Soldaten - Opfer oder Täter?

In den letzten Wochen wird viel über Opfer in Afghanistan gesprochen und geschrieben. Gemeint sind damit meistens zivile Opfer. Die Situation der Soldaten bleibt dabei unberücksichtigt. Sie werden als Täter dargestellt.

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Dass auch die Soldaten der Bundeswehr Opfer sein können, scheint abwegig. Doch die wachsende Zahl derer, die an posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) leidend aus Afghanistan zurückkommen, steigt von Jahr zu Jahr. Waren es im letzten Jahr 226, so stiegt die Zahl alleine im ersten Halbjahr 2009 schon 152. Als Grund für diese Steigerung anzuführen, die Bundeswehr habe ja dieses Jahr fast 1000 Soldaten mehr im Einsatz als noch vor einem Jahr, greift zu kurz. Kaum ein Tag vergeht zum Beispiel in Kunduz ohne Sprengstoffanschlag oder offenes Feuergefecht. Auch wenn von offizieller Seite nun von “kriegsähnlichen Zuständen” gesprochen wird, für die Soldaten ist es schlichtweg Krieg! Zu dieser täglichen Belastung im Einsatz kommt die gefühlte mangelnde Unterstützung an der “Heimatfront”. Klare politische Vorgaben für den Einsatz fehlen. Die einen sprechen noch immer von “Wiederaufbau” und “humanitärer Hilfe”. Die anderen wiederum stellen die “Bekämpfung des internationalen Terrors” in den Vordergrund. Soll für die Soldaten in Afghanistan das deutsche Strafgesetzbuch gelten oder das “Humanitäre Völkerrecht in bewaffneten Konflikten” (ehem. Kriegsvölkerrecht)? Zur Zeit gilt weiterhin das Strafgesetzbuch. Daraus ergibt sich für die Soldaten eine unsichere Rechtslage, bei der sie in Sekundenbruchteilen entscheiden müssen, wofür in Deutschland die Staatsanwälte Monate, wenn nicht gar Jahre, Zeit haben.

Für viele Soldaten ist diese Situation nicht nur unbefriedigend, sie für auf lange Sicht dazu, dass auch die Soldaten, die anfangs einen Sinn in ihrem Tun gesehen haben, immer mehr zweifeln. Meine Gespräche mit Rückkehrern sprechen da für sich. Nahezu alle haben resigniert und sind der festen Überzeugung, dass die Situation in Nordafghanistan eher schlimmer als besser werden wird. Längst haben die Taliban, gerade im Bereich Kunduz, die Überhand gewonnen, zwingen der ISAF-Truppe ihren Willen auf. Ganze Landstriche werden durch die Soldaten nicht mehr befahren, weil die Taliban zu stark geworden sind. Zur Angst der Soldaten, verwundet oder getötet zu werden, kommt die Ungwissheit darüber, sich bei “zivilen” Opfern vor der deutschen Staatsanwaltschaft verantworten zu müssen.

Wenn also die Bundeswehr Deutschland “auch am Hindukusch verteidigt”, dann haben die Soldaten Anspruch auf Rechtssicherheit und Rückhalt in der Politik genauso wie in der Bevölkerung. In der jetzigen Situation sind die Soldaten in Afghanistan eher Opfer als Täter.

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