Russische Fragestunde

Wir sollten aufhören, dem Rest der Welt unsere Kriterien aufzunötigen. Die anderen haben keine zwei Weltkriege verloren, sie wollen nicht aus Selbstekel und Toleranz aussterben, und sie haben auch keinen "Nato-Partner", den sie für ihren großen Bruder halten.

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Aus Moskau schreibt Leser B. über Putins TV-Fragestunde, die ich hier auszugsweise verfolgt habe: "Obwohl mit Sicherheit eine gewisse Vorauswahl der Fragen und Frager stattfindet, zeigen sowohl unangenehme Fragen von Oppositionellen als auch kleine Ausrutscher, dass hier kein Theater gespielt wird und Putin sich durchaus nicht sicher sein kann, womit er als nächstes konfrontiert wird. Umso beeindruckender ist die Souveränität, mit der der russische Präsident über vier Stunden hinweg Fragen aus den verschiedensten Bereichen sachlich und bisweilen auch mit Humor beantwortet. Am meisten besticht Putin durch seine Zahlenkenntnis – ob dies nun der Brotpreis, das durchschnittliche Gehalt in St. Petersburg oder ein Ukas Katharinas der Großen über die Krimtataren ist. Man möchte sich nicht ausmalen, wie führende deutsche oder EU-Politiker sich in dieser Situation schlagen würden. Es wird einen guten Grund geben, warum wir sie jenseits von oberflächlichen, in der Regel bereits durch Themen- und Gästewahl durchorchestrierten Talkrunden kaum sehen."

Dieser Gedanke ist in der Tat lustig; allerdings dürfte man sich in jenem Land, wo das öffentliche Tragen eines Maulkorbes als erste Bürgerpflicht gilt, ziemlich sicher sein, dass ohnehin niemand außerhalb der Anonymität des Internets die falschen Fragen stellen würde, weil ihm das in seinem v. a. beruflichen Umfeld erheblich schaden könnte, denn wir leben schließlich in einer überaus hilfreichen Gesellschaft. Es würde also wahrscheinlich niemand Frau Merkel höflich um Auskunft bitten, ob die Deutschenfeindlichkeit und Gewaltkriminalität zahlreicher jugendlicher Zugewanderter aus einer speziellen Weltkulturgegend ebenfalls, wie der NSU, eine "Schande für Deutschland" seien, ob das Abdriften ganzer sozialfinanzierter Stadtteile ins Asoziale, nicht nur in Duisburg oder Dortmund, sondern sogar in der alten und neuen Hauptstadt der DDR, noch zum Konzept der "bunten" Republik zähle oder bereits als Sezession zu betrachten sei, weshalb dort auch im Falle schwerster Gesetzesbrüche das "Doch seht, die brave Polizei/Eilt wie gewöhnlich schnell herbei!" (Wilhelm Busch) nicht mehr gelte. Wohl niemand würde Auskunft begehren, wieviele Schwarzafrikaner Europa bzw. wenigstens Deutschland ungefähr "brauche" – und vor allem wofür –, und was mit den Überzähligen geschehen solle, die dort dermaßen schnell nachgezeugt werden, dass man in Europa mit den raumschaffenden Abtreibungen kaum hinterherkommt; warum ferner die grünen Bestmenschen oder die spitzbübischen Weltbeglücker von Pro Asyl nicht wenigstens ein paar hundert Flüchtige bei sich daheim oder in ihren Büros aufnehmen, wieviele Millionen kommen wollen sollen oder gekommen sein werden müssen, bis man Schiffe wieder nach Afrika zurückschickt, wieviele Windräder es pro Afrikaner zusätzlich braucht und ab wann man öffentliche Plätze einfach komplett überdacht, damit die Neuankömmling nicht nass werden, während sie für ihr Bleiberecht streiten und der dafür notwenige Wohnraum requiriert wird. Zum Beispiel. Oder warum Italiener und Griechen ein größeres Pro-Kopf-Privatvermögen haben als Deutsche, welchletztere diese Länder gleichwohl so fröhlich alimentieren dürfen wie u. a. auch die wahrscheinlich nur wenigen Nicht-Ärzte und Nicht-Ingenieure aus Rumänien. Oder wieviele "Transphobe" es hierzulande nach Zählungen des Verfassungsschutzes oder der NSA (Pro Asyl?) gibt, dass man ihre dringend gebotene Bekämpfung in den Koalitionsvertrag aufgenommen hat. Fragen nach den außenpolitischen deutschen Interessen verböten sich ohnehin aufgrund der erwartbar EU-kompadebilen Antworten. Womit wir wieder bei der Fragestunde von Wladimir dem Schrecklichen wären, ich zitiere weiter:

