Spritonomics

Bürger und Politiker sind sich einig, im Osterverkehr von den Tankstellen übers Ohr gehauen zu werden. Doch die sinistere Verschwörung ist nichts anderes als eine normale und notwendige Marktreaktion.

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Pünktlich vor Feiertagen und Ferien, wenn sich halb Deutschland anschickt ins Auto zu zwängen um ins Grüne zu fahren, geht das Geschrei um steigende Spritpreise wieder los. Mit sicherem Gespür für Popularitätsgewinne stimmen auch Politiker regelmäßig in dieses Wehklagen mit ein und fordern die Mäßigung der Tankstellenbesitzer, begleitet von Drohgebärden seitens der Wettbewerbshüter vom Kartellamt. Üblicherweise folgt diesem Gepolter nichts, und das ist auch gut so. Schließlich handelt es sich beim Anziehen der Spritpreise in Zeiten höherer Verkehrsintensität um ein völlig normales Phänomen, diktiert von den Gesetzen von Angebot und Nachfrage.

Es ist eine Binsenweisheit, dass ein Anstieg der Nachfrage nach einem knappen Gut wie Benzin einen Anstieg der Preise nach sich ziehen muss und zwar umso mehr, je weniger sich das Angebot an die steigende Nachfrage anpassen kann. Tankstellen und Mineralölkonzerne unterhalten ein weit verzweigtes Transportnetz zur Belieferung der Tankstellen, dessen Kapazitäten sich nicht beliebig flexibel an die jeweilige Nachfragesituation anpassen lassen. Steigt die Nachfrage nach Kraftstoffen infolge zunehmenden Ferienverkehrs sind die Tanklager eher alle und müssen häufiger neu befüllt werden als bei Normalauslastung. Ein immer wiederkehrender Produktionszyklus mit schwankendem Bedarf an Produktions- und Transportkapazitäten, der zwangsläufig höhere Kosten verursacht. Mit Hilfe eine Anpassung der Preise in Zeiten hoher Nachfrage nach oben und geringere Preise in Zeiten geringeren Bedarfs gelingt es die vorhandenen Produktions- und Distributionskapazitäten besser auszulasten und Überkapazitäten zu verhindern, wodurch mittel- bis langfristig in geringeren Investitions- und Betriebskosten realisierbar sind. Preiskontrollen würden dagegen die Attraktivität der Investition ins Tankstellennetz verschlechtern, was sich unterm Strich in einem weniger engmaschigen Tankstellennetz und weniger Wettbewerb niederschlagen würde.

Steigende Benzinpreise haben einen weiteren positiven Effekt, der nicht unterschätzt werden sollte. Steigen die Preise reduziert sich für einige Autofahrer die Attraktivität das Auto zu nutzen, weil der Nutzen eines zusätzlichen Kilometers früher durch die steigenden Kilometerkosten aufgehoben wird. Sie werden auf alternative Verkehrsträger ausweichen oder statt der Reise die Osterzeit anderweitig genießen. Das jedoch entlastet die anderen Autofahrer, deren Reisegewinn durch den Preisanstieg noch nicht kompensiert wurde, da sich dadurch die Staugefahr reduziert. Würden sich die Spritpreise nicht erhöhen, hätten die Autofahrer zwar geringere direkte Reisekosten, müssten dafür aber mehr ihrer kostbaren Zeit im Stau verbringen. Zudem sinkt mit geringer Verkehrsdichte die Unfallgefahr, der Urlaub wird also mit höherer Wahrscheinlichkeit ein echtes Ostervergnügen. Dem Autofahrer kann schlicht nichts besseres passieren, als dass sich das Verhalten der Verkehrsteilnehmer an dem verlässlichen Knappheitsindikator Preis ausrichtet. Würde der Staat in Zeiten hoher Verkehrsnachfrage auf niedrigere Spritpreise drängen und die Autofahrer sich deshalb wie immer verhalten, bliebe ihnen nichts anderes übrig als noch länger als sonst im Stau zu stehen oder im Ernstfall Schaden für Blech oder Gesundheit zu erleiden.

Bürger und Politiker wären besser beraten, sich vor dem Wehklagen über unliebsame Preisänderungen mit ökonomischen Grundprinzipien auseinander zu setzen. Das schont bei den einen die Nerven sowie die Gesundheit und bewahrt den anderen die Glaubwürdigkeit. Auch hier gilt: Erst den Kopf einschalten, dann den Motor starten!

Dieser Beitrag erschien auch auf "Denken für die Freiheit", dem Weblog des Liberalen Instituts der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Erwin Müller

Dann wälzen Sie doch mal die englischen Spritpreislisten. Ich weiß aus eigener Erfahrung aus England (lange dort gewesen), dass der Benzinpreis auch mal mehrere Wochen unverändert bleiben kann - nicht nur einige Stunden wie hierzulande. Und danach bewegt er sich um 1-3 Pence, nicht 6-8 Cent.
In der Schweiz kann man ähnliches erleben. Oder in Luxemburg...
Selbst in den USA (auch dort war ich oft und lange) gibt es kein dermaßen abartiges rauf und runter wie hier.

Wie ist da überhaupt noch eine seriöse Preiskalkulation möglich, wenn die Tagesausschläge höher sind als die der Wochenmittelwerte? Gibt es irgendein anderes Handelsgut, wo ein derartiger Klamauk betrieben wird? Wirtschaft findet doch auch beim Bäcker statt, aber da sind sogar Sonntag morgens die Brötchen nicht teurer als sonst.
Ein Gesetz, dass nur eine Preisänderung pro Woche erlaubt, würde wohl außer den Ölmultis keinen anderen Händler oder Dienstleister treffen.

