Sigmar Gabriel bricht sozialdemokratische Tabus

In seinem Buch "Aus meinem Leben“ wandte sich August Bebel (SPD) gegen Verbrauchssteuern, insbesondere gegen die Petroleumsteuer als Energiesteuer.

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Irgendjemand war auf die grandiose Idee gekommen, bei rückständiger Alimente den Führerschein zu kassieren. Gestern war als Replik auf diesen interessanten Vorschlag eine Karikatur im Netz, wo ein Petrijünger befürchtet, seinen Angelschein wegen einer Parksünde zu verlieren. Dann hatte jemand (oder eine Jemandin?) den Einfall, daß man auch sogenannte „Haßkommentare“ mit Führerscheinentzug ahnden könne. Ein weiterer rundlicher Jemand hatte den Geistesblitz, Zusatzverbrauchssteuern bei niedrigen Benzin- und Dieselpreisen zu erheben. Liebe Leserin, dreimal darfst du raten, von welcher Partei diese arbeitnehmerfeindlichen Schapsideen kamen.

August Bebel (SPD) würde sich im Grabe rumdrehen. Eine Erhöhung von Steuern für die Kosten des Arbeitswegs wäre bei ihm nicht in die Tüte gekommen. Und mit politischer Zensur hatte er selbst schlechte Erfahrungen.

Auch für Rosa Luxemburg wären die heutigen Sozialdemokraten das rote Tuch gewesen: „Die Abwälzung des größten Teiles der öffentlichen Lasten auf die Schultern der arbeitenden Klassen durch das System der indirekten oder Verbrauchssteuern ist aber eins der wirksamsten Mittel der herrschenden Klassen, um die Lebenshaltung der Arbeiterschaft herabzudrücken und ihren sozialen und geistigen Aufstieg zu hemmen.“ Dieses Zitat stammt aus der Rede Luxemburgs auf dem Parteitag der SPD in Jena 1913.

Im Dritten Teil des Buchs „Aus meinem Leben“ , Kapitel 9 wandte sich Bebel gegen Verbrauchssteuern, wobei die Petroleumsteuer auch schon eine Energiesteuer war: „Zugleich verwirklichte diese Session (des Reichstags 1879) bis zu einem gewissen Grad Bismarcks Steuerideal, wie er es in seiner Rede über direkte und indirekte Steuern am 22. November 1876 enthüllte, worin er sich mit Nachdruck gegen die direkten Steuern und für möglichst hohe indirekte Steuern auf die »Luxusartikel der großen Masse« aussprach, als welche er Bier, Branntwein, Zucker, Kaffee, Tabak und Petroleum bezeichnete.“

Auch polemisierte August Bebel in Kapitel 25 seines Buchs „Aus meinem Leben“ gegen die Salzsteuer. Und zwar erfolglos, wie er selbst voraussah. „So werde es auch mit dem Verlangen des Abgeordneten Richter gehen, der die Abschaffung der Salzsteuer fordere, sobald Frankreich seine letzte halbe Milliarde Kriegskosten bezahlt habe. Das werde nach dem Friedensvertrag in zwei Jahren der Fall sein. (…) Die Salzsteuer werde nicht abgeschafft werden, weder jetzt noch in zwei Jahren.“ Die Schuld gab Bebel dem Reichskanzler.

Bereits Ferdinand Lassalle hatte in seinem „Arbeiterlesebuch“ von 1863 die indirekten Steuern gegeißelt. Soweit die Altvorderen der SPD zu Verbrauchssteuern. Und nun kommt Sigmar Gabriel unter Bruch aller sozialdemokratischen Traditionen mit seiner Benzin-Verbrauchssteuer daher.

Was die politische Zensur betraf äußerte sich Bebel in Bezug auf das Sozialistengesetz von 1878 ebenfalls ablehnend (Aus meinem Leben, Dritter Teil, Kapitel 3): „Sobald das Gesetz verkündet und in Kraft getreten war, fielen die Schläge hageldicht. Binnen wenigen Tagen war die gesamte Parteipresse mit Ausnahme des »Offenbacher Tageblatts« und der »Fränkischen Tagespost« in Nürnberg unterdrückt. (…)  Das Trümmerfeld des Zerstörten wurde erweitert durch die Verbote der nicht periodisch erscheinenden Literatur. Die Reihe der Verbote eröffnete das Berliner Polizeipräsidium. An der Spitze der ersten Leporelloliste von 84 Verboten stand wie zum Hohn Leopold Jacobys »Es werde Licht«. Dem blinden Eifer, zu verbieten, fielen auch eine Anzahl Schriften zum Opfer, die mit Sozialismus nicht das geringste zu tun hatten. So zum Beispiel August Röckels »Sachsens Erhebung und das Zuchthaus zu Waldheim« und allerlei »Gereimtes und Ungereimtes« von William Spindler. (...). Mit dem »Vorwärts« in Leipzig fielen eine Reihe hier erscheinender Provinzblätter: »Volksblatt in Altenburg«, »Volksblatt für den 14. sächsischen Wahlkreis«, »Muldentaler Volksfreund«, »Groitzsch-Pegauer Volksblatt« und »Voigtländische freie Presse« dem Gesetz zum Opfer. Ebenso fielen die »Mitteldeutsche Zeitung«, die »Freie Presse« und die »Neue Leipziger Zeitung«, 1879 folgten der »Leipziger Beobachter«, das »Deutsche Wochenblatt« und der »Wanderer«, als letztes Blatt wurde 1881 der »Reichsbürger« unterdrückt, nachdem zuvor noch ein kleines Witzblatt »Das Lämplein« den Weg des Sozialistengesetzes gegangen war.“

Wie man sieht: Vom Opfer der politischen Zensur zur Spitzelpartei SPD hat es 138 Jahre gedauert. Und die hehren Grundsätze August Bebels zu den Verbrauchssteuern werden von den Enkeln Willy Brandts mit Füßen getreten.

Um der Führungsriege der Sozialdemokraten noch einige Anstöße bei der Füllung des medialen Sommerlochs zu geben, folgende Vorschläge:
Für Fehler bei der Mülltrennung Entzug der Geburtsurkunde
Bei zu dünner Wärmedämmung Abgabe des Jagdscheins
Bei 2 Promille Alkohol am Steuer Entzug der Staatsbürgerschaft
Von Rauchern wird der Impfausweis eingezogen

Zugegeben, das ist alles recht doof. Aber für das Führungspersonal der SPD ist intellektuell fast nichts unmöglich. Bei den Wahlen in MeckPomm, Niedersachsen und Berlin: SPD abwählen!

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Frank Endres

Sigmar Gabriel hat neben "Harzer Roller" nun einen weiteren Spitznamen: "Stinkefinger-Siggi". [...]

Ja, der Siggi ist flüssig, die SPD überflüssig.

Mein persönlicher Leitspruch lautet: "Gott schütze uns vor Eis und Schnee - den Grünen und der SPD!"

[Gekürzt. Die Red.]

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