Schaffen höhere Löhne mehr Kaufkraft?

Man liest und hört immer wieder, man könne mit höheren Löhnen die Wirtschaft „ankurbeln“. Dahinter steht die These, dass durch Lohnerhöhungen mehr Kaufkraft geschaffen werde, daraus resultiere eine größere Nachfrage. Mehr Nachfrage schaffe schließlich mehr Arbeitsplätze. Diese These beruht auf einer unvollständigen Sicht der Wirtschaftskreisläufe.

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Stellen wir uns vor, morgen würden weltweit alle Löhne gleichmäßig angehoben werden. Die Unternehmen würden daraufhin ihre Preise um den Betrag erhöhen, der notwendig ist, um die zusätzlichen Kosten aufzubringen. Da die Lohnerhöhung gleichmäßig alle konkurrierenden Unternehmen trifft, könnten sie dies tun, ohne einen Wettbewerbsnachteil zu erleiden. Das bedeutet, dass alle Preise steigen würden. Das würde zwar dazu führen, dass die Arbeitnehmer einen höheren Geldbetrag erhalten, sich aber davon nicht mehr kaufen können,  da ja auch die Preise gestiegen sind. Wenn also die Löhne für alle  global gleichmäßig angehoben würden, würde die Kaufkraft nicht ansteigen.

Stellen wir uns nun vor, nur in der Bundesrepublik würden die Löhne aller Arbeitnehmer um den gleichen Prozentsatz erhöht. Das bedeutet, dass die Produkte und Dienstleistungen, die in der Bundesrepublik erzeugt werden, verteuert werden müssten. Die Preise für Produkte und Dienstleistungen, die aus dem Ausland kommen, bliebe hingegen gleich. Das bedeutet, dass die Kaufkraft der Arbeitnehmer steigt, weil sie sich mehr Produkte und Dienstleistungen leisten können, die im Ausland erzeugt werden.

Die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen aus dem Ausland würde also steigen und im Ausland könnten mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. Dies aber nur in einer kurzen Phase. Denn die Nachfrage nach den deutschen Produkten würde zurückgehen, da diese im Vergleich zu den ausländischen Produkten teurer werden. Sie würden im Ausland weniger gut abgesetzt und auch im Inland weniger nachgefragt. Also müssten die deutschen Unternehmen Arbeitsplätze abbauen, um ihre Kosten zu reduzieren. Die Arbeitnehmer, die ihre Arbeit verlieren, müssten ihren Konsum einschränken, was wiederum die Kaufkraft reduziert.

Stellen wir uns nun vor, dass nicht alle Löhne angehoben werden, sondern nur die Löhne in bestimmten Bereichen, etwa in Form von Mindestlöhnen im Friseurhandwerk und diversen anderen Dienstleistungen, die vielleicht nicht durch ausländische Wettbewerber angeboten werden können. In diesem Fall steigen die Löhne in diesen Bereichen an. Das erhöht die Kaufkraft der betreffenden Arbeitnehmer. Sie können mehr Geld ausgeben. Gleichzeitig erhöhen sich aber auch die Preise für diese Dienstleistungen. Da wir davon ausgegangen sind, dass diese Dienstleistungen nicht von preiswerteren Konkurrenten angeboten werden können, müssen die Nachfrager dieser Dienstleistungen höhere Preise bezahlen. Darum sinkt ihre Kaufkraft und sie müssen ihre Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen in anderen Bereichen reduzieren. Oder sie reduzieren ihre Nachfrage nach den verteuerten Dienstleistungen, was die Beschäftigung in diesem Bereich senkt. Das schmälert wiederum die Kaufkraft.

Fazit: Lohnerhöhungen können zu einer Umverteilung von Kaufkraft führen –allerdings mit dem Risiko fallender Effizienz – aber nicht zu einer Steigerung der Kaufkraft, denn was für die einen höhere Löhne sind, sind für die anderen höhere Kosten und Preise.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Miriam

Ja, das schaffen sie!

Gravatar: Menschenskind

Frage an Freigeist: Wie verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt? Ihre Frage ist seltsam.

Gravatar: Freigeist

Hallo,
schreiben sie doch auch mal, wann Löhne steigen können. Bin gespannt.
Grüße
Freigeist

Gravatar: Heti

Ausgezeichnet erklärt! Danke

Gravatar: Elmar Oberdörffer

Genau so ist es! Vollkommen logisch und leicht einzusehen, aber offenbar für die meisten Politiker und alle Gewrkschaftler schon zu hoch.

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