Schmähung statt Satire: Böhmermann als Erdogans Helfer in der Not

Was ist nur aus der deutschen Satire geworden? Ja, es gibt sie noch, die raren geistreichen Momente, wenn etwa Dieter Nuhr, Urban Priol oder Georg Schramm die Bühne betreten.

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Doch Deutschlands politisches Kabarett hat immer weniger Vielfalt zu bieten. Linkspopulistische Schenkelklopfer bestimmen inzwischen weitgehend das Programm einer Szene, die mit plumper Haudrauf-Comedy ein Publikum anspricht, dem der Sinn für alles Feingeistige abhanden gekommen zu sein scheint. Man setzt auf deftige Parolen, statt subtiler Wortspiele und auf lautes Getöse, statt leiser Zwischentöne. Derb wird diffamiert und auch gerne mal zur Beleidigung gegriffen. Säbel statt Florett, lautet das Motto der Stunde, damit auch der Dümmste die krachende Pointe versteht. Und gerade die jüngere Satire-Generation scheint dabei das Rechts-Bashing als Geschäftsmodell für sich entdeckt zu haben. In einer Zeit, in der es zum guten Ton gehört, politisch möglichst weit links zu stehen, sind damit zwar Lacher garantiert, doch leider keine kabarettistischen Höhenflüge. Lange vorbei sind die seligen Zeiten eines Dieter Hildebrandt, der zwar ebenfalls einen ausgeprägten Linksdrall hatte, aber mit hinterlistig vorgetragenen Texten brillierte, in denen er sich scheinbar unbedarft verhaspelte, um dann mit einer geschickten Wortverdrehung einen überraschenden Coup zu landen.

Keiner seiner Nachfolger erreicht das Format des wohl einflussreichsten Kabarettisten der deutschen Nachkriegsgeschichte. Besonders deutlich wird dies bei den Zugpferden des ZDF, Grimme-Preis hin oder her. Die „heute-show“ hat nach starkem Debüt inzwischen nur noch Stammtischniveau und auch „Die Anstalt“ gefällt sich seit Priols Abgang vor allem in erzlinker Propaganda. Zu den jungen Wilden gehört Jan Böhmermann, der sich im Spartenkanal des ZDF versuchen darf. Der 35-Jährige ist kein Freund des feinen Humors. Er provoziert und pöbelt so gut er kann. Böhmermann steht sinnbildlich für eine Generation, die zu glauben scheint, Satire müsse mit dem Stilmittel des Skandals betrieben werden, um im multimedialen Dauergeschrei Aufmerksamkeit zu erzielen. Er hat seine Momente und sorgt mitunter für Aha-Effekte. Doch es fehlt ihm an Klasse. Und so steht sich Böhmermann irgendwie selbst im Weg. Interessante Ideen treibt er derart auf die Spitze, dass sie am Ende von der Kontroverse überlagert werden. Wie auch jetzt wieder. Die Kollegen des NDR hatten ein Spottlied auf den türkischen Staatspräsidenten verfasst, das dessen undemokratisches Gebaren aufs Korn nimmt. Sie hatten es geschafft, den Kalifen vom Bosporus herauszufordern und in Not zu bringen. Aber dann geht Böhmermann wieder einmal den einen Schritt zu weit und macht alles kaputt. Ermutigt vom Erfolg der Kollegen, meint er noch eins draufsetzen zu müssen.

Doch sein Erdogan-Schmähgedicht, in das er alles reinpackt, was sich in einer Minute an Beleidigungen aussprechen lässt, überlebt nur wenige Stunden, bevor ihn das ZDF aus der Mediathek entfernt. Man mag den Mainzern vieles vorwerfen, doch hier lagen sie richtig. Mit seinem tumben Tiefschlag hat Böhmermann in der wichtigen Debatte darüber, was Satire darf, allen einen Bärendienst erwiesen, die von der islamischen Welt ein klares Bekenntnis zu Toleranz und Meinungsfreiheit fordern. Gerade war Erdogan in die Defensive geraten, weil er sich nur mit großkalibrigem diplomatischen Geschütz gegen ein albernes Liedchen zu wehren wusste, gerade war die deutsche Politik aus der Reserve gelockt worden, die sich doch so gerne auf schmutzige Deals mit dem ausgewiesenen Antidemokraten einlässt, da lockert Böhmermann den sicheren Haltegriff der Kollegen und lässt sich von Erdogan auf die Matte werfen. Man muss schon zur Feuilleton-Abteilung der Spiegel-Redaktion gehören, um aus dem billig-obszönen Schmähruf eine tiefere Botschaft herauszulesen und einen deutschen Satire-Erfolg zu feiern. Aber vielleicht liegen wir ja auch alle falsch. Vielleicht sieht sich Böhmermann gar nicht als Kabarettist, sondern bloß als Störenfried, der einfach nur anecken will und dem egal ist, was er anrichtet. Die große Chance, einen der Feinde der Meinungsfreiheit entscheidend in die Enge zu treiben, hat er jedenfalls leichtfertig zunichte gemacht. 

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Beitrag zuerst erschienen auf peymani.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Atson

Wie das war Satire?

