So geht Elektromobilität

Bei der Suche nach neuen Ideen für innovative Produkte wird man häufig in der Vergangenheit fündig.

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Vor allem die Technikgeschichte der letzten 200 Jahre bietet viele faszinierende, damals zukunftsweisende Konzepte, die heute in Vergessenheit geraten sind. Die Ursachen des Scheiterns können meist auf einen oder mehrere der folgenden Umstände zurückgeführt werden:

  • Manche Visionen waren in der zu ihrer Zeit zur Verfügung stehenden technischen Umwelt nicht marktfähig umsetzbar. Beispiele sind das Fehlen geeigneter Materialien, geeigneter Steuerungs- und Antriebssysteme oder auch der erforderlichen Produktionstechnologien. Den Bodeneffektfahrzeugen geht es bis heute so, obwohl ich nach wie vor eine Renaissance derselben erwarte.
  • Manchen Erfindern gelang es nie, ausreichend Unterstützung zur Überwindung von Hindernissen aller Art zu generieren. Dies betrifft nicht nur das erforderliche Kapital, sondern auch ideelle und organisatorische Hilfen sowie geeignete Mitstreiter. Ohne die Allgegenwart von Massenmedien, ohne das Internet als Kommunikationskanal waren insbesondere Entwicklungen aus dem Umfeld des Militärs häufig so wenig Menschen bekannt, daß sie leicht augebremst und verhindert werden konnten. Mit dem Tragschrauber (Gyrocopter) und dem Flüssigsalzreaktor seien zwei Produkte genannt, deren Wiederentdeckung erst nach Jahrzehnten durch kleine Unternehmen und Startups erfolgte.
  • Manche Entwickler konzentrierten sich schlicht auf ein völlig falsches Marksegment, in dem andere technische Paradigmen die Bedarfe der Kunden weit besser erfüllten. Unternehmen haben oft den eigentlichen Nutzen ihrer Innovation nicht verstanden. Meine Lieblingsgeschichte zur Untermauerung erzählt von Rudolf Diesel, der seinen Maschine als idealen Antrieb stationärer Systeme sah und Werner von Siemens, der den Elektromotor als Basis des Individualverkehrs betrachtete. Es kam genau andersherum.

Zur Anfangszeit des Automobils beherrschten batterieelektrische Fahrzeuge den Markt. Bis durch den Anlasser der Benziner alltagstauglich wurde. Es gab danach noch drei weitere, von der Fahrzeugindustrie, der Politik oder beiden getriebene Versuche, das Rad der Zeit wieder zurückzudrehen. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg begann die erste, längst vergessene Kampagne in den USA. Man war von Befürchtungen getrieben, das Erdöl ginge zur Neige. Kurz darauf startete die moderne Globalisierung mit dem Beginn der großmaßstäblichen Förderung in der Golfregion als einem ihrer Treiber. Mitte der 1970er Jahre verursachte die erste Ölkrise ähnliche Panikattacken. Zu Beginn der 1990er Jahre dann geriet erstmals der Umweltschutz in den Blickpunkt. Aktuell erleben wir die vierte Welle. Dieses Mal ist Elektromobilität Teil der Klimaschutzpolitik. Statt der Angst vor einer Erdölknappheit beherrscht nun die Furcht vor dessen Überfluß die Agenda.

Das erneute Scheitern ist abzusehen. Die physikalischen Einschränkungen einer elektrochemischen Batterie sind prinzipieller, unüberwindbarer Natur. Nicht die Reichweite stellt das zentrale Problem dar, sondern die Ladezeit. Elektrofahrzeuge werden dem Nutzer niemals die Flexibilität bieten können, die den motorisierten Individualverkehr erst attraktiv macht.

Dabei eröffnen elektrische Antriebe einem Konstrukteur so manche Vorteile. Sie gestatten hohe Leistungen in einem kleinen Bauraum bei geringer Masse – es entfallen ja auch die Getriebe. Sie werden durch simple Kupferkabel mit Strom versorgt, es bedarf keiner Schläuche für Treibstoffe, Schmier- oder Kühlmittel. Man kann daher durchaus mehrere Motoren einsetzen, beispielsweise einen für jedes Rad und erhält dadurch die völlige Gestaltungsfreiheit für Karosserie und Chassis. Außerdem können intelligente Steuerungsalgorithmen neben der Sicherung der Fahrstabilität noch ganz andere Funktionen bereitstellen. Und im Betrieb sind sie vor allem eines: leise.

Wer Elektromobilität will, sollte sich daher vor allem die Frage stellen, wozu sich diese Eigenschaft besonders gut eignen. Welche Art von Fahrzeugen kann man auf dieser Grundlage bauen, die mit konventionellen Motoren nicht möglich wäre? Welchen neuen Nutzen kann man seinen Kunden bieten, den man auf anderen Wegen nicht oder nur sehr viel schwieriger erreicht?

Die Antwort kommt aus China und nennt sich Ehang 184. Das Unternehmen Ehang wurde 2014 gegründet und verfügt nach eigenen Angaben bereits über mehr als 150 Mitarbeiter an drei Standorten in seinem Heimatland und in San Francisco. Insidern ist die Firma als Hersteller eines Quadrocopters namens Ghostdrone vielleicht schon bekannt. Auf der Consumer Electronics Show CES in Las Vegas stellte man nun vor einigen Tagen die eigentlich logische Weiterentwicklung vor. Einen Multikopter, dessen Nutzlast nicht mehr nur eine Kamera, sondern ein Mensch ist. Der Screenshot von der Webseite des Unternehmens vermittelt die wesentlichen technischen Daten.