"Apropos Krimtataren: Auf die Frage eines solchen nach Wiedergutmachung für die Repressionen unter Stalin antwortete Putin, dass dies auf jeden Fall auf seiner Agenda wäre, allerdings müsste eine solche Wiedergutmachung auch andere Völker umfassen, die unter Stalin gelitten hätten, beispielsweise Armenier oder Deutsche (!). Es ist schon erstaunlich, dass der Sproß einer Leningrader Familie, die unter der deutschen Belagerung litt, sich so um die Deutschen bemüht, auch wenn es in dieser Situation (wie auch sonst meistens) für Deutschenfreundlichkeit garantiert keinen Blumentopf zu gewinnen gab."

Vor allem in Deutschland nicht. Spätere Historiker, vornehmlich wohl Asiaten, werden zu diesem Thema interessante Abhandlungen verfassen. Weiter im Text:

"Von diesen Dingen wird man aber wohl kaum etwas in den Zusammenfassungen der westlichen Presse lesen. Am wenigsten über folgende Bemerkung: Auf die Beziehungen zu Westeuropa angesprochen sagte Putin, es bereite ihm Schwierigkeiten, außenpolitische Fragen mit den westeuropäischen Staaten zu besprechen. Da diese einen Gutteil ihrer Souveränität bereits abgegeben hätten, sei es überhaupt nicht mehr möglich geopolitische Fragen vernünftig zu diskutieren. Darüber hinaus würden sie selbst zu Hause nur flüstern aus Angst, abgehört zu werden. Dieser letzte Satz – und nur dieser – findet sich auch auf Spon. Von dem viel grundsätzlicheren Problem – der deligierten Souveränität an EU und Nato und im Falle Deutschlands auch der Unfähigkeit, eigene Interessen zu verteten, ja überhaupt die Formulierung derselben als ureigenes Recht einer souveränen Nation und als Pflicht ihrer gewählten Vertreter zu sehen – findet sich nichts."

Was dieses Problem irgendwie bestätigt.

Putin wiederum – ich wiederhole mich hier – ist keineswegs der schlimme Autokrat, der sein Volk knebelt und Russland wieder zur Weltmacht führen will, sondern, auf die gesamte Geschichte gesehen, der moderateste russische Herrscher überhaupt. Die UdSSR-Nachfolgerin GUS ist unter ihm quasi verschwunden. Den Afghanistan-Krieg des Westens, der nicht legitimer ist als die Krim-Annexion, hat er unterstützt. Als Dank rückten ihm die Amerikaner via Nato noch ein bisschen näher auf den Bärenpelz. Nur dass die Krim eben so russisch ist wie Helgoland deutsch. Noch nie herrschte ein so businessfreundlicher, öffentlich kritisierbarer, westlich orientierter Regent über das russische Reich. Es könnte alles viel schlimmer sein. Wir sollten aufhören, dem Rest der Welt unsere Kriterien aufzunötigen. Die anderen haben keine zwei Weltkriege verloren, sie wollen nicht aus Selbstekel und Toleranz aussterben – natürlich nur als "Volk", keineswegs als "Individuen" –, und sie haben auch keinen "Nato-Partner", den sie, närrisch fixiert wie Lorenz'sche Graugänse, für ihren großen Bruder halten und hinter dessen Hosenbeinen sie sich vor der Welt verstecken (manche haben es auch bis hinauf ins Gesäß geschafft). Es wird interessant sein zu beobachten, was passiert, wenn der vermeintliche Bruder seine eingebildeten Verwandten einfach abschüttelt und sich absentiert. Also zu wem sie dann hilfesuchend krabbeln bzw. watscheln. Denn Irgendjemand muss es ja sein, seitdem der Führer tot ist.

P.S.: Nichts gegen die USA übrigens. Einem Land, in dem die Freiheit der Rede zumindest theoretisch (und außerhalb der Universitäten) gilt, in dem jeder, der will, eine Waffe tragen oder auch nur für den Fall der Fälle daheim im Nachttisch deponieren kann, in dem ein erheblicher Teil der Bevölkerung den Staat als seinen natürlichen Feind betrachtet, wo man aber dennoch besser die Hände am Lenkrad lässt, wenn die Polizei einen anhält, und das Einwanderern die offenbar immer noch zündende Idee zu vermitteln versteht, dass sie Amerikaner seien, gehört durchaus meine Sympathie.

