Kann man noch in ein Theater, auf einen Christkindlmarkt gehen? In Österreich, in Deutschland, in Frankreich? Ja, man kann. Die Wahrscheinlichkeit, dabei Opfer zu werden, ist statistisch gering. Es gibt jedoch in Zusammenhang mit der Terrorwelle einen ganz anderen Grund, der die Österreicher inzwischen viel mehr schockieren müsste als das nachempfundene Grauen an die Stunden in einer Pariser Konzerthalle und die Angst vor Nachfolgetaten.
Subjektiv kann und sollte sich jeder Europäer sagen – schon um den eigenen Puls zu beruhigen und wieder schlafen zu können: Die Wahrscheinlichkeit, durch andere Faktoren als durch Terroranschläge ums Leben, um die Gesundheit zu kommen, ist ein Vielfaches höher. Auch in Frankreich ist etwa die Zahl der Verkehrstoten im heurigen Jahr weit größer als die Zahl der Terroropfer. Trotzdem ist die Scheu, ein Auto zu benutzen, sich als Fußgänger oder Radfahrer am öffentlichen Verkehr zu beteiligen, so gut wie Null. Also sollte man auch vor Christkindlmärkten keinen Umweg machen.
Zur persönlichen Beruhigung hilft auch die Erfahrung, dass die Intensität der Berichterstattung fast nie der persönlichen Gefährdungssituation entspricht. Man vergleiche etwa, wie viel über einen Flugzeugabsturz berichtet wird, und wie wenig über Autounfälle, selbst wenn diese in der Summe viel gefährlicher sind. Aber an sie hat sich die Gesellschaft halt gewöhnt. Die Grünen (und damit viele Medien) rufen sogar Alarmstufe eins aus, wenn irgendwo beim Anteil irgendwelcher Moleküle in irgendwelchen Lebensmitteln ein Grenzwert überschritten wird, auch wenn diese Überschreitung noch Meilen von einer Gesundheitsgefährdung entfernt ist.
Mit anderen Worten: Ja, es gibt ein Terrorrisiko, und zwar in ganz Europa. Nein, es ist nicht so groß, dass man sein persönliches Leben ändern muss. Dass man sich etwa nicht mehr an öffentlichen Veranstaltungen zu beteiligen wagt.
Keine Regierung ist so tatenlos wie die österreichische
Während man diese persönlichen Panikreaktion reduzieren kann, so wird immer mehr ein anderes Faktum zum Grund, schockiert und empört zu sein: Das ist die unglaubliche Tatsache, dass keine Regierung Europas in den letzten zwei Wochen so tatenlos geblieben ist wie die österreichische. Vor allem die SPÖ reagiert auf jeden Vorschlag, mit dem die Innenministerin jetzt doch immerhin etliches Konkretes gegen die islamistische Bedrohung tun will, mit zynischer Ignoranz.
Nun werden manche sagen: Wenn die Gefahren subjektiv ohnedies überschätzt werden, dann hätte ja die SPÖ Recht, wenn sie nichts Wesentliches unternehmen will. Dieses Argument ist aber gleich aus zwei Gründen falsch.
- Denn erstens hat eine Regierung die Pflicht, auch jene Bedrohungen ernst zu nehmen, die nicht so groß sind wie etwa die Gefahren im Verkehr.
- Diese Pflicht besteht zweitens vor allem dann, wenn sich die Regierung um tausenderlei viel kleinere und unbedeutende Problemchen annimmt. Die Staatsgewalt strengt ja sogar hochnotpeinliche und aufwendige Verfahren an, wenn eine Unternehmensbilanz vielleicht nicht vollständig war, wenn jemand etwas Böses über die Moslems sagt, wenn jemand im Internet verbotene Seiten anschaut, wenn in einem Inserat Männlein und Weiblein nicht ausdrücklich gleich angesprochen werden. Besonders anschaulich sieht man das derzeit auch im sogenannten VW-Skandal: Viele Politiker hecheln da aktivistisch, obwohl bisher dadurch noch niemand in seiner Gesundheit oder seinem Vermögen konkret geschädigt worden ist. Wenn Politik und Staat für lauter solche Tertiärprobleme große Energien, viel Zeit und viel Steuergeld der Bürger aufbringen, hätten sie umso klarer die Pflicht, viel mehr gegen die eskalierende und ernste Terrorgefahr zu unternehmen.
