Schweigen ist nicht mal Silber, Schreiben ist Gold

Die Päpste Benedikt und Franziskus sind beide der Wahrheit genau so verpflichtet wie der Liebe. Damit wird aber die Unterscheidung zwischen ihnen zu einer Geschmacks- und nicht zu einer Glaubensfrage.

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Über einen Beitrag des Beiboots Petri, bin ich auf einen englischen Priesterblogger, Fr Ray Blake, aufmerksam geworden, der dort zitiert wird. Es geht dabei darum, wie sich die (in dem Fall englische, ähnliches mag aber auch für die deutsche gelten) katholische Bloggerszene nach dem Wechsel von Papst Benedikt XVI. zu Papst Franziskus verändert hat. Er schreibt dazu:

The reign of Benedict produced a real flourish of 'citizen journalists', the net was alive with discussion on what the Pope was saying or doing and how it affected the life of our own local Church. Looking at some of my old posts they invariably began with quote or picture followed by a comment, Benedict stimulated thought, reflection and dialogue, an open and free intellectual environment. There was a solidity and certainty in Benedict's teaching which made discussion possible and stimulated intellectual honesty, one knew where the Church and the Pope stood. Today we are in less certain times, the intellectual life of the Church is thwart with uncertainty.

Most Catholics but especially clergy want to be loyal to the Pope in order to maintain the unity of the Church, today that loyalty is perhaps best expressed through silence.

Eigene Übersetzung:

Das Pontifikat Benedikts hat eine wirkliche Blüte von „Laien Journalisten“ hervorgebracht, im Netz wurde lebhaft darüber diskutiert, was der Papst sagt und tut und wie es das Leben der örtlichen Gemeinden beeinflusst. Wenn ich meine alten Beiträge ansehe, beginnen diese meistens mit einem Zitat oder einem Bild (des Papstes), das ich kommentiert habe. Benedikt stimulierte Gedanken, Reflektionen und Dialog, ein offenes und freies intellektuelles Umfeld. Die Lehren Benedikts waren geprägt von Stichhaltigkeit und Gewissheit, die Diskussionen ermöglichte und intellektuelle Ehrlichkeit hervorbrachte, man wusste, wo Kirche und Papst stehen. Heute sind wir in weniger sicheren Zeiten, dem intellektuellen Leben der Kirche wird durch Unsicherheit entgegengewirkt.

Die meisten Katholiken aber besonders der Klerus wollen dem Papst gegenüber loyal sein, um die Einheit der Kirche zu wahren, heute drückt sich diese Loyalität vielleicht am besten durch Schweigen aus.

Leider werden in diesen Worten nicht die Prämissen deutlich, die diesen Aussagen zugrunde liegen. Wirkliche theologische Verunsicherung kann der Papst am Ende ja nur verbreiten, wenn man annimmt, dass er die kirchliche Lehre nicht ernst nimmt, ihr widersprechend handelt. Die Worte des Priesters können aber auch einfach als Aufzeigen der Entwicklung der öffentlichen Wirkung der beiden Päpste liegen.

Unzweifelhaft hat Papst Benedikt, Kirchenlehrer und Professor der er nun mal ist, die Gabe, selbst Stehgreifansprachen druckreif zu formulieren. Sein ganzer persönlicher Hintergrund bis hin zum Vorsitz der Glaubenskongregation ist darauf fokussiert gewesen, die Lehre der Kirche richtig und einheitsbewahrend wiederzugeben. Papst em. Benedikt ist ein Intellektueller, und als solcher war sein Pontifikat ein Glück für die „schreibende Zunft“ der Blogger, die sich mit Worten, also in der Mehrzahl auch intellektuell, mit dem Glauben auseinandersetzen.

Demgegenüber setzt Papst Franziskus mehr auf die Wirkung der Bilder, die Wirkung der großen Gesten – seine Ansprachen und Katechesen gleichen eher einem Dialog mit den Gläubigen denn Lehraussagen. Ich selbst erschrecke jedes Mal wenn sich der Papst wieder mal zur Wirtschaftspolitik äußert, einem Themenfeld, in dem er sich aufgrund der Rolle der Kirche als Beschützerin der Armen nur zu gerne tummelt, zu dem er aber fachlich kaum Qualifikationen aufweist. Der Schwerpunkt seiner Katechesen, ich möchte sagen der Schwerpunkt seiner Evangelisierung liegt nicht so sehr in der Herausstellung der Wahrheit, sondern in der Herausstellung der Liebe und der Barmherzigkeit.

Ich möchte damit keinen Keil zwischen die beiden Päpste treiben, beide sind der Wahrheit genau so verpflichtet wie der Liebe, keiner von ihnen wird das eine gegen das andere ausspielen wollen, aber ihre grundsätzlichen Mentalitätsunterschiede – der deutsche Professor und der südamerikanische Seelsorger – lassen es gar nicht zu, dass sie in der Welt gleich wirken. Bestimmt aber zeichnet Papst Benedikt keine geringere Liebe und Barmherzigkeit aus als seinen Nachfolger und Papst Franziskus keine geringere Wahrhaftigkeit als seinen Vorgänger.

Die Predigten und Ansprachen des letzteren sind aber in der Tat keine theologischen Kleinode, die man direkt in Buchform pressen kann, ohne das man in sie nicht Widersprüche zur Kirchenlehre zumindest hineininterpretieren könnte. Das mag eine gewisse Unsicherheit bei denen erzeugen, die sich an die Art von Papst Benedikt gewöhnt hatten, dessen Worte sie quasi als lehramtliche Aussagen zitieren konnten. Für diejenigen, die Freude an geschliffenen Formulierungen haben, ist das sicher ein Verlust. Ich selbst zähle mich auch dazu, und es ist für mich auch bei der Lektüre der Texte von Ratzinger/Benedikt immer eine fast „mystische“ Erfahrung, seine Aussagen zu verstehen und darin Wahrheiten zu entdecken, die ich vielleicht aus dem Bauch ebenfalls so gesehen hätte, sie aber ohne seine Worte nicht hätte begründen können.

Damit wird aber die Unterscheidung zwischen Benedikt und Franziskus zu einer Geschmacks- und nicht zu einer Glaubensfrage. Darüber hinaus wird der von Fr Ray Blake thematisierte Vorschlag, Loyalität drücke sich am besten durch Schweigen aus, dadurch völlig kontraproduktiv, denn gerade wenn die Worte des neuen Papstes erläuterungsbedürftig sind, manchmal vielleicht auch missverständlich erscheinen, dann sind diese Erläuterungen, diese Erklärungen ja doch zu leisten. Das ist nicht so „bequem“, wie über die bereits geschliffenen Worte von Papst Benedikt zu meditieren, aber die Herausforderung diese in die Sprache einer „religiös unmusikalischen“ Welt zu übersetzen ähnelt doch der, die Worte von Franziskus einer Welt zu erläutern, die ihn nur allzu gerne missverstehen will.

Als papsttreuer Blogger sieht man sich – geprägt und initiiert durch das Pontifikat Benedikts – vor neue Herausforderungen gestellt, die Treue zum Papst nun in einer anderen Weise plastisch werden zu lassen, Kritik – wenn sie denn unberechtigt ist – auch von anderer als von explizit kirchenkritischer Seite zu beantworten und seine Botschaft wie die Benedikts in die Welt hineinzutragen. Schweigen jedenfalls ist keine Alternative, ein – wie ich es nennen möchte – „polemisches Schweigen“ schon gleich gar nicht!

Zuerst erschienen auf papsttreuer.blog.de

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