„Sozial“ mit Wohlfahrt übersetzen

Von Friedrich August von Hayek ist der Begriff des „Wiesel-Wortes“ überliefert – im Anglo-Amerikanischen wohl bekannter als im Deutschen.

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Wiesel-Wort bezieht sich auf die Fähigkeit des Wiesels, einem kleinen, flinken Nager, ein Hühner- oder anderes Vogelei so mit den spitzen Zähnen anzubohren und es anschließend so geschickt auszusaugen, dass das Ei dabei nicht weiter beschädigt wird.

Wir vermeinen mit unseren Augen ein vollwertiges Hühnerei zu sehen und ahnen gar nicht, dass wir es nur noch mit einer hohlen Attrappe zu tun haben – mit einem Potemkinschen Dorf sozusagen.

Hayek nun glaubte fest daran, dass es auch Worte gibt, die, gleich dem Wiesel, anderen Worten mit denen sie zusammen gebraucht werden, vollständig den eigentlichen, wirklichen Sinn rauben; sie aus- oder aufsaugen und völlig (bedeutungs)leer machen.

Das wichtigste und gefährlichste „Wiesel-Wort“ war für Hayek das Wort „sozial“:

Hayek war sich sicher: jedes Wort mit dem Vor- oder Beiwort „sozial“ versehen, ist am Ende nichts als ein toter, hohler Vogel, der mit dem folgenden Wort in seinem reinsten Ursprung nicht mehr das geringste zu tun hat!

Oft noch dazu das Gegenteil von dem bedeutet, was es ohne „sozial“ bedeutet hatte

Es lohnt wohl, darüber nachzudenken:

Gibt es eine soziale Marktwirtschaft? Was hat sie dann noch mit der klassischen Marktwirtschaft gemein? Was ist der Unterschied zwischen sozialer Gerechtigkeit und „tatsächlicher“ Gerechtigkeit? Ist nun die „soziale Gerechtigkeit“ wirkliche Gerechtigkeit? Warum dann zwei Bezeichnungen für denselben Begriff? Wenn etwas aber für alle Beteiligten einfach nur „gerecht“ geregelt ist, was braucht es noch dazu die soziale Gerechtigkeit?

Wie steht es mit dem „sozialen Ausgleich“? Wenn uns allen klar ist, was mir gehört und was dir – wie kann ich mir dann den sozialen Ausgleich vorstellen? Das du mir etwas schenkst? Ich dir? Oder dass ich dir etwas von deinem Eigentum wegnehmen darf, weil du „reicher bist“ als ich und ich das „sozial ungerecht“ finde?

Und wenn ich diesen Ausgleich dann vornehme: auf welcher Rechtgrundlage geschieht das?

Wie steht der soziale Frieden wohl zu einem einfachen Frieden?

Oder: wer glaubt eigentlich daran, dass ein Sozialarbeiter tatsächlich eine wertschöpfende Arbeit verrichtet, deren Ergebnis man dann für Geld verkaufen kann?

Gelegentlich hören wir jetzt schon in den Medien statt von einem Sozialstaat vom „Wohlfahrtsstaat Deutschland“.

Im Sinne von Klarheit und Wahrheit ist es an dieser Stelle von großem Vorteil, wenn wir uns  angewöhnen, im Hayekschen Sinne, „sozial“ mit dem Wort „Wohlfahrt“ zu übersetzen.

Dann wird zunehmend klarer, worum es eigentlich geht!

Wohlfahrt, das „sich kümmern“ um das Wohl und Wehe des Nächsten, das hat es unter Menschen zu allen Zeiten gegeben.

Menschen sind auch schon vor 200 Jahren dem Schicksal ihrer Mitmenschen/ihrer Nächsten gegenüber nicht gleichgültig geblieben.

Es bewegt sie sehr, wenn es einem in der Familie, dem Nachbarn, dem Landsmann schlecht geht. Und umso besser es ihnen selber geht, umso umfangreicher sind sie überhaupt erst einmal in der Lage, zu helfen.

Das kann auch schon einmal über den halben Globus hinweg passieren:

Als in Irland in den Jahren 1845 bis 1852 die letzte große Hungersnot in Westeuropa ausbrach, sammelten ausgewanderte Iren auf der ganzen Welt, vorrangig in Nord­amerika, Lebensmittel, beluden ganze Schiffe mit Roggen und Weizen und schickten sie ihren hungernden Landsleute zuhause.

Selbst die Amerikaner, die keine Wurzeln im fernen Irland hatten, erfuhren auf diese Weise von der großen Not der Iren (über eine Millionen Menschen sind an Hunger gestorben in der Zeit) und beteiligten sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten.

Und weil sie es im damals noch „freisten Land der Erde“ zu einigem Wohlstand gebracht hatten, kam einiges an Hilfsgütern zusammen.

Aber: zu allen Zeiten war Wohlfahrt immer etwas auf der Basis von Freiwilligkeit. Wohlfahrt und Zwang; das schloss sich stets von selbst aus. Und tut es heute noch! Wir lernen das bloß nicht mehr in der Schule.

Und: es kann Wohlfahrt nicht bis an Ende der Zeit geben – irgendwann einmal muss Schluss sein damit! Und dies „bis hierher und nicht weiter“, sollte man den Menschen schon beizeiten ankündigen!

Man kann den Menschen für einen gewissen Zeitraum „Brot und Fisch“ geben – wenn sie es aber nicht lernen, wenn sie nicht dazu angehalten werden, auch wieder selbst „Pflug und Angel“ zu benutzen, war alle Wohlfahrt bis dahin umsonst.

