Talk-Rezension (Folge 8): Anne Will und der Maut-Krampf

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Auch nach über 40 Jahren Arbeit in den Niederungen der deutschen Politikabgründe werde ich nie verstehen, warum es in Deutschland immer wieder gelingt, eine eher einfache nüchterne Gegebenheit in eine tiefgründige Prinzipienreiterei zu verwandeln. Anne Wills Talkshow „Streitfall Maut – zahlen am Ende auch die deutschen Autofahrer?“ (Sendung vom 13. 11. 2013) war dafür ein klassisches Beispiel. Diese Sendung zeigte auch wieder: Talkshows dienen nicht der Information, sondern schaffen noch mehr Verwirrung.

Anne Will hat ja versucht, durch kritische Fragen und einige in Filmen aufbereitete Fakten Sachlichkeit in das undurchsichtige Gezerre der Koalitionsverhandlungen um und über die Maut zu bringen, aber dafür hatte sie die falschen Gesprächspartner eingeladen. Verkehrsminister Peter Ramsauer verteidigte natürlich die Pläne der CSU, mit dürftigen Begründungen. Also nur eine Maut einzuführen, um die Gerechtigkeitslücke zu schließen, die sich auftut, weil Ausländer bei uns nichts zahlen, wohl aber die Deutschen im Ausland, riecht doch arg nach Populismus.

Der bayerische SPD-Landesvorsitzende Florian Pronold war natürlich gegen alles was Ramsauer sagte. Das Ergebnis: ein ziemlich unlogisches „Hauptsache dagegen“ Gestammel. Er wurde allerdings noch überboten von ADAC-Präsident Peter Meyer, der die Rolle eines bonierten Lobbyisten spielte, wobei nicht klar wurde, wen er eigentlich vertritt. Und schließlich saß da noch Eva Lichtenberger, eine „Grüne“, Abgeordnete im Europaparlament aus Österreich. Und so kam es, dass in der Sendung viel über unseren kleinen Alpennachbarn und dessen Mautstruktur geredet wurde. Von Staaten mit einer vergleichbaren Größe wie die Bundesrepublik, also Frankreich, Italien oder Spanien, war noch nicht mal in Nebensätzen die Rede.

Die Ausgangslage in Deutschland ist weitgehend unumstritten: Die Einnahmen des Staates aus Steuern, die der Autofahrer bezahlt, betragen circa 53 Milliarden Euro. Darin nicht enthalten ist die Versicherungssteuer, die auch noch einmal etwa 11 Euro Milliarden bringt. Zurück in den Straßenbau und Unterhaltung fließen etwa 19 Milliarden Euro – darin sind rund 1,5 Milliarden Euro für die Autobahnen vorgesehen. Dadurch ist nicht nur der Neu- und Ausbau von Autobahnen weitgehend zum erliegen gekommen, sondern das bestehende Netz wurde auf Verschleiß gefahren.

Zweite Feststellung: Mit der Maut für Lastwagen ab 12 Tonnen sollten zusätzliche Mittel von den Nutzern des Straßennetzes erzielt werden. Aber dieses Versprechen wurde nicht gehalten. 3,45 Milliarden Euro, werden 2013 eingenommen. Die gehen jetzt voll in den Fernstraßenverkehr – aber dafür hat der Bund seinen Etat von 4,65 Milliarden Euro im Jahre 2003 auf die mickrigen 1,43 Milliarden für 2013 gekürzt. Fazit: Mit solch dreisten Taschenspielertricks zerstört die Regierung das Restvertrauen. Mit Recht befürchten die Deutschen, dass jede weitere Belastung des Autofahrers wieder nicht dem Straßenbau zugutekommt.

Einig sind sich alle Parteien darin, dass mehr Mittel für die Hauptadern des Verkehrsnetzes, aufgewendet werden müssen. Und damit ist auch schon Schluss mit der Gemeinsamkeit der Verantwortlichen und Betroffenen.

Die Rolle des hoffnungslos naiven Trotzkopfes in der Sendung spielte ADAC-Präsident Peter Meyer: Er will, dass endlich der Bund mehrere Milliarden aus den Steuereinnahmen durch Autofahrer für den Straßenbau überweist. Er erinnerte daran, dass die Mineralölsteuer einst eingeführt wurde, um mit diesem Geld den Straßenbau zu finanzieren. Er übersieht aber völlig, dass es in Deutschland keine zweckgebundenen Steuern geben darf – neue Steuern oder Steuererhöhungen aber meistens mit einer Lüge oder ideologischem Dreh durchgepaukt werden. Erinnern wir uns doch an die Energiesteuererhöhung für die Rente und die Anhebung der Zigarettensteuer für die Gesundheitskosten. Alles verlogen. Aber der ADAC – Meyer glaubt wirklich daran, dass es einmal einen Finanzminister geben wird, der bei dieser unserer Kassenlage freiwillig auf die Einnahmen aus dem Straßenverkehr verzichten würde. Aber da Meyer nicht auf seine Illusionen verzichten wird, fällt er für eine Lösung des Problems der Unterfinanzierung aus. Das wurde in der Sendung sehr deutlich.

