Rosa, fluffig, süß und klebrig

Die “Kirche”, die der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer beschreibt, ist wie Zuckerwatte: rosa, fluffig, süß und klebrig. Ich aber träume von einer Kirche, in der der Pfarrer im Beichtstuhl sitzt, in der Menschen offene Türen finden, die die Sünder aufnimmt und ihnen das Wort Gottes verkündet.

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Wie Zuckerwatte wirkt sie, diese Beschreibung der neuen Kirche, die Klaus Pfeffer, Generalvikar des Bistums Essen, für das Online-Magazin futur2 geschrieben hat. Beim Lesen dieser oben verlinkten Beschreibung von GV Pfeffer trat das Bild einer solchen Kirche lebendig von mein inneres Auge. Und so würde das dann wohl aussehen:

Es ist eine Kirche, in der die Christen “interessante Leute” sind, die von einer inneren Kraft getragen sind. Sie sind wenige, weil es “anspruchsvoll ist, Christ zu sein”. Sie treffen sich in “attraktiven Kirchenzentren”, wo sie unter Anleitung von “gut ausgebildeten Leiterinnen und Leitern in meditativ- angenehmer Atmosphäre ‘Eucharistie’ feiern”. Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Gottesdienste bringen sich selber ein, sie sind schließlich auch gut ausgebildet. Das Zunkunftsbild kennt keine katholische Kirche mehr. Es hat die Anspruch der Universalität zu Gunsten eines elitären Denkens und eines nahe an Synkretismus heran reichenden Ökumenismus aufgegeben, denn man will “vielfältige Angebote machen und unterschiedlichen Traditionen gerecht werden”.

Natürlich ist eine solche Elitekirche auch sozial aktiv, man bietet umfangreiche seelsorgliche, soziale und caritative Angebote, die aus Spenden und von Staatsgeldern finanziert werden. Es ist alles hochprofessionell, mit viel Geld ausgestattet, so daß sich keiner der Christen selber die Hände schmutzig machen muß. Dafür bringen die Christen dieser Zukunftskirche ihre hohe fachliche Kompetenz in die Gesellschaft ein. Sympathisch soll die Kirche der Zukunft sein. Sympathisch sollen die Christen sein.

Man sieht es förmlich vor sich, wie sie ihre Limousinen auf den Parkplatz vor dem mit Stahl und Glas umgebauten früheren neugotischen Edelkirchenzentrum parken. Menschen aus der urbanen und ländlichen oberen Mittelschicht kommen hier zusammen. Sie verdienen gut, sie leben gut und sie lassen es sich erkennbar auch spirituell gut gehen in ihrem modernen Kirchenzentrum. Kinder in Markenklamotten sammeln sich zu hochprofessionell geleiteten, altersgerechten Angeboten. Natürlich zeitgemäß, pädagogisch wertvoll und multimedial. Währenddessen genießen die Eltern in edler Freizeitkleidung und in ansprechend meditativer Umgebung den selbstgestalteten Gottesdienst.

Es pulsiert das pralle Leben um diese Kirchenzentren, denn man ist immer auf der Höhe der Zeit mit seinen Angeboten. Coaches und Organisationsentwickler haben den Finger am Puls der Gesellschaft und erarbeiten marktgerechte Kirchenprodukte, um ein maximales spirituelles Wohlbefinden der zahlenden Kunden zu gewährleisten. Aus Freude am Mitmachen und weil sie es können bringen sich viele ein in die Gestaltung. Man will ja glänzen, nicht nur mit seinem Geld, auch mit seinem Wissen und seiner spirituellen Erfahrung. Professionelle Organistionen beraten die attraktive Zukunftskirche, man muß schließlich am Markt bestehen können. Externes Knowhow auch von Nichtchristen steigert die Attraktivität. Immer neue Symbole und optische Auftritte werden entwickelt. Das Kreuz, jenes grausige Marterinstrument, hat in einer solchen Kirche natürlich längst ausgedient. Das ergibt sich schon von selbst. Design und Auftreten repräsentieren den neuen Markenkern der Zukunftskirche. Die Botschaft ist exakt auf die Zielgruppe ausgerichtet. Störendes wird eliminiert. Moralische Standards entsprechen der Lebenswirklichkeit der Klientel.

