Synodale Kirche: Hören heißt nicht gehorchen

Die Ansprache des Papstes wird allenthalben als „historisch“ betrachtet. Das kann einen skeptisch machen. Es geht nicht um Gehorchen, sondern ums Hören: Der Papst hört auf das, was die Bischöfe sagen, und umgekehrt.

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Ach Du Schreck, der Papst demokratisiert die Kirche! Zukünftig haben die Bischofskonferenzen und die Bischöfe das Wort, und die holen sich ihre Aufträge von den Menschen ab. Damit ist endlich, endlich erreicht, was alle (also aller außerhalb der Kirche, und nicht wenige innerhalb) seit langem fordern: Das Volk Gottes (also das lebende, mindestens mal die in der Kirche als Institution versammelten) bestimmt, welchen Kurs das kleine Schifflein Kirche nimmt.

Hat er doch gesagt, der Papst, in seiner Ansprache zum 50. jährigen Bestehen der Bischofssynode. Oder etwa nicht? Manche stellen die obige Hypothese freudig, andere wütend bis angstvoll in den Raum … und jeder wohl mit seiner eigenen Agenda: Die einen wollen die Kirche in eben diese Richtung bewegen, die anderen haben immer schon gewusst, dass Papst Franziskus die katholische Kirche in wenigen Jahren vor die Wand fahren wird. Und beide haben Unrecht! Was man vergleichsweise leicht erkennen kann, wenn man die Rede mal im Detail durchgeht.

Da ist das schöne Wort von der „Kirche des Hörens“. Was hat der Papst dazu gesagt? (Zitate hier wie im folgenden von Zenit)

Eine synodale Kirche ist eine Kirche des Hörens, im Bewusstsein, dass auf etwas Hören mehr ist als bloßes Hören. Es ist ein wechselseitiges Hören bei dem jeder etwas zu lernen hat. Das gläubige Gottesvolk, das Kollegium der Bischöfe, der Bischof von Rom: der eine hört auf den anderen, und gemeinsam hören sie auf den Heiligen Geist, den Geist der Wahrheit (Joh 14,17), um das zu erkennen, was Er seinen Kirchen sagt (Apg 2,7).

Die Bischofssynode ist der Punkt, an dem diese Dynamik des Hörens auf allen Ebenen des Lebens der Kirche zusammen laufen. Der synodale Weg beginnt hörend auf das Volk, dass an der prophetischen Sendung Christi teilhat (LG 13); nach einem guten Prinzip der Kirche des ersten Jahrtausends: „Quod omnes tangit ab omnibus tractari debet“ [Was alle angeht muss von allen besprochen werden]. Der Weg der Synode geht weiter im Hören auf die Hirten. Über die Synodenväter handeln die Bischöfe als echte Wahrer, Vermittler und Zeugen des Glaubens der Ganzen Kirche, den sie unterscheiden können müssen von den vielen Strömungen der öffentlichen Meinung. Am Vorabend der Synode im vergangenen Jahr habe ich das folgendermaßen betont: „Vom Heiligen Geist erbitten wir für die Synodenväter vor allem die Gabe des Hörens: des Hörens auf Gott, so dass wir mit Ihm den Schrei des Volkes hören; des Hörens auf das Volk, so dass wir dort den Willen wahrnehmen, zu dem Gott uns ruft“ (Petersplatz, 4. Okt 2014).

Schließlich gipfelt der synodale Weg im Hören auf den Bischof von Rom, der gerufen ist als „Hirte und Lehrer aller Christen“ zu sprechen (1. Vat. Konzil, Pastor Aeternus; CIC 749 §1): nicht bei seinen persönlichen Überzeugungen beginnend, sondern als oberster Zeuge des fides totius Ecclesiae ist er Garant des Gehorsams und der Übereinstimmung der Kirche mit dem Willen Gottes, dem Evangelium Christi und der Tradition der Kirche (Ansprache Abschluss der Synode 2014, 18. Oktober).

Vielleicht bin ich ja da altmodisch, aber sprachlich geht es hier nicht um ein Gehorchen, sondern um ein Hören: Der Papst – als Oberhaupt der Kirche, wie er selbst sagt an der umgekehrten Spitze der Pyramide stehend – hört auf das, was die Bischöfe sagen, und die hören auf das, was die Priester, was die Gemeinden, was die Menschen sagen. Zurecht hat der Papst gefordert, das Kirchenvolk und die Familien hinsichtlich ihrer Wahrnehmung der kirchlichen Lehre zur Familie zu befragen („Wie wäre es möglich, über die Familie zu sprechen ohne Familien zu Rate zu ziehen, ohne auf ihre Freuden und Hoffnungen zu hören, ihr Leiden und ihre Ängste? (vgl Gaudium et Spes, 1)“). Die Wertungen aus allen möglichen kirchlichen Ebenen zu hören, und daraus Schlüsse für die Pastoral zu ziehen, kann nicht falsch sein. Die Schlüsse selbst können es sein, aber von denen hat der Papst gar nicht gesprochen.

