Suchen und gefunden werden

Es gibt Evangeliumsstellen, die sind so bekannt, dass einem bestimmte Formulierungen gar nicht mehr auffallen.

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Nehmen wir das Evangelium vom vergangenen Sonntag – Kirchenbesucher werden sich vermutlich alleine schon deshalb daran erinnern, weil sie schon im Begriff waren, sich zur Predigt zu setzen, als es noch weiter ging – wenn es vollständig vorgetragen wurde, beinhaltete das Evangelium die 32 Verse des 15. Kapitels des Lukasevangeliums, das sind die die Gleichnisse vom verlorenen Schaf und von der verlorenen Drachme und das Gleichnis vom verlorenen Sohn.

Wer’s nicht kennt, kann das hier nachlesen. Grober Inhalt ist aber, dass sich die Pharisäer und Schriftgelehrten mal wieder über Jesus echauffieren, weil er sich mit Sündern sehen lässt(„Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen“). Und die Moral der Geschichte liefert bei den ersten beiden Gleichnissen Jesus gleich mit:

Ich sage euch: Ebenso wird auch im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren. […]

Ich sage euch: Ebenso herrscht auch bei den Engeln Gottes Freude über einen einzigen Sünder, der umkehrt.

Es geht also um Umkehr, und es ist ein ermutigendes Zeugnis für alle, die sich darüber im Klaren sind, dass ihr Leben nicht ganz dem entspricht, was man Heiligkeit nennt, die immer wieder auf Abwege geraten und die trotzdem darauf hoffen, umkehren zu können und das Gott sie annimmt.

Im dritten Gleichnis geht es um den Sohn, der sich von seinem Vater seinen Erbteil auszahlen lässt, dieses Vermögen verprasst und reumütig zu seinem Vater zurückkehrt, der ihn mit offenen Armen aufnimmt und die begründet mit den Worten:

Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden.

Diese Geschichte ist wohl die schönste Beschreibung, die es von Gott als unser aller Vater gibt, der nichts weiter von uns erwartet, als das wir uns ihm zuwenden. Er hilft uns dann auf, er nimmt uns ohne weiteres als Söhne an – einzig zu ihm kommen müssen wir, sei es in der Beichte oder überhaupt indem wir uns nach Jahren der Gottferne wieder Gott zuwenden (letzteres entspricht meinem eigenen Lebenslauf, weshalb ich dieses Gleichnis vielleicht auch so mag).

Aber was mich gestern kalt erwischte war eine zusätzliche Erkenntnis, die so eigentlich kaum in das Gleichnis passt. Der Vater sagt nämlich nicht, „mein Sohn war verloren und ist umgekehrt“ sondern „er war verloren und ist wiedergefunden worden“. Wiedergefunden worden – Passiv! Natürlich, das passt so auch zu den beiden ersten Gleichnissen, in denen das Schaf gesucht und gefunden wird bzw. die Münze gesucht und gefunden wird. Dabei ging es aber letztlich nur um die Freude um das wieder aufgefundene Schaf bzw. die wieder aufgefundene Münze. Jetzt aber wird es noch deutlicher, was sich in den ersten Gleichnissen schon andeutete: Schaf und Münze wie der Sohn gingen verloren und sind „wiedergefunden worden“ – noch mal: Passiv!

Was damit anfangen? Habe ich selbst gar keinen Einfluss auf meine Umkehr? Kann ich mich einfach darauf verlassen, dass Gott mich schon „allein aus Gnade“ finden wird und ich „umgekehrt werde“? Ich glaube, die Botschaft liegt an einer anderen Stelle: Gott sucht uns, besorgt wie der Hirt sein verlorenes Schaf sucht, ausdauernd wie die Frau für die Münze das Haus auf den Kopf stellt und liebevoll wie der Vater auf seinen Sohn wartet (und ihm schon von weitem entgegenläuft). Es ist einer da, der uns sucht, und was wir tun müssen ist, uns finden zu lassen. Je näher wir Gott sind, umso größer wird unsere Sehnsucht und wir lassen uns nicht einfach nur finden, sondern wir machen uns selbst auf die Suche nach ihm – und er wird uns entgegenlaufen!

Gott ruft uns, er sucht nach uns, nach einem Weg, dass wir „Ja“ zu ihm sagen können. Er zwingt uns dagegen zu nichts, er packt uns nicht in der Fremde und führt uns mit Gewalt nach Hause; aber wenn wir uns ihm nähern, stellen wir fest, dass er den Horizont nach uns absucht.

Wir werden gesucht, auch wenn wir es nicht wissen oder nicht wahrhaben wollen: Wir sollten uns nur nicht vor ihm verstecken, dann wird er uns auch finden – und wir ihn! Aber er sucht immer zuerst, sucht uns schon, wenn wir noch glauben, ihn nicht nötig zu haben. Denn das macht die Liebe Gottes aus: er, der uns geschaffen hat, möchte uns bei sich haben – in aller Freiheit und Liebe. Am Ende können wir dann hoffentlich auch von uns sagen, dass wir – selbst wenn wir verloren waren – gesucht haben und „wiedergefunden wurden“!

Beitrag erschien zuerst auf: papsttreuer.blog.de 

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