Zwanzig Kilometer Reichweite würden mir genügen – für den Luftweg zur Arbeit, wenn die Bahn mal wieder nicht kommt und die Straßen verstopft sind.

Die acht Elektromotoren gestatten durch Einzelansteuerung ähnlich wie beim deutschen Volocopter auf einfache Weise, ohne den Einsatz von Rudern, alle Flugmanöver. Auch wenn mehrere Antriebseinheiten ausfallen, kann das Gerät immer noch sicher landen. Mit Verbrennern wäre diese Konstruktion kaum möglich und außerdem – da viel zu laut – kaum zu betreiben.

Das ist die neue Anwendung, die durch Elektromobilität erst möglich wird: Der Individualverkehr in der Luft. Eine echte Killerapplikation, gegenüber der sich der krampfhafte Versuch, Benziner oder Diesel durch Batteriefahrzeuge zu ersetzen, als rückwärtsgewandt entlarvt. Beim individuellen Fliegen tritt der Nachteil der langen Ladezeiten gegenüber dem großen Gewinn einer enorm verkürzten Reisezeit zurück.

Ehang 184 soll noch in diesem Jahr in die Serie gehen und für über 200.000 Euro angeboten werden. Die vergleichsweise geringe Flugdauer gestattet dann erste, wahrscheinlich gewerbliche Angebote vor allem im innerstädtischen Verkehr der großen asiatischen und amerikanischen Metropolen. So wird der Hersteller in einem Nischenbereich wachsen und das Fluggerät sukzessive weiterentwickeln können. Gewisse Verbesserungen sind hinsichtlich der Speicherkapazität von Akkumulatoren noch zu erwarten, eine Flugzeit von einer Stunde scheint mir im Bereich des bald Möglichen. Fortschritte in der Produktionstechnologie und sinkende Kosten für Komponenten werden den Preis drücken – zumal erste Erfolge auch Wettbewerber anlocken. Diese Ereignisfolge kennt man. Alle Innovationen, die heute jeder wie selbstverständlich verwendet, begannen als hochpreisige Luxusprodukte.

Es bedarf für Ehang 184 keines Pilotenscheins. Man kann, soll und darf nicht selbst fliegen. Nach dem Einsteigen ist lediglich das Ziel zu wählen und der Rest geschieht völlig automatisch. Das erfüllt mich mit Skepsis. Denn die Drohne verfügt sicher nicht über ein Kollisionsvermeidungssystem. Jedenfalls ist nirgends auf der Webseite des Unternehmens oder in der bisherigen medialen Berichterstattung von einem solchen die Rede. Es ist nach meiner Kenntnis auch technisch enorm herausfordernd, die Umgebung eines Fluggerätes in drei Dimensionen mit der bei hohen Geschwindigkeiten erforderlichen Reichweite abzutasten, Hindernisse zu erkennen und automatische Ausweichmanöver durchzuführen. Will man nicht nur auf spezifisch festgelegten und ständig überwachten Routen unterwegs sein, bieten unsere deutschen Produkte daher doch mehr. Ob TragschrauberFlugautoVolocopter oder Koaxialhelikopter: Unser heimisches Innovationsfeuerwerk kann und wird mit dem Chinaböller mithalten.

Beitrag zuerst erschienen auf science-skeptical.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Hans-Peter Klein

Hallo Herr Dr. Heller,
liebe Energiewende-Gegner,
sehr geehrte EIKE-Nachwuchs-Aktivisten „Alles Gute kommt von China“ e.V.,

gemach, gestern noch die „Energiewende“ in Grund und Boden geschrieben und jetzt auf einmal ferngesteuert per Joy-Stick im Elektrocopter zum Büro-Dachlandeplatz. Wow, das nenn ich doppelte Rolle vorwärts, aufwärts und dann im Salto Mortale wieder rückwärts, so mein gewagter Blick in die Glaskugel.

Hat der EIKE-Aufsichtsrat urplötzlich den
„ … krampfhaften Versuch, Benziner oder Diesel durch Batteriefahrzeuge zu ersetzen, als rückwärtsgewandt entlarvt.“ ?
und nach interner Grundsatz-Kritik die „ … “ eingeleitet? Vorsicht, sie brauchen dringend ein Ersatz-Pseudonym für dieses Reizwort.

Denn zu einem kleinen, lästigen Detail haben Sie rein gar nichts gesagt. Nun verrate uns der helle Herr Dr. Heller doch bitte auch noch, woher der Strom aus der Steckdose zum Laden der Akkumulatoren denn nun kommen soll, denn immerhin, Zitat
„Gewisse Verbesserungen sind hinsichtlich der Speicherkapazität von Akkumulatoren noch zu erwarten, eine Flugzeit von einer Stunde scheint mir im Bereich des bald Möglichen. „

Bei soviel Optimismus gegenüber chinesisch-amerikanischer Technologie sind unsere hiesigen ersten zaghaften aber dafür konkreten Schritte in Richtung flächendeckende H2-Mobilität dem Herrn Dr. Heller wohl viiiiiel zu langsam.
Aber hier bei uns, mitten im geliebten Deutschland, fingen alle technischen Innovationen zunächst mal klein und langsam an, so auch gegenwärtig, z.B.
das neue „Linde-H2-Bike“, mit hoher Reichweite, schneller Betankung, null Emissionen.
Die neue Power-to-Gas-Anlage in Hamburg mit aus Windstrom hergestelltem Wasserstoff
neuer Effizienzrekord bei Wasserspaltung mit Sonnenlicht beim FZ-Jülich
u.v.v.v.m. beim DWV, Deutscher Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband.

Wir von der "Energiewende" sind eben Pragmatiker, und damit typisch deutsch.


MfG, HPK

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