Schnapsgeld? Glucken-Gehalt? - Woher dieser Hass?

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So manche ganztags erziehende Mutter oder ihr Kollege, der Hausmann und Vater reiben sich die Augen, lesen sie morgens in der Zeitung Schlagzeilen, wie: Herdprämie ist Schnapsgeld! Oder: Gutscheine gegen den elterlichen Missbrauch von Kindergeld! Wo liegt die Wurzel dieser tief sitzenden Abneigung gegen Eltern, die nichts weiter wollen, als ihre Kinder selber erziehen? Jeder, der Augen im Kopf hat, sieht sie doch auch und allerorts, Eltern in prekären Lebensumständen, die lieber selber in Lumpen daherkommen, als ihren Kindern den Anschluss zu verwehren! Ganz sicher liegt die Erklärung für das Phänomen des gesellschaftlich anerkannten und hippen Hausfrauen-Mobbings nicht auf der materiellen Ebene, auf der es ausgefochten wird. Tief unten, in der Seele des Angreifers liegt ein Gesellschaftsbild, an dem er die hauptberuflichen Erzieher der eigenen Kinder misst. Kennt man dieses, so erscheinen die Angriffe gar nicht mehr so willkürlich und aus der Luft gegriffen:

„Ich beobachte einen Riss in den gesellschaftlichen Vorstellungen und unterteile sie in die PLATZ- und die RAUM-Gesellschaft. Wenn Ursula von der Leyen nur das gelderwerbsbezogenen Handeln als Fähigkeit akzeptiert, dann steckt dahinter ein Vorstellung von Gemeinschaft, die ich die PLATZ-Gesellschaft nenne.


Platz !

„Platz!“, lautet der Befehl an einen Hund, der sich hinlegen soll. „Nein, nicht irgendwo hin!“ Er soll genau dort liegen, wo es – aus Sicht des Herrn und Meisters – angemessen ist. Der PLATZ der genau für diesen Hund in dieser Situation geboten ist, entspricht dem Plan des Herrn und Meisters. Der Hund aber hat nicht weiter zu hinterfragen, er muss nur zur vorgegebenen Zeit an der richtigen Stelle liegen, den PLATZ auf sich wirken lassen und schon ist der Plan erfüllt. „Braver Bello!“

Aber, Scherz beiseite. Was hat es auf sich mit Plätzen? Sie sind zunächst einmal öffentliche unter freiem Himmel baulich gestaltete Ebenen auf denen vorsortierte Menschengruppen mehr oder weniger zweckdienlich agieren und sich begegnen. Sie können überquert werden, auch wenn sie eigentlich dem Verweilen zugedacht wurden. Plätze werden einem entweder zugewiesen (s.o.) oder man sucht sie aus freien Stücken auf. Im Fußball gibt es bei Regelverstößen Platzverweise.

Anhänger des PLATZ-Gesellschaftsbildes erkennt man an ihrem Vokabular. Da wimmelt es von Worten wie:

- Warteliste
- Krippenplatz
- Kitaplatz
- Musikschulplatz
- Schulplatz
- Arbeitsplatz
- Reha-Platz
- Altersheimplatz

Der Friedhof heißt nach meiner Kenntnis erstaunlicherweise immer noch Friedhof – komisch eigentlich! Dem muss ich nachgehen! Jetzt fällt es mir ein: Ein Toter ist ja nicht mehr regierbar oder gar nützlich!

Vor einiger Zeit, am Beginn der Regierungsoffensive für 750.000 Krippenplätze in Deutschland, sah ich in den Fernsehnachrichten eine Reportage über eine junge und zeitgemäße Karriere-Familie. Vater, Mutter, Kind. Sie verließen alle drei früh morgens ihre gemeinsame Wohnung um ihre Plätze aufzusuchen. Den Krippenplatz des kleinen etwa einjährigen Emil nannte die Mutter stolz seinen „Arbeitsplatz“ und das war er auch wohl. Aus der Sicht ihres PLATZ-Weltbilds leistet das Baby die „Arbeit“, den ganzen Tag auf seine Mutter zu verzichten und trägt so zu dem außergewöhnlich üppigen Familieneinkommen bei.

Ein weiteres Markenzeichen dieses Weltbildes ist das Wort

- Sozialisation.