Heißt das aber dann, dass der Papst auf die Bischöfe zu hören habe? Im Gegensatz zu den Protestanten ist die Synode in der katholischen Kirche ja nur ein Beratungsgremium, von dessen Vorschlägen der Papst auch abweichen kann. Auch hierzu ein Abschnitt der Ansprache des Papstes:

Die Tatsache, dass die Synode immer cum Petro et sub Petro handelt, also nicht nur mit dem Papst, sondern auch unter dem Papst, ist keine Beschränkung ihrer Freiheit, sondern eine Garantie der Einheit. Tatsächlich ist der Papst dank dem Willen des Herrn „das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen“ (LG 23, vgl. 1. Vat. Konzil Pastor Aeternus). Damit verbindet sich das Konzept der „hierarchischen Communio“, welche vom Zweiten Vatikanischen Konzil angewandt wurde: die Bischöfe sind verbunden mit dem Bischof von Rom durch das Band der bischöflichen Gemeinschaft (cum Petro) und sind zur gleichen Zeit hierarchisch ihm als Haupt des Kollegiums untergeordnet (sub Petro) (LG 22, Christus Dominus, 4).

Das klingt für mich ganz und gar nicht wie eine reine Unterordnung des Papstes als Diener, der sich dem Willen der Bischöfe zu fügen habe. Es geht im Gegenteil darum, das Urteil des Papstes nicht nur auf seine persönlichen und damit eingeschränkten Erfahrungen basieren zu lassen, sondern ihm die Sorgen und Nöte, die Herausforderungen aus allen Ecken der Welt erfahrbar zu machen. Es geht dann insbesonder nicht darum, eigenmächtig oder gar als demokratischen Prozess regional die Kirchenlehre anzupassen, sondern die Pastoral so zu gestalten, dass die Lehre wirksam werden kann. Es ist eben nicht damit getan, die Wahrheit zu sagen, man muss auch dafür sorgen, dass sie bei den Menschen ankommt.

In dieser Hinsicht – und die Abgrenzung ist wichtig – sieht eine Pastoral in Asien anders aus als in Afrika und dort anders als in Europa und Südamerika. Die Unterscheidung liegt nur darin, was Pastoral ist und was Kirchenlehre – was kann regional organisiert werden, was ist Wahrheit, die nicht einfach auf dem Altar der Moderne geopfert werden kann? Oder konkreter: Ist die Eucharistie für wiederverheiratete Geschiedene eine Frage der Pastoral, abhängig von den regionalen Gepflogenheiten zu beantworten, oder liegt dahinter die Sakramentenlehre von Ehe, Buße und Eucharistie, die man nicht einfach an die scheinbar führende Realität anpassen kann? Bislang habe ich für die erstere Interpretation noch keine stichhaltigen Argumente gehört, vielleicht bin ich theologisch auch nicht gebildet genug, sie selbst zu sehen. Mir scheint eher, dass diese von den deutschen Bischöfen Marx und Bode anscheinend präferierte Sicht die innere Logik von Sakramenten und Kirchenlehre aushöhlt.

Darin besteht allerdings auch die Gefahr der Botschaft, die der Papst aussendet: Möglicherweise erklärt man der Einfachheit halber alle kritischen Fragen zur Pastoral und muss sich zukünftig nicht mehr als „Filiale Roms“ an das halten, was Bibel, Tradition, Lehramt und Papst vorgeben. Ich möchte nicht unken, aber die Gefahr, dass man seitens der deutschen Kirchenfunktionäre nun all die Themen umsetzen möchte, die man seit Jahren propagiert, und bei der sich die kleiner werdende Zahl lehramtstreuer Katholiken bislang auf Rom berufen konnte, wird dadurch virulent. Gelöst ist mit dem Postulat der Synodalität auch noch nicht die Frage, wer denn überhaupt alles zu befragen wäre. Sicher machen sich das Zentralkomitee der deutschen Katholiken und andere Lobbygruppen wieder startklar, um im Brustton der Überzeugung zu verkünden „Wir sind Kirche!“

Die Ansprache des Papstes wird allenthalben als „historisch“ betrachtet. Das kann einen skeptisch machen. Der Bloggerkollege Josef Bordat hat in einem Beitrag bereits deutlich gemacht, warum eine „Synodale Kirche“ historisch gesehen eigentlich keine besondere Neuerung darstellt. Es kommt allerdings ganz darauf an, was man darunter versteht. Ich kann dem Papst in seinen Worten, seiner Propagierung des Hinhörens auf die Gläubigen durchaus folgen. Die Stimmen, die meinen, man müsse nicht nur auf die Gläubigen (und deren selbsternannte Vertreter) hören sondern ihnen auch gehorchen, werden aber in den kommenden Wochen und Monaten lauter werden, gerade im Nachgang zur Familiensynode. Da ist Standfestigkeit gefragt – und sicher auch das eine oder andere klärende Wort des Papstes.

Zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de

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