Florian Pronold arbeitete als Bankkaufmann in der Sparkasse Deggendorf, einem sympathischen Städtchen in Niederbayern, bevor er den trostlosen Job eines bayerischen SPD-Vorsitzenden übernahm. Dass Geld fehlt, hat er auch schon gemerkt. Auch weiß er, dass kein Finanzminister des Bundes, ob CDU- oder SPD- Mitglied die notwendigen Summen – es wird die Zahl von 7,2 Milliarden Euro jährlich genannt – herausrücken wird. Selbst die von der SPD geplanten Steuererhöhungen für Besserverdienende würden nicht ausreichen, weil diese schon für andere Sozialprogramme verplant werden. Pronold möchte die Kleinlastwagen ab 3,5 Tonnen mit Maut belegen und die bestehende LKW Maut erhöhen und so die Mittel zusammenkratzen. Da mag es auch noch Reserven geben, die angezapft werden können. Aber auf die Frage von Ramsauer, warum er auf 800 Millionen Euro verzichten wolle, die durch die CSU – Maut von nicht in Deutschland zugelassenen Autos aufgebracht werden sollen, versteifte er sich auf die Aussage: Die Erhebung wird etwa soviel Kosten, wie die Ausländer bezahlen müssen.

Hier fehlte der Verkehrswissenschaftler in der Sendung: Weder Ramsauers 800 Millionen Euro pro Jahr Mehreinnahmen konnten vorgerechnet werden, noch Pronolds Abwertung der Summe auf praktisch Null. Natürlich kommt es darauf an, wie die Maut gestaltet wird. Die Gefahr, dass ein großer Teil in Bürokratiekosten versenkt wird, ist sicher gegeben. Aber das trifft auch auf die bestehende Kraftfahrzeugsteuer zu und trotzdem wird sie nicht abgeschafft. Die Gefahr dass eine Erhöhung der Lkw-Maut und eine Ausdehnung auf kleinere Lastwagen auch wieder zum größten Teil in den unendlichen Taschen des Finanzministers versinken, kann auch Florian Pronold nicht ausschließen. Also muss eine andere Lösung her: Über die aber wurde in der Sendung überhaupt nicht diskutiert.

Das entscheidende wird sein, ob in Zukunft die Mittel, die für das Straßennetz nötig sind, dem Finanzminister und dem Haushaltsausschuss des Bundes entzogen werden. Steuern fließen immer in die unendlich tiefen Taschen des Staates. Gebühren aber werden zweckgebunden erhoben und blieben damit für die Straße erhalten. In der Sendung machte die Österreicherin Lichtenberger auf die Asfinag hin, die österreichische Autobahngesellschaft, die die Gebühren einnimmt und auch ausgibt. Was Ramsauer mit seinen 800 Millionen Euro und die Gebühren der schon bestehenden LKW-Maut retten will, erwähnte er nicht – und wurde auch nicht danach gefragt.

Die Sendung blieb im klein – klein der politischen Akteure hängen: Also: Kann sich der Seehofer durchsetzen oder lässt ihn die Kanzlerin auflaufen. Dieser politische Hahn-Huhnkampf beseitigt kein einziges Schlagloch. In ihrer kryptischen Art hat die Kanzlerin ja gesagt: Mit mir wird es keine Maut geben, die aber wenn, dann nicht wenn, oder so, nicht so für Deutsche gar nicht oder so… Deshalb war mit das Beste an der Sendung, als Anne Will die österreichische Hauptschullehrerin Eva Lichtenberger fragte: Haben sie verstanden was die Kanzlerin gesagt hat? – und diese zugeben musste, dass sie den Inhalt und die Semantik der Sätze nicht erklären kann.

Die Österreicherin Eva Lichtenberger spielte eine Hauptrolle in der Sendung über die deutsche Maut. Warum nur? Weil sie Österreicherin ist und ihr Heimatland kräftig Freund und Feind auf den Straßen abkassiert? Weil sie in Österreich für eine Maut ist? Weil sie für die Grünen erst in Tirol, dann in Österreich und jetzt in Brüssel im Parlament sitzt? Weil sie Fraktionssprecherin der Europagrünen für Verkehrspolitik ist? Die letzte Funktion könnte ihre Einladung rechtfertigen. Schließlich muss der bayerische Mautplan von Brüssel genehmigt werden und da hilft es nicht, zu sagen: Wir wollen die Gerechtigkeitslücke schließen und die Ausländer zur Kasse bitten.