Gravatar: Lord

Herr Heßling,

Sie sprechen Deutsch. Gut und schön.

Aber wenn es straf- oder zivilrechtlich relevant wird, bezahlt die Zeitung und nicht Sie.

Wenn Sie sich hemmungslos äußern wollen, empfehle ich Ihnen, ein Blog einzurichten. Dort können Sie schreiben was Sie wollen und verantworten es selbst.

Gravatar: RisingEuropeAgain

Prinzipiell stimme ich mit Ihner Meinung, Herr Peymani, überein.
Aber ein paar kleine Korrekturen/Denkanstöße kann ich mir nicht verkneifen:
1.Ja, Dieter Nuhr STAND einmal für gute, politisch-ausgewogene, intelligente Satire... Aber (leider, muss ich sagen!) dem ist schon lange nicht mehr so!
Man kann sogar (m.E. nach) mit dem Finger auf den Zeitpunkt deuten, als aus dem "alten Nuhr" der "neue Nuhr" wurde: Nämlich nachdem er im Sommer 2015 (Merkel hatte vor kurzem die Grenze für alle Migranten dieser Welt, vornehmlich Syrer, geöffnet) aus der Sommerpause zur ARD zurückkehrte!
Bereits in der ersten Sendung zeigte er an, dass es ihm nun nicht mehr um die Kritik an den Herrschenden und der Aufklärung/dem_Aufrütteln der Bevölkerung ging, indem er immer wieder darauf verwies, dass das Hauptproblem unserer Zeit (damals kamen jeden Tag ca. 5.000 Neusiedler nach Dt. hinein) der "Alarmismus" sei, und die "gefühlten Gefahren", die jeder jederzeit auf seinen Smartphones lesen würde!(Das genaue Gegenteil war die Realität und hätte auch so kommuniziert werden müssen, von jemandem, dem es an der Wahrheit/der_dt._Bevölkerung gelegen ist/wäre!!!)

2.Nicht so kompliziert denken! - Ja, der Herr Böhmermann wollte ganz offensichtlich auf den "Erfolg des X3-Videos" noch "einen drauf setzen"... - Aber ich fürchte, sie schätzen die Motive des Hr. B. ZU NOBEL ein! ;) - Ihm ging es mitnichten darum, dass er "die Satire noch eine Stufe weiterdrehen wollte",.. Nö. Jeder der Hr. B. eine Zeit lang bei der Arbeit zugesehen hat, weiß, dass er ein absoluter Narzisst, ein vom Ehrgeiz&Medienruhm zerfressener Mensch ist! - Das einzige, was ihn motiviert haben dürfte war eins: MEHR KLICKS, MEHR QUOTE für "sein Erdogan-Filmchen" zu bekommen als X3 für "ihr Erdogan-Filmchen". ;) - Darum dreht sich bei ihm alles, und sein Motto könnte sein: "To big to fail"-werden: Er will lieber 10x über das Ziel hinausschießen und zensiert werden, als 1x hinter der misslieben "Comedy-Konkurrenz" zurück zu bleiben! - Und in sofern,... ist ihm ja auch letzte Woche wieder alles geglückt.... - Ob sein Handeln Deutschland nützt oder schadet, ist diesem Herrn ca. genauso egal, wie, ob in Griechenland tatsächlich kleine Sparer um ihr Geld fürchten müssen, ob irgendwo Irgendwer ertrinkt, ob Leute in Afrika an AIDS leiden oder nicht,.... (Alles Themen zu denen er sich geäußert hat, bei denen man ihm -m.E.n.- seine absolute Gleichgültigkeit (bei geheuchelter Kritik) anmerken konnte!)

Gravatar: Erbschuldiger

Die journalistische Sumpfblüte Böhmermann repräsentiert den Erfolg des kulturellen Bodensatzes in einer zutiefst dekadenten Gesellschaft. Wo eine Claudia Roth dem Parlament stellvertretend vorsitzen darf, findet auch eine halbgebildete Dreckschleuder wie Böhmermann seine Auftraggeber. Humanistische Bildung und Werte wie Anstand, Respekt und Toleranz gegenüber Andersdenkenden, ganz zu schweigen von Ehre, Würde und Stil, sind diesem pöbelnden Rüpel fremd. Immerhin aber beherrscht er das Pausenhofvokabular des bundesdeutschen Bildungswesens so gut, daß er für das Staatsfernsehen ZDF unverzichtbar erscheint. Aber : Was stört es den Mond, wenn ihn der Mops anbellt ? Wenn er allerdings versucht, Kant zu bellen , ist das nicht nur kurios, sondern ein Sakrileg gegenüber einem großen deutschen Denker !

Gravatar: Diederich Heßling

Ich spreche Deutsch! Und weil "Sie" (die meisten Menschen heutzutage) das nicht mehr tun, werden sie untergehen.
Aber ich habe Verständnis für Ihre Entschäfung, nichts für ungut.

Gravatar: Diederich Heßling

Böhmermann ist kein Kabarettist oder Satiriker. (...)

(Anm.d.Red. entschärft)

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