Ja, es gibt auch das Soziale. Man hat es outgesourced, abgegeben an hochprofessionell arbeitende Firmen, die wirtschaftlich handeln und profitabel sein müssen. Diesen steht man mit seinem hohen Knowhow natürlich immer gerne zur Seite. Die Armen, die Alten und Kranken würden das Bild des attraktiven Kirchenzentrums doch zu sehr stören. Darum ist räumliche Nähe nicht gewünscht. Ihre Unbildung wäre ein Makel, der störte. Ihre Einfachheit wäre deplaziert. Doch für das Image sind sie gut, darum bekommen sie ihre eigenen Einrichtungen (und natürlich einen Platz auf der makellosen Webseite).

Längst ist die Seelsorge in den Händen erstklassiger Personalcoaches, die die gut zahlende Klientel in allen Lebenslagen beraten und für exzellente Persönlichkeitsentwicklung und damit natürlich auch wirtschaftlichen Erfolg stehen. Die Sünde ist abgeschafft und durch moderate Fehlertoleranz und persönliche Evaluation von Entwicklungsprozessen bestens ersetzt. Sakramentalität der Seelsorge hat ebenso ausgedient wie die Sakramentalität des Amtes. Flexibilität geht vor. Zu starre Lebens- und Glaubensentwürfe können am Markt nicht mehr bestehen. Motivationstrainer machen die modernen Christen immer wieder fit für den Alltag.

Diese Zukunftskirche ist eine Kirche der Reichen, der Erfolgreichen, der Jungen und der Schönen.

Sie ist eine gnostische Gemeinschaft der gut Ausgebildeten.

Sie ist durchdrungen vom Positiven Denken.

Diese “Kirche” ist wie Zuckerwatte: Rosa, fluffig, süß und klebrig.

Diese Kirche betreibt keine Wärmestuben für Obdachlose.

Diese Kirche betreibt Consultingfirmen, die sie selbst und die großen Player in der Wirtschaft beraten.

Science fiction?

Eine solche Kirche ist gar nicht so unrealistisch, wie es auf den ersten Blick wirken mag. Eine solche Kirche, in der die Methoden der Organisationsentwicklung noch viel mehr in die Entwicklung und Umsetzung pastoraler Prozesse eingebunden werden, ist schon längst in den Köpfen vieler Pastoralstrategen. Die Consultants, die Organisationsberater, bestimmen zunehmend das künftige pastorale Handeln der Kirche. Es ist sogar erwünscht, daß sie dies tun.

Im Blick der Consultants stehen natürlich die zahlungskräftigen Mitglieder der Kirche, weil nur diese dauerhaft die Kirchensteuermittel, von denen sie ja leben, gewährleisten können. Folglich richtet sich die Pastoral einer von Organisationsberatern geprägten Perspektivenentwicklung vorrangig an die zahlungskräftige (und -willige) Kundschaft “in Kirche”, die dann natürlich auch mitbestimmen will, wie “Kirche” künftig funktionieren soll. (Dialogprozesse!) Da wird massiv “Kirche” umgebaut.

Das ist die Kirche, die sich die Consultants vorstellen. Das sind die Phantasien, die unter Einfluß der Consultants in den Ordinariaten zum Teil längst die Gestalt von konkreten Plänen angenommen haben. Natürlich wirkt es hier überzeichnet. Aber diese Kirche ist wirklich eine Kirche der Reichen, der oberen Mittelschicht, einer neuen Art Bürgertum, das schon längst heranwächst und als Klientel für “Kirche” entdeckt ist. Das ist die Kirche der Kirchensteuerzahler, die der Kirche trotz zunehmender Austritte permanent steigende Kirchensteuern bescheren. Diese Klientel soll erhalten bleiben.

Es ist auch eine Kirche, in der viel Geld verdient wird. Berater aller Art haben für gewöhnlich exorbitant hohe Honorare, die natürlich aus Kirchensteuermitteln generiert werden müssen. Schon jetzt fließen immer mehr Kirchensteuermittel in Beratung und Werbung. Consultingfirmen und Werbeagenturen haben den Kirchenmarkt längst entdeckt. Mit der Kernbotschaft des Christentums, dem Tod und der Auferstehung Jesu Christi, mit dem Kernsymbol des Christentums, dem Kreuz, können sie zwar zumeist nicht viel anfangen. Doch sie sind kreativ genug, diese umzudeuten und umzubiegen, damit sie für jeweils neue Botschaft marktgerecht angepaßt werden können.