P.P.S.: Aber muss man den armen Flüchtlingen aus Schwarzafrika nicht helfen? Am 20. Mai 1996 erschien im Focus ein Interview, das ich mit dem Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt führte; ich gestatte mir, zwei Passagen aus seinen Antworten zu zitieren, weil damit im Grunde alles gesagt ist: "Ich würde vorschlagen, daß sich Europa unter Einbeziehung Osteuropas großräumig abschottet und die Armutsländer der Dritten Welt durch Hilfen allmählich im Niveau hebt. Wenn wir im Jahr 1,5 Millionen Menschen aus der Dritten Welt aufnähmen, würde das dort überhaupt nichts ändern – das gleicht der Bevölkerungsüberschuß (...) in einer Woche wieder aus, solange es keine Geburtenkontrolle gibt. Man kann gegen eine Bevölkerungsexplosion in diesem Ausmaß sonst nichts tun, bestenfalls das Problem importieren, wenn man dumm ist." – "Der Mensch kann alles pervertieren, auch Freundlichkeit oder Gastlichkeit, und wenn die Folgen sich als katastrophal erweisen, schleichen sich die Wohlmeinenden meist davon und sagen: Das haben wir nicht gewollt."

Es gibt natürlich noch die christliche Version: Gehe hin und tue desgleichen, also nimm einen armen afrikanischen Flüchtling auf, unterweise ihn im Gebrauch von Alphabet, Zahnbürste, Kondom und Kolonialschuldvorwurf oder finanziere ihm eine Ausbildung; dass diese Version so unpopulär ist, hängt mit der pervertierten Tugendauffassung hierzulande zusammen, welche darin besteht, dass sich diejenigen als moralisch Edle feiern lassen, die von den anderen fordern, die Integrationsleistungen zu erbringen – ein Vorgang, den man gar nicht oft genug und heftig genug denunzieren kann (insofern und am Rande: Applaus für Pirincci!). Jeder, der fordert, Deutschland solle noch mehr ungebildete, alimentierungsbedürftige Zuwanderer aufnehmen, müsste in einer Gesellschaft, die nicht völlig verblödet oder moralisch bis zur Selbstaufgabe erpressbar geworden (also ebenfalls völlig verblödet) ist, gefragt werden, was ihn zu dieser Forderung legitimiert und was er bzw. sie selber dafür leistet, dass diese Leute, bildlich gesprochen, nicht mit Fischen versorgt, sondern zum Angeln angeleitet werden.

P.P.P.S.: Und damit will ich es der hier nun womöglich allzu oft traktierten Themen Putinrussland und Einwanderung bzw. Untergang des Abendlandes einstweilen genug sein lassen, denn sich endlos zu wiederholen gehört zum Metier politischer Kommentatoren, sollte aber nicht zu meinem werden. Begeisterte und vor allem mütterliche schwarze Ammen werden irgendwann die letzten weißen Kinder wiegen und in den Schlaf summen! Causa finita!

Zuerst erschienen auf michael-klonovsky.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: qed

Natürlich würde Herr Klonovsky dies nicht, Herr Mittelsdorf.
Es ist jedem unbenommen, sich zu blamieren, so gut er kann:
Die grandiosen Strategen vom Baltikum über Polen bis zur Ukraine kommen mir so vor wie die westdeutschen Generäle zu meiner Bundeswehrzeit, die völlig doof das amerikanische Natospielchen mitmachten und eine Atomgranate nach der anderen auf den 'durchbrechenden Russen' im 'Fulda- Gap' feuern wollten und flächendeckend die gesamte DDR- Grenze mit atomsprengkopfbestückten 'Honest Tom' im Visier hatten.

Na, dem Russen hätten mers aber gezeigt!

Gravatar: Paul Mittelsdorf

"Als Dank rückten ihm die Amerikaner via Nato noch ein bisschen näher auf den Bärenpelz."

Herr Klonovsky, Sie wissen selbst, daß die Osteuropäer aus gewissen historischen Erfahrungen heraus durchaus freiwillig den Beitritt in die NATO gesucht haben. Fänden Sie es richtig, Ihnen dies zu verwehren? Falls ja, aus welchem Grund?

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