Gemeint ist damit etwas Ähnliches wie Erziehung. Aber nicht so eine, die eine innere Entwicklung oder das Erreichen einer Reifestufe beantwortet, sondern ein Eingriff in das junge Leben, der einen äußeren entwicklungsanstoßenden Impuls darstellt. Eine Vormachtstellung in der Werkzeugkiste dieser Impulse hat eben der zielgenaue Verweis auf den angemessenen PLATZ inne. So soll Emil in der Kinderkrippe, da bin ich mir ganz sicher, zum Umgang mit Gleichaltrigen sozialisiert werden, denn er ist ja Einzelkind. Würde er von einem seiner Eltern zu Hause in variierenden Antworten auf seine jeweilige individuelle Entwicklungsstufe erzogen, dann würde er in den PLATZ-Kreisen als nicht sozialisiert eingestuft. Der äußere Impuls soll eine innere Veränderung bewirken, die sich dann wiederum nach Außen hin auswirkt. Gut, Emil nutzt seine acht Stunden auf seinem „Arbeitsplatz“. Er spielt täglich etwa elf Minuten mit Gleichaltrigen (die Krippnerin führt Buch)und weint nicht mehr nach seiner Mama. Sein Opa lächelt tapfer und malt derweil auf seinem PLATZ in der Seniorenresidenz Seidenschals in den Farben seines Fußballclubs. „Jetzt sehe ich vielleicht fast genauso aus, wie der ältere Herr auf dem Hochglanzflyer des
Heims“, denkt er. Ein Erfolg? Ja? Ja! Aber wessen Erfolg? Und da haben wir ihn wieder, den ominösen Herrn und Meister!

Wer zum Teufel ist das denn? Natürlich kommt dieses Gesellschaftsbild nicht ohne Hierarchie aus. Genau! Ich hätte sie fast vergessen, die zu 60% kinderlosen Journalisten und Handlanger der Sozialingenieure unter den Politikern.

[…]

Ganz oben in der Hierarchie stehen Gesellschaftsarchitekten, die es grundsätzlich und tatsächlich gut meinen. Sie wähnen sich, ähnlich wie der Evangelist Johannes am Anfang seines Evangeliums, als die, die die Draufsicht haben. Sie planen und bauen Sozialsysteme und reparieren verkorkste Strukturen. Der dümmliche Wähler wird sanft von gütig lächelnden
Gestalten in den Plan gestupst. Er wird aufgestellt auf seinem PLATZ im Spielfeld des Ingenieurs, der PLATZ wirkt dann auf ihn, bis er für den nächsten PLATZ reif ist. Die zweite Hierarchieebene stellen die Platzwärter dar. Da gibt es die Sozialwissenschaftlerin, die Steuermittel dafür verbraucht, herauszufinden, dass erziehende Mütter abstoßend auf ihre Kinder wirken. Es gibt sogar einen ernsthaften und ranghohen Professor an der Universität Halle-Wittenberg, Kai Detlef Bussmann, der erforscht hat, die Familie sei die Hochburg der Gewalt. Er empfiehlt dem Staat Kontrollen und polizeiliche Interventionen. Na klar, er muss doch dafür sorgen, dass sein Herr und Meister Zugriff auf die Spielfiguren hat. Plätze, ja auch Gefängnisplätze, sind ja oben offen.

Fassen wir zusammen: Der PLATZ-Gesellschaft ist die Familie, die ihre Kinder persönlich und zu Hause erzieht, keinesfalls zuträglich. Ein Segen für die Gesellschaft? Mitnichten!

Anhänger dieses Gesellschaftsbilds wünschen sich die Menschen auf den vom Herrn und Meister für adäquat erachteten Plätzen. Dieser muss ja im Zweifelsfall ran kommen können, an die, denen es durch die Erfüllung seines Plans gut gehen soll. Menschen werden sortiert und ordentlich abgelegt. Die Babys auf den Krippenplätzen, die Kranken in die Krankenhäuser, die Alten in die Altersheime, die Kräftigen auf die Arbeitsplätze, die Kinder auf die Kita-Plätze … In den Strukturen, die vom mittleren Alterssegment abweichen, gibt es dann immer gutmeinende helfende Abgesandte aus der Kohorte der Kräftigen. Je weniger das sind, desto wirtschaftlicher verläuft die Planerfüllung.

Wäre dieser Herr und Meister der Plätze Gärtner, so würde er in meiner Phantasie Hecken pflegen, hohe und lange Buchenhecken, mit denen er es gut meint. Wachsen sie nicht schön grade, in ihren nach Alter sortierten Reihen?“

 

Aus: Stefanie Selhorst: Nur. Essay zum Beruf. Kißlegg: FE-Medienverlag 2010, S. 176, Euro 6.95.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: ajki

Sorry aber früher einmal konnte ein Mann seine Familie ernähren. Heute haben wir so hohe Steuern und Abgaben sowie Behördenmonster die alles und jeden Kontrollieren wollen, dabei aber saumässig viel Geld verbraten - das ein Mann die Familie nicht mehr ernähren kann.

Zusätzliches Kindergeld hilft da gar nichts, geht doch betimmt 3/4 des Geldes in den Behörden flöten..

60% aller Gesetze löschen, 50% aller Beamten entlassen, Behörden schliessen und gut ist. Für Recht und Ordnung reicht die Polizei, die braucht mehr Mann und mehr Geld. Ach ja, alle Frauenbeauftragte entlassen, das würde einige Millionen sparen.