Die Bistümer nutzen diese modernen Formen der Beratung und Organisationsentwicklung, weil die alten Strukturen der Volkskirche tatsächlich zusammen brechen. Neue Strukturen müssen her. Darüber werden sich wohl alle einig sein.

Auch Papst Franziskus spricht von neuen Strukturen in der Kirche.

Nachdem ich die Vision von Generalvikar Pfeffer gelesen habe, bin ich Fan der armen Kirche für die Armen geworden. Diese Vision zu lesen war wie ein Akt der Erleuchtung. Auch ich habe einen Kirchentraum: ich träume von einer Kirche, in der der Pfarrer mit einer geflickten Soutane (nicht aus Klerikalismus, sondern weil er nichts anderes hat) unter einem etwas bröckeligen Kirchendach im Beichtstuhl sitzt. Eine Kirche, in der einfachen Menschen offene Türen und ein Wort des Trostes finden. Eine Kirche, die die gebrochenen, die Sünder, die Aussätzigen unserer Tage aufnimmt und ihnen das Wort Gottes verkündet.

In der Zukunftskirche von GV Pfeffer wäre mein Oma keine Christin gewesen, denn sie war eine einfache aber starke Frau mit einem fast schon kindlichen und doch so festen Glauben. Es ist dieser Akt der posthumen Ausgrenzung, der mich nachgerade schockiert.

Ja, ich träume von einer Kirche, die in den großen Städten kleine Missionsgemeinschaften aus Laien, Ordensleuten und Priestern in den armen Stadtvierteln gründet und dort das Evangelium verkündet. Ich – der ich so bürgerlich lebe – träume von einer Kirche, die ihre bürgerlichen Strukturen ein für alle mal über Bord wirft und an die Ränder geht. Ich weiß nicht, ob ich mitgehen könnte. Doch ich glaube, auch ich könnte dort meinen Ort finden. Die Kirche der Zukunft wird eine verbeulte Kirche sein. Eine verbeulte Kirche ist die das einzig wahre Haus voll Glorie, denn der Glanz der Kirche kommt von ihrem Herrn und eben nicht architektonisch hochwertigen Glaswänden und Stahlträgern.

Zuerst erschienen auf katholon.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Waldgänger (e.B.) aus Schwaben

Auch auf mich wirkt die Vision des Herrn Pfeffer eher abstossend. Ich hätte Angst in eine solche Kirche zu gehen, weil ich kein perfekter Christ bin. Ich schaffe es meistens nicht das Bild vom perfekten Christen auszustrahlen.

Arm muss die die Kirche nicht unbedingt sein. Die Kirche hier un dheute sollte ein Ort der Stille sein, im wörtlichen und im übertragenden Sinn, an dem die Stimme Gottes für Suchende hörbar ist. Die Kirche muss nicht zu jeder tagesaktuellen Frage Stellung beziehen und nicht das perfekte Event bieten.

Eine Bild für die Kirche heute:

Eine Bank unter einem Baum abseits des Getöses der Welt, wo der Suchende sich zurückziehen kann, um über Gott und den Sinn des Lebens nachzudenken. Das reichte schon. mal für den Anfang.

Gravatar: Ian Krukow

Ein sehr treffender Kommentar. Und leider gar nicht unrealistisch. Es scheint höchstens so, weil die Verantwortlichen es natürlich niemals in dieser Klarheit sagen würden.

Nachdem mich das Thema aber noch etwas beschäftigt hat, war es vor allem ein Satz, der mich erschüttert hat:
"Ich weiß nicht, ob ich mitgehen könnte."