So diskutierten der Peter aus Oberbayern und die Eva aus Tirol, was Brüssel wohl meinen könnte, und was Brüssel bisher gesagt hat und wie es ging und wie es nicht geht. Und da die Beiden völlig unterschiedliche Interpretationen des EU-Rechtes vortrugen, war der Zuschauer hinterher so schlau wie vorher. Ramsauer hatte den Vorteil, dass er immer wieder darstellte, dass er mit der EU-Kommission, mit dem dafür zuständigen Kommissar Siim Kallas und den Beamten gesprochen habe und bot seine Notizen an, die er in seiner Jackentasche mit sich führte – Frau Lichtenberger aber betonte, dass alles ganz anders sei.

Da die Sendung nicht weiterhalf, versuche ich es mit ein paar Tatsachen: Außer den vier Nachbarn, Luxemburg, Belgien, den Niederlanden und Dänemark erheben alle Staaten Mautgebühren, ob sie nun in der EU sind oder nicht. (Schweiz). Es muss also Möglichkeiten geben, eine Maut zu erheben? – Logisch? Nächste Frage: Warum sollen ausgerechnet wir Deutschen so blöd sein, diese Möglichkeit nicht auch zu finden? Soweit können Sie mir sicher folgen. Warum aber soll diese Maut nicht so gestaltet werden, dass wirklich genug Geld da ist, um unsere Straßen in einem ordentlichen Zustand zu erhalten und dringend notwendige Aus- und Neubauten zu finanzieren? Ich versuche eine Antwort! – weil wir in Deutschland die Maut neu erfinden wollen! Weil wir zwar mehr Geld brauchen, aber es selbst nicht bezahlen wollen. Ja, es wäre schön, wenn alle Nutzer unserer Autobahnen mitbezahlen. Aber, lieber Herr Ramsauer, auch die von Ihnen versprochenen 800 Millionen Euro reichen nicht.

Statt über die Gebühren zu reden, die Franzosen, Italiener, Spanier und fast alle anderen Staaten dieser Welt erheben, nämlich kilometer– und nutzungsabhängig, wurde nur über die österreichische Lösung diskutiert: die Mautplakette. Das Pickerl. Sie kostet in der Alpenrepublik 82,70 Euro im Jahr, einem Land etwa so groß wie Bayern. Für die unvergleichbare größere Bundesrepublik sind 100 Euro angedacht. Das ist lächerlich. Das kommt davon, wenn alles Mögliche versprochen wird, was angeblich nichts kostet. Die Österreicher kassieren aber nicht nur für das Pickerl, das für die Durchfahrt nötig ist und aus europarechtlichen Gründen auch gestaffelt, je nach Länge der Zeit angeboten wird. Zusätzlich muss gezahlt werden, sobald ein langer Tunnel oder ein Alpenpass auftaucht. So kommen einmal über den Brenner oder die Tauern für die rund 200 Kilometer schnell 34 Euro hin und zurück zusammen. Das ist immer noch preiswert: Saarbrücken – Paris und zurück kostet rund 100.- Euro, das sind weniger Kilometer als die Entfernung Frankfurt- Berlin.

Außer über Österreich wurde auch noch das Beispiel Slowenien angesprochen. Das Land ist noch kleiner und sehr viel ärmer als Deutschland. Dort sind die Gebühren noch höher als in Österreich. 95 Euro wollen die Slowenen pro Jahr. Damit sind sie wiederum preiswerter als Ungarn: Die verlangen 158,30 Euro. Und in all diesen Staaten ist das Benzin mittlerweile gleich teuer oder sogar noch teurer als bei uns. Apropos Ungarn: An der Grenze wird ihr Auto registriert, sie zahlen ihre Maut ohne Pickerl und damit kann jeder Polizist mit seinem elektronischen Messgerät im Vorbeifahren kontrollieren, ob Sie gezahlt haben oder nicht. Das gilt auch für die Überwachung aller mautpflichtigen Straßen. Fortschrittliches Ungarn. Das gleiche System nutzen die Rumänen. Die Dänen, die „nur“ für ihre Brücken saftige Gebühren verlangen, schröpfen die Autofahrer über Steuern, die bei uns zum Aufstand führen würden und ähnlich hoch nur noch in Griechenland erhoben werden.

