Das Tauziehen um den Asylantrag einer zu Hause unterrichtenden Familie, die 2008 vor deutschem Schulzwang aus dem baden-württembergischen Bissingen nach Tennessee, USA geflohen war, ging jüngst in die dritte Runde. Am 6. Februar 2013 fochten Anwälte der größten Rechtsschutzorganisation für Hausunterricht in den USA – HSLDA – offiziell den Einspruch gegen die Asylgewährung für Uwe und Hannelore Romeike vor der nächsthöheren Gerichtsinstanz an. Was Anfang 2010 nach einem Sieg für grundlegende Freiheitsrechte ausgesehen hatte, erweist sich als Zankapfel größeren Ausmaßes.
Deutsche Politiker, Medienmacher und Bildungsbürokraten brachten vor drei Jahren wenig Verständnis dafür auf, daß US-Richter Lawrence Burman die Romeikes als politisch Verfolgte bezeichnete – und die Bekämpfung von Hausunterricht durch den deutschen Staat als Verletzung von Menschenrechten geißelte. Wieder einmal verstanden unsere Funktionseliten Amerika nicht mehr, das ferne, seltsame Land gefährlicher Freiheiten. Man beruhigte sich erst, als die amerikanische Regierung in Gestalt der staatlichen Einwanderungsagentur Berufung einlegte. Letzten Mai erhielt die Behörde Recht.
Kontrolldrang und Freiheitstradition
Der Drang, elterliche Freiheit bei der Erziehung der eigenen Kinder einzukürzen, ist keine deutsche Besonderheit. Wenn auch der moderne Staat preußischer Prägung als Mutter aller Schulpflicht gilt: Gefallen an der Kontrolle Unmündiger findet jede andere Staatsbürokratie auch. Ein Volk, ein Staat, eine Schule: dieses Modell – vom Unsterblichen aus Braunau auf die Spitze getrieben – inspirierte nachweislich auch das Bildungssystem der Vereinigten Staaten von Amerika stark.
Allerdings mußte und muß dortzulande eine mächtige Tradition bekämpft werden: Jahrhunderte lang war der Unterricht im eigenen Hause erste Bildungswahl von Pionier- und Siedlerfamilien zwischen atlantischem und pazifischen Ozean. Nicht zuletzt dem beherzten Widerstand und juristischen Kampfesmut ihrer Nachfolger ist es zu verdanken, daß in den achtziger Jahren die Bildungsalternative Homeschooling in amerikanische Gesetzesform gegossen werden konnte.
Lehrergewerkschaft und US-Regierungen indessen ließen seither keine Gelegenheit aus, das Recht auf Hausunterricht wieder in Frage zu stellen – und staatliche Schulen als einzig legalen Hort von “richtigem” Bildungserwerb wiederherzustellen. Der wohl drastischsteRoll-back in dieser Richtung nahm just in dem Moment Fahrt auf, als um die Burmansche Asylbrüskierung Hoffnungspflänzchen für einen Wandel in Deutschland zu ranken begannen.
Teutonische Staatsschulverbissenheit
Gegen derlei Unkraut hatte sich Washingtons Generalstaatsanwalt Eric Holder argumentativ mächtig ins Zeug gelegt. Zunächst verbat er sich vehement des Asylrichters Deutung. Die Familie sei in Deutschland sehr wohl korrekt zur Rechenschaft gezogen worden. Schließlich befolge sie deutsches Schulgesetz nicht. Und das sehe nun einmal keinen Hausunterricht vor. Mit „Verfolgung“ einer gesellschaftlichen Gruppe habe das gar nichts zu tun. Letztlich hätten die Romeikes sich bemühen müssen, eine Bildungsalternative in den Schulen ihrer bundesdeutschen Umgebung zu finden.
Hier jedoch endete die Verbeugung vor teutonischer Verbissenheit in Sachen Staatserziehung. Was folgte, waren Argumente in eigener Sache. Holdens und seiner Unteranwälte Botschaft richtete sich gegen zwei Millionen amerikanische Hausschüler und deren Familien, mithin gegen Homeschooler in aller Welt: „Hausunterricht ist kein Freiheits-, kein Menschenrecht.“ Will sagen: Rechnet nicht mit uns als Verteidigern von Rechten, von denen die US-Regierung nichts wissen will.
Gemäß Holdens Logik verletzt eine Hausunterricht pauschal unterdrückende Regierung – hier: die deutsche –, niemandes Rechte. Schließlich benachteilige sie dadurch keine besondere Gruppe: gleiche Behandlung für alle, dadurch schließt man Unrecht aus. Außerdem sei Hausunterricht keine unverzichtbare Angelegenheit. Man könne seine Kinder auch am Nachmittag, nachdem sie aus der Schule gekommen sind, elterlich belehren.
Bedrohung von Individual- und Freiheitsrechten
„Gefährliche Sichtweisen gegenüber unserer Freiheit“ nennt dies der amerikanische Anwalt und Menschenrechtskämpfer Michael Farris. In einer pointiert kritischen Stellungnahme zu Holdens Einlassungen legt der Mitbegründer und Vorsitzende von HSLDA vor internationalen Öffentlichkeit dar, daß die Argumente der amerikanischen Regierung im Asylfall Romeike die Freiheits- und Individualrechte aller gefährden.
Farris’ Einspruch, seine Entschlossenheit und die seiner Mitkämpfer hat das Zeug, das Verfassungsgericht der USA zu beschäftigen. Denn dort war in der Vergangenheit die Freiheit stets hoch angesiedelt, sich gegen staatliche Übergriffe auf die eigenen Überzeugungen zu verwahren. Der politisch brisante Bildungsfreiheitskampf bleibt spannend – zumindest für die, denen die schleichende Staatstotalisierung nicht egal ist.
Kommentare zum Artikel
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Danke für die Informationen bezüglich der Familie Romeike, der ich an dieser Stelle viel Erfolg bei ihrem Asylverfahren in den USA aus dem in Sachen Schulzwang noch nicht befreiten Deutschland wünsche.