Steuersenkungen: Die Schiffe der Konquistadoren

Der spanische Eroberer Hernán Cortés setzte alles auf eine Karte. Er ließ seine Schiffe verbrennen, so dass es kein Zurück mehr gab. Nur so konnte er seine Mannschaft dazu bewegen, die gefährliche Eroberung des Aztekenreiches in Angriff zu nehmen. Aus demselben Grund sind Steuersenkungen auch dann sinnvoll, wenn sie nicht sofort gegenfinanziert werden. Nur die drastische Beschneidung der Einnahmen erzeugt den Druck, um endlich auch an die Ausgaben heran zu gehen.

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Die neue Koalition hat sich darauf geeinigt, Steuern zu senken und den Abbau der Schulden auf später zu vertagen. Sie hätte es auch umgekehrt machen können. Sie hätte Schulden abbauen können und die Steuern erhöhen. Die erste Variante ist nicht die beste, aber auch nicht die schlechteste Möglichkeit. Die Bürger nicht zu entlasten, wäre politisch und wirtschaftlich schlimmer gewesen.

Bei einem Urteil über die Politik sollte man stets das Folgende bedenken: Die rationalste Lösung ist in einer Demokratie nicht immer umsetzbar. Politik hat ihre eigene Logik. Der optimale Weg wäre gewesen, Steuern zu senken, die Neuverschuldung abzubauen und die Ausgaben drastisch zu beschneiden. Zu diesem Zeitpunkt ist aber eine drastische Einschränkung der Ausgaben offenbar politisch nicht durchzusetzen.

Man erreicht aber dasselbe über einen Umweg. Man senkt die Steuern und lässt die Ausgaben erst einmal auf dem alten Niveau. Also erhöht sich die Staatsverschuldung. Das ist schlecht. Die steigende Zinslast führt aber dann zu einem extremen Druck auf die Politik und das ist gut. Wenn Steuern erst einmal gesenkt worden sind, ist es politisch schwer durchsetzbar, sie wieder auf den alten Stand anzuheben. Also ist die Politik gezwungen an die Ausgaben heran zu gehen. Ohne diesen Druck würde sie sich das niemals trauen.

Unter Druck sind dann politische Entscheidungen durchsetzbar, die sonst nicht durchsetzbar wären, nämlich die drastische Beschneidung der Ausgaben. Nur die Beschneidung führt zu einer strukturellen Verbesserung der Finanzlage. Die Erhöhung der Abgaben führt hingegen lediglich dazu, dass die hohen Ausgaben politisch verträglich finanziert werden  - auf Kosten der Bürger. Das hieße aber, die Mittelschicht auszudünnen.

Es ist immer noch besser, dass die Bürger frei und wohlhabend sind und der Staat arm, als dass der Staat reich ist und die Bürger arm und unfrei.

Steuersenkungen haben den Nebeneffekt, dass sie die Politik dauerhaft disziplinieren und von ideologischen Experimenten abhalten. Dass Bill Clinton, nach der Regierungsübernahme eine so vernünftige Finanzpolitik gemacht hat, lag vor allem daran, dass Ronald Reagan durch seine Steuersenkungen den Weg für teure, ideologisch motivierte Ausgabenprogramme versperrt hatte. Dasselbe Phänomen konnte man in Berlin unter dem rot-roten Senat beobachten. Ideologische Politik setzt immer das Vorhandensein finanzieller Mittel voraus. Sind diese Mittel sehr knapp, bleiben die Bürger davor verschont.

Deshalb mein Fazit: Steuersenkungen ohne Gegenfinanzierung sind nicht die beste aber die zweitbeste Lösung.

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Gladstone

Freigeist: Lesen Sie einmal die Studie der deutschen Bundesbank über die Investitionen. Die Investitionen wurden vor allem deshalb zurückgefahren, weil die Sozialausgaben ständig ausgeweitet wurden.

Gravatar: Freigeist

Hallo,
in USA wurde die Infrastruktur kaputtgespart, schon vergessen? Das Sparen wurde mit Steuersenkungen entschuldigt. Diese Politik war ein großer Fehler.
Grüße
Freigeist

Gravatar: Insider

Kompliment Herr Bökenkamp für Ihren Artikel. Trotzdem erlaube ich mir, etwas dazu zu schreiben, denn mit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes 1949 war die Ära, der Staat in Gestalt der staatlichen Gewalt einschließlich der Politik kann und darf alles machen, endgültig vorbei. Was geht und was nicht geht, hat sich im engen Rahmen des Grundgesetzes abzuspielen, nur will davon in erster Linie die Politik nichts wissen. Dieses Ignorieren des Grundgesetzes hat schlimme Auswirkungen, denn die drei Gewalten schauen sehr genau hin was der andere hier in Punkte Bindewirkung des GG tut oder lässt. Die Folgen kann jeder über die 60 Jahre Grundgesetz in Deutschland ablesen. Man hat das GG zu einer wieder nur Staatszielbestimmungen verkommen lassen. Der einfache Gesetzgeber macht faktisch was er will, weiß er doch, dass die Judikative es nicht rügt, ist sie doch selbst nicht an einer Bevormundung durch das Grundgesetz interessiert. Und die vollziehende Gewalt übt nun einmal gerne Gewalt gegen den Bürger aus, ihr sind die unendlichen Grundrechtseinschränkungen schließlich zu verdanken, sie ist der Ideengeber, sie verlangt unter dem Rubrum "Sicherheit" die weitreichensten Grundrechtseinschränkungen, die dann auch schnell unumkehrbar sind. Und alles wird mit dem Geld der Bürger teuer erkauft, denn um die Stimmung der Bürger nicht gegen sich kippen zu lassen, werden immer wieder Geschenke gemacht, teure Geschenke. Liest man das Buch von Götz Aly, Hitlers Volksstaat, so fallen einem die vielen Parallelen auf zu damals, als sich auf deutschem Boden die wohl größte Raubmaschine aller Zeiten entwickelte, die mit dem Fiskus an der Spitze Raubzüge ungeahnten Ausmaßes unternahm, Nutznießer war bis Kriegsende das deutsche Volk. Mit dem letzten Schuss am 08. Mai 1945 blieben jedoch nicht die Opfer übrig, sondern die große Masse der Täter, deren "Heil-Geschrei" noch heute so manchem "Tätigen" wohlklingend wohl in den Ohren dröhnt. Und es waren 4 Jahren bis zum Inkrafttreten des für diesen Personenkreis "ungewollten" Grundgesetzes, einem Befehlswerk an die drei Gewalten mit dem Ziel, dass diese Funktioner nie wieder aus dem Ruder laufen sollten können und dürfen. Alles andere nur nicht das ist geschehen und kostet heute nur noch Geld, Geld und nochmals Geld, denn die Raubzüge von damals wurden nicht etwa eingestellt, sie wurden nur gegen die Leistungsträger des eigenen Volkes gerichtet. Ohne den Zwang, dass sich alle ihren Pflichten unterwerfen, d.h., die drei Gewalten konsequent sich den Regeln des GG unterwerfen, wird sich nichts grundlegendes ändern, es wird immer einen Verschiebebahnhof geben und jeder Zug, der diesen Bahnhof in die Zukunft verlässt, kostet, kostet, kostet...

Mein bitteres Fazit lautet, Deutschland frisst sich selbst und inzwischen mit einer so wahnsinnigen Geschwindigkeit, dass an ein Stoppen oder Umkehren wohl nicht mehr zu denken ist.

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