Hier müssen wir uns schon die Frage stellen, ob unsere Politik dieser Verantwortung tatsächlich nachkommt?

Gibt sie die klare Botschaft aus: gern bin ich bereits dir zu helfen! Aber maximal für 2 Jahre. Danach musst du selbst wieder auf die Beine kommen. In den 2 Jahren gebe ich dir jede nur erdenkliche Unterstützung, jede Hilfe, zu der ich in der Lage bin!

Aber am ersten Tag des dritten Jahres ist unweigerlich Schluss – und ich werde dich regelmäßig an diesen Termin erinnern …

Wenn wir Tendenzen wie „Sozialhilfe/Hartz IV in der dritten Generation“ oder die regelmäßig alle Jahre wieder auftauchenden Forderungen nach einem „bedingungslosen Grundeinkommen“ betrachten, dann kommen Zweifel daran auf, ob der derzeitige Staat überhaupt daran interessiert ist, diese Langzeitwohlfahrt jemals wieder zu reduzieren?

Merkwürdigerweise ist in Deutschland eine der größten Reformen des (sozial)­demokratischen US-Präsidenten Bill Clinton kaum bis gar nicht bekannt:

Die Abschaffung der lebenslangen, staatlichen „Wohlfahrt“ in den USA Mitte der Neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts (PRWORA oder Welfare Reform Act)?

Ab 1996 gibt es in den Vereinigten Staaten für jeden nur noch ein Anspruch auf fünf Jahre Sozialhilfe in einem Arbeitsleben! Nach zwei Jahren wird sie zum ersten Mal gekappt – wenn bis dahin noch keine Arbeit aufgenommen worden ist!

Um es kurz zu machen: Die von den amerikanischen Linken schon in der Diskussion um diese Reform prophezeiten Millionen verhungerter armer Amerikaner auf den Straßen dort sind bisher noch nicht eingetreten.

Wäre es anders – wir hätten in unseren Medien längst davon erfahren.

Einen ganz anderen Effekt gab es im Vorfeld der Unterzeichnung des Gesetzes im August 1996 durch Clinton zu beobachten:

Einige Millionen Amerikaner nahmen ihre bereits gestellten Anträge auf Sozialhilfe wieder zurück oder meldeten sich sang- und klanglos aus dieser ab.

Experten erklärten das mit der im neuen Gesetz verankerten finanziellen Verantwortung der Familien für den Fall, dass der „Leistungsempfänger“ diese Unterstützung verliert. Motto: „… wenn du auf Kosten des Staates /der Allgemeinheit eine ruhige Kugel schieben willst – ist mir das herzlich egal. Aber wenn es dann an mein Geld als Vater/Mutter/Bruder etc. geht – dann ist Schluss mit lustig!“

Nicht nur ein nachdrückliches Beispiel dafür, wie staatliche Wohlfahrt die private, die der Familie bis dahin zurückgedrängt hatte, sondern auch ein starker Beweis dafür, wie unterschiedlich die Wertung der Menschen ist bei der Frage: Moment mal – geht es hier „nur“ um staatliches Geld oder um meine eigenes, sauer verdientes?

Ein Wohlfahrtsstaat, der diesen Namen auch verdient, sollte seine Bürger immer wieder die Lage versetzen, sich genau diese Frage zu stellen:

Du bist für ein bedingungsloses Grundeinkommen? Was bist Du dann ganz persönlich bereit, dafür im Monat zu zahlen?

Für wie viele dieser dann lebenslang Alimentierten stehst Du ein? Garantierst dafür, dass sie ihr Geld bekommen? Bis zum Lebensende?

Sag’ nicht: Wir können es nicht zulassen! Und alle, alle – auch wenn sie eine ganz andere Meinung dazu haben als du - sollen dafür bezahlen!

Sag’ ehrlich: Ich möchte, dass alle Menschen, die aus den verschiedensten Gründen sich ihren Lebensunterhalt nicht verdienen können oder keine Lust dazu haben, eine lebenslange, bedingungslose Grundsicherung bekommen. Ich weiß, dass das Geld kostet – ein freies Mittagessen ist ein Ding der Unmöglichkeit! Und auf folgende Art und Weise will ich mich an diesen Kosten beteiligen, für 10 „Arme“ oder „Eingewanderte“ will ich persönlich bis an mein Lebensende sorgen ….!

So, wie das in jeder privaten Wohlfahrt auch der Fall ist.

Soviel Ehrlichkeit, Barmherzigkeit und Nächstenliebe allerdings scheinen uns heutige Politiker nicht mehr zuzutrauen – sie sehen das ganz anders.

Und meinen deshalb, uns unter Androhung von Gewalt zwingen zu müssen, gut, milde und freigebig zu sein: Indem sie uns das meiste von dem, was wir sauer verdienen, in Form von Steuern wieder abnehmen!

Gegenleistung? Das vage Versprechen, ausschließlich „Gutes“ damit zu tun.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Elmar Oberdörffer

Ich stimme Ihnen zu, Herr Hentschel. Gerechtigkeit ist ein klarer Begriff, der keines schmückenden Attributes bedarf. Verwendet jemand die Gerechtigkeit schmückende Attribute, so kann man sicher sein, daß er von etwas ganz anderem spricht. Und hier der Beweis, daß "sozial gerecht" das Gegenteil von gerecht ist: gerecht ist, wenn jeder das bekommt, was er verdient. Sozial gerecht ist, wenn der, der nichts verdient, das bekommt, was ein anderer verdient.

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