Fazit: Nirgendwo außer in Luxemburg ist Autofahren so billig wie bei uns und dafür haben wir auch die verrottesten Brücken und Straßen.

Wir werden mehr Geld für unsere Straßen ausgeben müssen, wollen wir sie erhalten und ausbauen. Aber wir werden auch zahlen, wenn wir sie weiter verrotten lassen. Schon heute wird der wirtschaftliche Schaden den die Staus verursachen auf 100 Milliarden Euro geschätzt, die die Wirtschaft aufbringen muss, die den Pendler Zeit kosten, die Urlaubsreise verteuern. Der CSU – Vorstoß ist viel zu halbherzig, senkt die Verkehrsprobleme auf Stammtischniveau, für das unter anderem der ADAC zuständig ist, und wird dennoch von der Opposition und der Kanzlerin unzumutbar für den Autofahrer dargestellt. Das ist peinlich!

Zum Abschluss wurde noch die politisch korrekte obligatorische Anpreisung des Schienenverkehrs diskutiert. Eva Lichtenberger schilderte die Situation am Brennerpass, wo sie groß wurde. Die LKWs donnerten wenige Meter an ihrem Haus vorbei und das Leben war unerträglich. Durch eine massive Erhöhung der Lkw-Maut könnten die Deutschen dazu beitragen, dass mehr Güterverkehr von der Straße auf die Schiene verlagert würde, was ja auch umweltfreundlicher sei. Liebe Frau Lichtenberger, ich lade Sie gerne einmal ein, ein paar Tage im Weltkulturerbe „Mittleres Rheintal“ Urlaub zu machen. Dort können Sie dann erfahren, wie es ist, wenn 24 Stunden Züge mit bis zu 110 Dezibel (startender Militärjet) im 5 Minutentakt ihre Gesundheit zu ruinieren. Dann wissen Sie was die Verlagerung des Güterverkehrs bedeutet. Übrigens: Die Deutsche Bahn AG erhält über 20 Milliarden Euro Subventionen pro Jahr. Dafür könnten wir uns Delux – Autobahnen leisten – mit Lärmschutzanlagen und Wildbrücken – die Schweiz macht uns das vor. Aber das erfuhr der Zuschauer in der Sendung auch nicht.

Beitrag erschien zuerst auf: achgut.com 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Gerd

Ich bin nicht der Ansicht, daß wir mehr Geld für unsere Straßen ausgeben müssen. Es würde völlig genügen, Kfz- oder Mineralölsteuer in eine Abgabe umzuwandeln; diese wäre dann tatsächlich zweckgebunden. Wir könnten dann alle Verkehrswege, von den Autobahnen bis hinunter zu den Feldwegen, mit Blattgold belegen. Problem: Man bedient sich aus diesen Kassen, um ganz andere Aufgaben zu erfüllen.

Wenn Günter Ederer also meint, wir müssen mehr für unsere Straßen ausgeben, dann ist das eine politkorrekte Lüge und er weiß es genau. Wir erleben am Zustand unserer Straßen nur, daß unser Geld überall versickert und längst nicht mehr dort ankommt, wo wir es brauchen. So wird das Geld aus o.g. Steuern in Afghanistan verbraten oder ebenso sinnlos für "Integration" verpulvert, es landet in den Töpfen der EUdSSR oder wird (etwa in Form von U-Booten) an Israel verschenkt.

Joschka Fischer drückt das wie folgt aus:

"Deutschland ist ein Problem, weil die Deutschen fleißiger, disziplinierter und begabter als der Rest Europas (und der Welt) sind. Das wird immer wieder zu ‘Ungleichgewichten’ führen. Dem kann aber gegengesteuert werden, indem so viel Geld wie nur möglich aus Deutschland herausgeleitet wird. Es ist vollkommen egal wofür, es kann auch radikal verschwendet werden — Hauptsache, die Deutschen haben es nicht. Schon ist die Welt gerettet."

Bei all diesen Ausgaben reichen die Steuereinnahmen natürlich irgendwann nicht mehr und so gilt es "alternativlose Notwendigkeiten" zu erfinden, um sich neue Geldquellen zu erschließen. Und genau das ist die Maut.

Das Ganze erinnert an das Finale von "Stirb langsam 4", als sich Bruce Willis selbst in die Schulter schießt, um den Mann hinter sich zu treffen. Wer glaubt: "Wir zahlen bei denen, also sollen die bei uns zahlen.", der sollte nicht vergessen, daß er es am Ende selber ist, der zahlt, bis ihm schwarz vor Augen wird.

Sparen wäre angesagt und o.g. Ausgaben streichen - aber das, das will kein "BRD"-Olligarch...

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