Die günstigen Preise in entlegenen Gegenden haben wohl wenig mit der Zahlungsbereitschaft zu tun. Sonst wären nicht in mondänen Schweizer Skiorten am Talschluss die Preise an niedrigsten. Ausgerechnet da, wo die Transportkosten am höchsten sind, soll nichts mehr verdient werden? Und kein Bergdorf-Bewohner würde 20 km ins Tal fahren, wenn es dort einige Rappen günstiger wäre - ist es aber eh nicht...
Eine einzelne Tankstelle an einem entlegenen Ort sollte nach marktwirtschaftlichen Gesetzen ja eher einen Preisaufschlag erlauben dürfen als in Ballungszentren.

Gravatar: Damian Duchamps

Mit Angebot und Nachfrage haben die Spritpreise schon länger nichts mehr zu tun. Die täglichen Schwankungen gehen auf das Konto der Spekulationen am Rohölmarkt und die Osterpreiserhörhungen, da zeichnen vermutlich die Ölgesellschaften selbst für verantwortlich. Mich wundert es mittlerweile auch nicht mehr, dass die Politik diesem von Angebot und Nachfrage entkoppelten Auf und Ab der Preise keinen Einhalt gebietet. Bei Entscheidungen stehen hier die Interessen der Bürger an letzter Stelle. Zuvor kommen der Finanzminister, die Konzerne und die Spekulanten.

Gravatar: Steffen Hentrich

Sehr geehrter Herr Geier,

da die Bahnpreise aber nicht so flexibel angepasst werden wie die Benzinpreise kann man in kurzfristiger Betrachtung davon ausgehen, dass die Bahn relativ attraktiver zum Auto wird. Natürlich ist die Konsequenz auch, dass besonders einkommensschwache Haushalte eher zu Hause bleiben werden. Dafür tragen aber weniger die Mineralölunternehmen als vielmehr der Staat mit seinen Steuern auf den Sprit die Verantwortung.

Mit freundlichen Grüßen

Steffen Hentrich

Gravatar: Steffen Hentrich

Sehr geehrter Herr Müller,

wenn Sie selbst so viel Energie wie fürs Schimpfen fürs Denken verwenden würden, dann wäre uns allen geholfen. Für die Stabilität der Benzinpreise in anderen Ländern hätte ich gern Belege. Meine Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern und den USA sehen anders aus. Ich kann auch gern mal die Statistiken wälzen.

Natürlich zahlen Sie immer so viel, wie der nächste Autofahrer neben Ihnen bereit ist für einen Liter Benzin auszugeben. Bedanken Sie sich beim Rest der Deutschen, die durch die steigende Osternachfrage die Preise hochtreiben. Ich habe diesbezüglich auch nichts anderes in diesem Artikel gesagt. Wenn also in einer abgeschiedenen Gegend die Zahlungsbereitschaft für Benzin niedriger ist als in einem Ballungszentrum, es sich aber mengenmäßig nicht lohnt mehr als eine Tankstelle zu bauen, dann können sie es tatsächlich erleben, dass die Spritpreise dort dauerhaft niedrig liegen. Das widerspricht aber nicht den Marktgesetzen, sondern bestätigt sie. Sie werden immer dort, wo die Nachfrage bzw. Zahlungsbereitschaft am größten relativ zu den Angebotskosten ist hohe Spritpreise sehen.

Mit freundlichen Grüßen

Steffen Hentrich

Gravatar: Geier

Es stimmt ja nicht einmal, daß höhere Spritpreise das Ausweichen auf andere Verkehrsträger begünstigten, da die Betreiber dieser anderen Verkehrsträger den Gesetzen des Marktes entsprechend ihre Preise im Verhältnis zur Attraktivität des Individualverkehrs anpassen — mittelfristig zumindest. Bus und Bahn sind im Schnitt der letzten Jahrzehnte ja genauso teurer geworden wie das Autofahren. Höhere Spritpreise bewirken also nicht, daß mehr Leute Bahnfahren, sondern daß die unteren Einkommenschichten zu Hause bleiben müssen, weil sie sich weder Auto noch Bahn leisten können.

Gravatar: Friedrich Dominicus

Interessanterweise sind aber 75 - 80 % Steuern. Also wer hat den "größten" Anteil am hohen Preis?

Gravatar: Erwin Müller

Ja klar, und die dreimal tägliche Preisänderung, wo es - steuerbereinigt - um bald 20% rauf oder runter geht, sind auch marktwirtschaftlich wohl begründet, weil ja morgens so viel mehr getankt wird als mittags, oder...?

Und Marktgesetze erklären auch, wieso die Tankstellen in den hintersten Winkeln des Landes oft deutlich günstiger sind als direkt neben der Raffinerie oder nahe von Häfen. Duisburg müsste doch das Preisparadies sein - ist es aber nicht!

Und es ist auch eine direkte Folge der Benzinpreiserhöhungen zu Ostern und vor der Ferien, dass ausgerechnet dann die längsten Staus auf den Autobahnen sind, weil sich ja niemand mehr das Volltanken leisten kann, und dann alle liegenbleiben!?

Selten so einen Blödsinn hier gelesen...
Der Autor sollte mal selber den Kopf einschalten und sich fragen, wieso es den dreifach täglichen Preisänderungswahnsinn in kaum einem anderen Land der Welt gibt, und warum in anderen europäischen Ländern der Benzinpreis sogar über Wochen stabil sein kann!

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