Nicht, weil ich kritisieren wollte, dass Sie das geschrieben haben, oder dass Sie es so empfinden. Ich bin selbst nicht sicher, wie weit ich gehen könnte. Aber die Frage ist doch: Was ist das für eine Gemeinde (übrigens egal ob katholisch, evangelisch, freikirchlich, charismatisch ...), in der ehrliche, jahrelange Mitglieder ehrlicherweise sagen müssen: Ich weiß nicht, wie weit ich Gott tatsächlich folgen könnte? Was macht denn die Gemeinde? Sie haben es ja beschrieben. Sie dient den Menschen, aber nicht Gott. Sie richtet sich nach den Menschen aus. Ist sie dann überhaupt noch Gottes Gemeinde?
"Wollte ich noch Menschen gefallen, wäre ich kein Diener von Christus." (Paulus, Galater 1,10)

Aber die meisten "Christen" scheinen ja mit der Situation zufrieden zu sein. Seichte Unterhaltung ist eben gemütlicher als Verfolgung. Aber sie wird immer unbefriedigend bleiben und kann das ewige Leben kosten.

Gravatar: Joachim Datko

Streng gläubige Menschen sind geistig unfrei!

Zitat: "Es ist eine Kirche, in der die Christen “interessante Leute” sind, die von einer inneren Kraft getragen sind. Sie sind wenige, weil es “anspruchsvoll ist, Christ zu sein”."

Es ist nicht anspruchsvoll, einer Religion anzugehören. Im Gegenteil, es ist geistig anspruchslos einer Religion anzugehören, egal welcher.

Ich bin gerne bereit, die von Religionen ausgehende Gefahr für die geistige Freiheit ausführlich aufzuzeigen.

Joachim Datko - Physiker, Philosoph
Forum für eine faire, soziale Marktwirtschaft
http://www.monopole.de

Gravatar: Jürg Rückert

Ich fürchte, der Herr Generalvikar ist ein nicht untypischer Exponent der derzeitigen deutschen Kirche.
Eine Kirche für alle, eine Massenkirche ist eben Vergangenheit („Herr, sie riecht schon“) und verschütteter Milch soll man nicht nachweinen (siehe unten). So meint es der Herr Generalvikar und er lockt seine Truppe in eine glorreiche Zukunft.Hohe gesellschaftliche Anerkennung dank umfassender Potenz, begehrt, geliebt, schön, reich, ewig jung, umfassend attraktiv, stark, einflussreich, beachtlich - Schwarmgeisterei der neuen Art.
Eine Kirche der Sünder, der Armen, der kleinen Leute mit ihren vielerlei Ängsten und Gebrechen, die Schmach des Kreuzes, das alles ist Teil eines finsteren Spätmittelalters.
Es braucht auch keine professionellen Pfarrer mehr, dafür sehen wir strahlende Leiter von Gottesdiensten, die die alten Pfarrer wirklich alt aussehen lassen.
Ach, ich muss mich jetzt zurücknehmen, er hat es doch so gut gemeint, und da so viele Gutmeinende an den Schaltstellen der neokatholischen Kirche sitzen, die von Dichtern wie Jean De Lafontaine in seinem Gedicht „Perrette et le pot au lait“ (Perettchen mit der Milchmädchenrechnung) treffend skizziert wurden, gehe ich lieber zur Piusbruderschaft. Amen.
P.S.: Diese Traumtänzer haben von der realen Zukunft keinen blassen Schimmer, die da ist:
Massive Verarmung breiter Massen, bürgerkriegsähnliche Szenarien im ganzen Land und schließlich ein großer Krieg, der ein weites Leichenfeld übrig lässt.

Gravatar: Julius Pompilius

Interessant ist, dass sowohl das Statement wie auch die Seite des Generalvikars beim Bistum Essen weder die Wörter Jesus noch Gott uneingeschränkt enthalten. Was ich vor zwanzig Jahren befürchtet habe, tritt nun so langsam ein. Die Entscheider der Kirche entscheiden nach Marktgängigkeit und Mainstream, nicht aufgrund ihres Glaubensgrundes - hoffentlich ist er noch da. Es wird seitens des Generalvikars ein Bild von Kirche gezeichnet, das genauso gut durch irgendeinen Service-Club ausgefüllt werden könnte, z. B. Rotary oder Lions. Vor zwanzig Jahren wollte "Wir sind Kirche" eine durch und durch bürgerliche und nach bürgerlichen Maßstäben gestaltete Kirche haben. Es ist ein Wohnzimmerchristentum, das hier als Ideal propagiert wird.

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