- Drittens ist in den letzten Tagen die Mär dramatisch zusammengebrochen, die Massen-„Flucht“ speziell auf der Balkanroute durch und nach Österreich habe nichts mit dem Terror zu tun.
Ich erinnere mich gut, mit welcher Verachtung mich vor einigen Wochen Sozialminister Hundstorfer bei einer gesellschaftlichen Begegnung niederzumachen versuchte, weil ich es zu kritisieren gewagt habe, dass zwar am Flughafen jede Nagelfeile abgenommen wird, dass aber seit einigen Monaten hunderttausende Asiaten und Afrikaner völlig unkontrolliert nach Österreich einmarschieren, unter denen sich jeder Drogenschmuggler und Terrorist wie der Fisch im Wasser bewegen kann. Hundstorfer behauptete dagegen ernstlich, garantieren zu können, dass da kein einziger solcher dabei sei.
- Inzwischen aber ist klar, dass mindestens zwei der Pariser Täter die Balkanroute, also den praktisch zwingend durch Österreich führenden Weg genommen haben. Denn sie sind zuvor in Griechenland registriert worden. Was doppelt peinlich ist, wenn sogar ein versagender Staat wie Griechenland dazu imstande war, Österreich jedoch nichts bemerkt hat. Nach anderen Angaben waren es sogar bis zu fünf Terroristen.
- Inzwischen aber haben sogar das arme Nicht-EU-Land Mazedonien und das EU-Land Slowenien etwas zustande gebracht, was Österreich nicht geschafft hat: Sie weisen wenigstens einen Teil der Migranten an der Grenze ab. Und sie lassen sich – zumindest bisher – nicht von Aktionen der Einmarschwilligen wie zugenähten Lippen beeindrucken, deretwegen die Mainstream-Medien normalerweise lauten Heuchleralarm schlagen (wenn sie in ihrem Links-Geschreibe seit den Pariser Anschlägen nicht wenigsten kurzfristig etwas leiser geworden wären). Nur dank Mazedonien und Slowenien mit ihren Grenzkontrollen hat in den letzten Tag die Migranten-Invasion etwas abgenommen (und wohl auch wegen des Wintereinbruchs).
- Inzwischen aber ist klar, dass aus Montenegro ein mit mehr als suspekten Waffen bepacktes Auto mit dem Ziel Paris ebenfalls den Weg durch Österreich genommen haben muss, bevor es in Deutschland erwischt worden ist. Auch davon hat Österreich nichts bemerkt.
- Inzwischen aber ist klar, dass ein – mutmaßlich gefälschter – syrischer Pass, der bei den Pariser Terroristen gefunden worden ist, auf einen Namen lautet, der schon in Serbien registriert worden ist. Auch von diesem Pass und diesem Namen hat Österreich nichts mitgekriegt.
- Inzwischen aber ist auch bekannt geworden, dass die Türkei acht mutmaßliche marokkanische Terroristen festgenommen hat, die von Casablanca nach Istanbul geflogen sind, um dann die Balkanroute als leichtesten Weg nach Europa zu nehmen. Dabei ist ja Marokko nur wenige Kilometer von Europa entfernt – aber die Spanier passen halt viel besser auf als Griechenland. Daher entschließen sich mutmaßliche marokkanische Terroristen lieber den Riesenumweg auch über Österreich zu machen. Überall haben sich auf dieser Route inzwischen Spuren gezeigt. Nur nicht in Österreich. Nichts sehen, nichts hören, nichts tun, und schon gar nichts denken.
In Österreich hat die Exekutive blamabel versagt.
Vollständiger Beitrag erschienen auf andreas-unterberger.at
Kommentare zum Artikel
Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.
Keine Kommentare