Simitis: Datenschutz, Demokratie und Informationsverzicht

Der Fisch stinkt zuerst am Kopf, sagt ein russiches Sprichwort. Aber nicht nur dort, meint Steffen Schröder. Warum Informationsverzicht uns alle angeht.

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Gewichtige Worte darf man eigentlich immer von Datenschutz-Mitentdecker Spiros Simitis erwarten, so auch heute bei der Feier zum 30. Geburtstag der Institution des Berliner Datenschutzbeauftragten.

Apropos Feier und Berliner Datenschutzbeauftragte (Glückwunsch an Alexander Dix und seine Mitstreiter): Nein, das Millionen-Bahn-Bußgeld wurde nicht verjubelt. Bin gespannt, bei wem die bedeutende Summe landet!?

Spiros Simitis jedenfalls wurde seinem Ruf gerecht, ebenso wie die anderen Redner. Einen guten Überblick über die Seelenlage der Datenschutz-Vordenker der ersten Generation gibt der Bericht bei heise.

Oft zitierter Höhepunkte auch aus meiner Sicht ist der Simitis-Ausspruch:

"Demokratie zeichnet sich durch Informationsverzicht aus".

Das  hört man aus seinem Mund nicht zum ersten mal, aber in der allgegenwärtigen, schwarz-gelb verursachten Erwartungshaltung hört man vielleicht neu hin und bewertet die Chancen einer Umsetzung.

Mir kam dazu ein Gedanke aus dem Datenschutzalltag. Naheliegend ist es, den Ruf nach Informationsverzicht allein an die Exekutive zu adressieren. Aber ich predige (BDSG nennt es weniger poetisch "hinwirken auf " und "bekanntmachen mit") in meinen Schulungen immer wieder: "Lassen Sie sich nicht in Versuchung führen!"

Die Praxis ist nicht vollkommen. Fast überall kann man mit etwas Mühe (oder ganz ohne Mühe) mehr über andere Personen erfahren als erforderlich. Im privaten Bereich menschlich (Warum sonst zum Friseur gehen?) - im beruflichen Umfeld schnell rechtswidrig:

     

  • Krankenschwestern nutzen ruhige Minuten im Nachtdienst, um die Grenzen ihres Krankenhaushausinformationssystems auszuloten.
  • Administratoren inspizieren gelegentlich Randgebiete und Grauzonen ihres digitales Reiches.
  • Kita-Betreuerinnen fragen- natürlich nur aus pädagogischen Gründen - intensiver nach, worüber Mutti und Vati zuhause denn so reden.
  • Behörden holen bei Dateninteresse gern mal mit der großen Kelle aus und verwirren den Bürger häufig mit Phantasie-Paragrafen.
  • Programmierer bauen ein paar Abfragefelder mehr ein - und Anwender nutzen sie gedankenlos.
  •  

Dagegen kann man technisch und organisatorisch einiges unternehmen, aber keinen 100%-Datenschutz erreichen. Es geht nicht ohne Verständnis, Mitwirkung und Informationsverzicht der Beteiligten.

Natürlich stinkt der Fisch zuerst am Kopf - Informationsverzicht muss bei Ministerien und Staatsorganen anfangen. Aber er darf dort nicht enden.

"Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß", sagt schon eine alte Redewendung. Oder wie meint der Fuchs zum Kleinen Prinzen: „Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.“ Das kann in diesem Zusammenhang fast bedrohlich klingen, aber es ist auf jeden Fall die Wahrheit.

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