Dieses Ereignis, das Todenhöfer in einem Artikel in der FAZ schildert, nutzt er wieder einmal für Ratschläge, die in ihrer Widersprüchlichkeit erstaunen. Einerseits verachtet er die westlichen Führer, die sich jahrzehntelang sehr gut mit Gaddafi vertrugen, aber er erwähnt nicht, dass dieser Despot auch sehr gute Beziehungen zur gesamten muslimisch-arabischen Welt unterhielt. Nun fordert er ein Eingreifen, aber nicht „des Westens“, sondern von Blauhelmen. Wer aber ausser „dem Westen“ überhaupt gewillt wäre, Blauhelme in Bewegung zu setzen, sagt er nicht. Bis jetzt beteiligt sich an der Anti-Gaddafi-Koalition aus dem islamischen Raum nur das gewaltige Qatar.
Die Eingreiftruppe einschließlich einer Flotte vor Libyens Küste sollte laut Todenhöfer natürlich muslimisch-arabisch geführt werden. Wessen Schiffe beispielsweise sollten das denn sein? Das will doch heißen: Der verachtete Westen ist gut genug, Kampfmittel in Bewegung zu setzen, darf sie aber nicht führen. Stattdessen soll die demokratische und liberale arabische Staatengemeinschaft über diese Machtmittel, zu deren Aufstellung sie selber nicht in der Lage ist, bestimmen dürfen. „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß!“ Hat Todenhöfer komplett den Sinn für Realitäten verloren? Im Gegenteil: Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode.
„Stürzt diesen Tyrannen!“, fordert Todenhöfer und sieht sich hier ganz explizit einig mit dem Vorsitzenden des internationalen islamischen Gelehrtenrates Qaradawi. Man glaubt es kaum, mit wem sich Todenhöfer hier gemein macht. Qaradawi rief im Karikaturenstreit zum Boykott dänischer Produkte auf, in seinem Hauptwerk „Erlaubtes und Verbotenes im Islam“ billigt er u. a. die körperliche Züchtigung von Ehefrauen bei notorischem Ungehorsam und die Todesstrafe bei „Unzucht“, Homosexualität und „Abfall vom Glauben“, sein Aufruf zur Tötung Gaddafis wird aus dem Koran begründet mit der „widerrechtlichen Tötung“ von Gläubigen (Gaddafi dürfte im Umkehrschluß also massenhaft Ungläubige töten) und billigt natürlich Selbstmordattentate als Märtyrertum. Adolf Hitler war für ihn „eine gerechte Strafe Allahs für die Juden“. Und dieser faschistoide Mann kann sich jetzt in Ägypten wieder ungehindert äußern. Welche politischen Absichten haben eigentlich die liebenswerten Aufständischen in Libyen? Das wird man wohl fragen dürfen.
Was also auch immer von islamischen Gelehrten zu halten ist, die wirklich maßgeblichen Gelehrten für internationales Recht sind sich keineswegs einig, ob es überhaupt zulässig ist, das Oberhaupt eines souveränen Staates von aussen zu stürzen. Unterstützung dabei ist absolut in Ordnung, keine Frage, aber ein Volk muss diesen letzten Schritt zur Freiheit selbst vollbringen, sonst ist die Freiheit eine geborgte Freiheit (wie in Deutschland, das ja 6 Jahre lang wie ein Berserker gegen die westliche Wertegemeinschaft gekämpft hat). Und Jürgen Todenhöfer mag ein mutiger Mann sein, aber er sollte einmal darüber nachdenken, ob er seinen Mut nicht auch, wie die Deutschen damals, an eine falsche Sache verschwendet. Oder anders ausgedrückt: Kann es unsere Sache sein, Aufständische gegen einen Despoten zu unterstützen, ohne Einfluss auf die Regierungsform danach zu nehmen? Die Amerikaner hätten sich 1945 bei einer solchen Zumutung an die Stirne getippt. Völlig zurecht.
Kommentare zum Artikel
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Dieser Jürgen Todenhöfer denkt nicht logisch.
Jürgen Todenhöfer wird völlig zu Recht mitunter in Talkshows eingeladen. Denn schließlich hat er einen gewissen Unterhaltungswert, mehr aber auch nicht.