Sevilla in Sondershausen

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Die Thüringer Schlossfestspiele Sondershausen finden in diesem Jahr zum zehnten Mal statt. Das anfangs belächelte Festival ( Oh, Gott, wo liegt denn Sondershausen?)hat sich zu einem vielbesuchten Publikumsmagneten entwickelt. Inzwischen mussten die Stuhlreihen im Schlosshof erweitert werden, um alle Kartenwünsche befriedigen zu können.

Wer hierher kommt, wird mit einem besonderen Erlebnis belohnt.

Nicht nur die Szenerie ist beeindruckend. Schon Goethe schwärmte, Sondershausen sei mehr Schloss als Stadt. Der Hintergrund für die Bühne ist der Renaissance- Flügel, dessen Fenster in jede Inszenierung mit einbezogen werden. In der Pause können die Zuschauer den Barockflügel bewundern oder auch einen Blick auf die legendäre goldene Kutsche werfen, das Glanzstück der beachtlichen Sammlung des Schlossmuseums.

Vor allem aber überzeugen die Aufführungen.

Vor zwei Jahren, im Wagner- Jahr brillierten die Schlossfestspiele mit einer Inszenierung des „Fliegenden Holländer“, die dem gebeutelten Bayreuth alle Ehre gemacht hätte. Das Konzept, jungen Sängern am Beginn ihrer Karriere die Chance auf große Rollen zu geben, hat sich bewährt.

Inzwischen zieht es auch Sänger, die keine Anfänger mehr sind und bereits auf internationalen Bühnen Auftritte hatten, nach Sondershausen.

Das liegt nicht nur an dem ausgezeichneten Lohorchester , das wohl älteste Berufsorchester Deutschlands, das im 19. Jahrhundert der Musik Wagners und Lists zum Durchbruch verhalf.

Es ist vor allem ein Erfolg des leider scheidenden Intendanten Lars Tietje, der innerhalb der letzten Jahre dem Theater Nordhausen/ Sondershausen eine neue Strahlkraft verliehen hat.

In der diesjährigen Inszenierung der „Carmen“ von Georges Bizet spiegelt sich das in der Besetzerliste wieder.

Der mehrfach preisgekrönte Alfonso Romero Wora konnte für die Regie gewonnen werden. Das an Dali erinnernde Bühnenbild entwarf die international renommierte Cortina Krisztan. Die im Kontrast dazu stehenden wunderschönen, traditionellen Kostüme stammen von Elisabeth Stolze- Bley, die den Beweis antritt, dass Stammmitglieder des Theaters Vergleiche nicht zu scheuen brauchen.

Und die hervorragenden Darsteller! Alle Rollen sind doppelt besetzt. Bei der Premiere wurde die Carmen von Sarah Hudarew gegeben, die eine ebenso faszinierende , wie glaubwürdige Balance zwischen Erotik und Freiheitswillen verkörperte.

Kongenial die Michaela von Tiljana Grujic, die zum Stammensemble gehört und die verdient schon während der Aufführung mit Bravorufen belohnt wurde.

Mein Favorit der Inszenierung ist das erste Bild des dritten Akts, in dem Carmen und Michaela zwei große Auftritte haben. Carmen, die sich die Karten legt und immer wieder ihren Tod vorausgesagt findet und Michaela die Nachricht von der sterbenden Mutter Don José bringt und ihre vergebliche Liebe beklagt. Hier hat die Inszenierung eine geradezu philosophische Dimension, indem sie nachdrücklich in Erinnerung bringt, was die wirklich entscheidenden Fragen des Lebens sind.

Wunderbar auch das Finale. Die tödliche Auseinandersetzung zwischen Carmen und Don José ( bemerkenswert: Markus Francke) wird gespiegelt durch den Kampf des Matadors Escamillo ( hervorragend: Yoonteak Rhim) und dem Stier ( Balletsolistin Irene López Ros, deren Tanz schon während der Vorstellung gefeiert wurde).

Am Ende der Vorstellung brach regelrechter Jubel aus und es gab auf den oberen Rängen Standing Ovations.

Nach der Aufführung lohnt es sich, noch etwas auf dem Schlosshof zu verweilen und das wirklich hervorragende Catering zu genießen.

Die Hofküche Sondershausen bietet elegante Weine in Gläsern, die dem fürstlichen Ambiente entsprechen. Das kürzlich wiedereröffnete Café Pille kredenzt hervorragendes Eis aus eigener Herstellung und handgemachte Pralinen. Aber auch der deftige Thüringer Geschmack kommt auf seine Kosten, denn die berühmte Bratwurst fehlt nicht.

An Feuerschalen kann man sich wärmen. Das war bei der Premiere nicht nötig. Selbst das Wetter spielte mit und bot geradezu spanische Temperaturen.

Die nächsten Vorstellungen und Karten dafür findet man hier. Wer eine Übernachtung braucht, dem sei das Schloss Großfurra empfohlen.

 

 

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