdammungswürdigen kapitalistischen Systems, das zu überwinden wäre, darstellen. Die Alternative, eine irgendwie anarchisch-kommunistische Gesellschaft aus einzelnen Stammesverbänden, die basisdemokratisch über ihre Lebensumstände entscheiden, ging dann doch auch unserem Umweltminister Norbert Röttgen (Archetyp „Politiker“) zu weit. Und als er darauf hinwies, wie sehr doch die Klimadebatte in Deutschland ideologisiert sei, wie sehr doch Glauben und wie wenig doch Wissen sie präge, da war erneut die Chance da, diesen wichtigen Aspekt zu thematisieren. Aber auch ohne Einflußnahme durch die Moderatorin führte Röttgen sein eigenes Statement ad absurdum. Indem er danach nur noch von der moralischen Komponente des Klimaschutzes faselte, die es zu beachten gelte. Mit offensichtlich höchster Priorität. Damit stellte er sich selbst als ebenso ideologisiert hin, wie der Rest der Alarmisten.

Ideologie, Glaube und spirituell motivierter Aktivismus ersetzen also die rationale Betrachtung der Thematik. So die Botschaft von Maybrit Illner. Dadurch entstehen zwar keine Lösungen, aber zumindest ein gutes Gefühl. In den Zeiten nach dem Kopenhagen-Desaster, nach Climategate, Himalayagate und all den anderen Tiefschlägen für die „Bewegung“ flüchtet man sich in Emotionen, statt in Argumente. Und niemand brachte es so deutlich auf den Punkt, wie Mojib Latif am Ende der Sendung. Denn dieser hat sich selbst ein Tempolimit verordnet. Er fährt niemals mehr als hundert Stundenkilometer, wie er voller Stolz verkündete. Um das Klima zu schützen? Auch. Aber vor allem um des guten Gefühls willen, das Richtige zu tun.

Klimaschutz ist für die Seele, nicht für den Verstand. In dieser Hinsicht war die Sendung entlarvend, ohne es zu wollen. Wahrscheinlich schauen die klugen Köpfe die Illnersche-Personality-Show schon lange nicht mehr. Die anderen haben zwar nichts gelernt, aber damit eben auch kein Problem. Und dies erst macht „Maybrit Illner“ möglich. Eine sich selbst organisierende Spirale der zunehmenden Verdummung.

ZDF-Mediathek: Die Sendung „Maybrit Illner“ vom 22.07.2010

Spiegel-Online: Wenn Logik keine Rolle spielt 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Freigeist

Ja, die Angebotsseite zu vernachlässigen ist pure Dummheit.

Gravatar: Petra

Illner braucht kein Mensch.

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