Gravatar: Constanze Kikels

Liebe Frau Selhorst,
schön, dass es Menschen gibt, wie Sie, die die Realität genaustens beschreiben. Ich kann dem nichts mehr hinzufügen.
Ich selbst bin alleinerziehende Mutter, freiberuflich als Ingenieurin tätig und bin ständig Diskriminierungen ausgesetzt. Natürlich - ich passe ja auch nicht in dieses Schubladensystem und daher bin ich "schwer erziehbar" und demzufolge gefährlich für den "Meister", weil ich darüber spreche. Es wird einem wie mir Angst und Bange - aber nicht um mich selbst, sondern um unsere Kinder, weil sie hilflos dem ausgesetzt sind.
Letztendlich kann ich Ihren Worten nur zustimmen, da ich am eigenen Leibe erlebe, wie es sich anfühlt, wenn man sich nicht auf einen Platz drängen läßt.
Soll ich durchhalten oder soll ich aufgeben?

An dieser Stelle möchte ich die Leser des Artikels ansprechen:
Ich glaube nicht, dass der Artikel von Frau Selhorst ausschließlich nur den Frauen gewidmet ist. Natürlich gehört der Vater dazu. Ich denke vielmehr, dass Frau Selhorst das große Problem der Zertrennung der Familien anspricht. Es geht doch letztlich darum, dass wildfremde Leute sich in das Leben der Familien einmischen wollen, um so eine ganze Gesellschaft zu kontrollieren. Da werden dann künstliche Bedürfnisse geschaffen, wissenschaftlicher Blödsinn preisgegeben und schon funktioniert die Manipulationsschleife hervorragend. Denn was ist eines der innigsten Bedürfnisse eines jeden Menschen - Dazugehörigkeit und keine Ausgrenzung aus der Gesellschaft.
Es sollte eigentlich jedem klar sein, dass ein Mensch ein Recht auf Selbstbestimmung hat und es gegen jede Menschenwürde verstößt, ihn zu eigenen Zwecken zu manipulieren.
Wir haben alle die Möglichkeit, uns ausgiebig zu informieren. Und wir haben auch alle die Möglichkeit, dass abzulegen, was uns nicht bekommt.
Ich glaube, wir leben in einer spannenden Phase des Umbruchs.
Gott sei Dank!
Ich wünsche mir so sehr, dass die Menschen sich endlich mal hinsetzen und nachdenken, bevor sie mit Mißverständnissen nur so um sich schlagen.

Gravatar: Donnerstag

Worauf wollen Sie hinaus? Dass der Platz eines Kindes bei seiner Mutter ist? Dass der Platz einer Mutter zu Hause bei den Kindern ist? Leider konnte ich dem weitgehend argumentationsfreien Artikel nicht so richtig entnehmen, was nun fuer oder gegen eine Kinderbetreuung entweder zu Hause oder in einer Gemeinschaft spricht.

Gravatar: Klimax

@Friedmann

Es geht mir nicht ums Stillen, Wickeln oder Schnuller reichen, sondern um emotionale Bindung. Und hier ist der Vater von Geburt an ebenso wichtig wie die Mutter. Allen mütterbewegten Unkenrifen zum Trotz. Das habe ich selbst als Kind so erlebt und erlebte ich als Vater wieder so.

Gravatar: Z. Klimowa

Sie haben völlig recht. Eva Herman hat das Gleiche auch schon gesagt.

Gravatar: Friedemann

@Klimax
Grundsätzlich bin ich Ihrer Meinung, um so mehr, je älter das Kind ist. Die erste Zeit sollte jedoch die Mutter dominieren und so lange als möglich stillen, Muttermilch ist bis heute durch nichts Gleichwertiges zu ersetzen.

Gravatar: Klimax

"Aus der Sicht ihres PLATZ-Weltbilds leistet das Baby die „Arbeit“, den ganzen Tag auf seine Mutter UND SEINEN VATER zu verzichten ..."

Auch hier wieder die verengte Sicht: Väter gehören nur zur Familie sofern sie zahlen, zahlen, zahlen. Fehlen tun sie ihren Kindern sonst wohl nicht.

Unsere Alleinerziehendengesellschaft zeigt indes ganz deutlich, woran es wirklich hapert. Aber nein, uns Familienfreunden interessieren natürlich nur Mütter, Mütter, Mütter...

Ansonsten ist der Text ganz lesenswert, auch wenn er stark verallgemeinert und auf die Spitze treibt.

Gravatar: Seppl

Liebe Frau Selhorst,
sie sind eine scharfe Beobachterin und schaffen es, ihre Erkenntnisse zu meiner Freude auch noch in toll gewählten sprachlichen Bildern zu präsentieren.
Vielen Dank!

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