Rösler contra Schellnhuber

In einer Welt voller sich widersprechender Partikularinteressen und voller um Berichtenswertes und damit um Aufmerksamkeit buhlender Medien ist politisches Überleben mit Unangreifbarkeit gleichzusetzen.

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Denn was auf breiter Front kontrovers diskutiert wird, hat bereits verloren. Die Komplexität der Moderne macht es der Politik unmöglich, für alle gleichermaßen richtige Entscheidungen zu treffen. Was man auch plant und durchführt, immer gibt es Profiteure auf der einen und Geschädigte auf der anderen Seite. Können sich letztere lautstark genug bemerkbar machen, weil ihren Argumenten in der Berichterstattung ausreichend Raum gegeben wird, wird jedes Vorhaben scheitern. Spätestens im Koalitionsgeschacher nach einer Wahl, in dem Festlegungen in strittigen Fragen immer vermieden werden.

Diese Handlungsunfähigkeit unserer Administration in strittigen Fragen hat durchaus Vorteile. Sie sichert letztendlich den schwachen Staat, dessen Machtlosigkeit notwendige Bedingung für individuelle Freiheiten ist. Aber es gibt auch entscheidende Nachteile. Nicht nur werden kluge Pläne oft genug zerrieben und verhindert, auch öffnen sich Tore für Manipulatoren aller Art. Wenn nur das Unangreifbare unstrittig genug für Einigung und Entscheidung ist, sichert der entsprechende Verkauf der eigenen Ideologie deren Durchsetzung.

Auf diese Weise konnte der Ökologismus in Deutschland seinen Siegeszug antreten, von der Implementation positiv besetzter Begriffe wie „Nachhaltigkeit“, „Vorsorge“, „Klimaschutz“ und „Erneuerbar“ bis hin zu konkreten Entscheidungen wie der „Energiewende“. Denn es geht ja um die Zukunft kommender Generationen, um tapsige Eisbärenbabys und um die Übernahme von Verantwortung. Man beachte, wie sich hier die klassischen Marketing-Stereotypen Kinder, Tiere und individuelles Wohlgefühl miteinander verbinden. Klimaschutz ist etwas für die Seele – in hohem Maße irrational wie emotional. Ein „nachhaltiger“ Lebensstil gilt heute als moderner Weg zur Glückseligkeit. Da ist es nicht so wichtig, was genau man nun darunter eigentlich versteht. Für die Rettung der Welt einzutreten ist eben unangreifbar, auch ohne genau zu wissen, was denn nun wovor wie genau geschützt werden muß. Trotz durchaus beachtenswerter Differenzen in den Details haben daher alle im Bundestag vertretenen Parteien den Ökologismus verinnerlicht. Einigkeit in grundsätzlichen, sprich unstrittigen Fragen, gleich ob sinnvoll oder nicht, sichert die Kooperationsfähigkeit untereinander und damit den Zugang zur Macht, um in anderen Politikfeldern eigene Vorstellungen durchsetzen zu können.

Aus diesem Grund erfordert die Überwindung der grünen Ideologie einen langwierigen und langdauernden Emanzipationsprozeß. Es sind kleine, zunächst kaum merkbare Schritte, mit denen in der Gesellschaft die Zweifel an der Sakrosanz von Klimaschutz und Energiewende wieder wachsen können. Man könnte – wie Philipp Rösler gezeigt hat – dazu die Institutionen des Ökologismus angreifen. Allen voran den WBGU.

Der „Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen“ WBGU wurde von der Bundesregierung im Jahr 1992 eingerichtet. Seine Aufgabenstellung beschreibt er selbst in folgenden Punkten:

       

    • globale Umwelt- und Entwicklungsprobleme zu analysieren und darüber in Gutachten zu berichten,
    • nationale und internationale Forschung auf dem Gebiet des Globalen Wandels auszuwerten,
    • im Sinne von Frühwarnung auf neue Problemfelder hinzuweisen,
    • Forschungsdefizite aufzuzeigen und Impulse für die Wissenschaft zu geben,
    • nationale und internationale Politiken zur Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung zu beobachten und zu bewerten,
    • Handlungs- und Forschungsempfehlungen zu erarbeiten und
    • durch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit das Bewusstsein für die Probleme des Globalen Wandels zu fördern.
    •  

Wie man diese Vorgaben umsetzt, hängt natürlich sehr stark von den handelnden Personen ab. Berufen werden die Mitglieder des Beirates für jeweils 4 Jahre von den federführenden Ministerien für Umwelt und für Forschung. Ein Name ragt dabei heraus. Prof. Dr. Hans-Joachim Schellnhuber, heute Chef des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung PIK, ist seit 1992 ununterbrochen im WBGU tätig. Von 1994 bis 1996 und von 2004 bis 2008 war er stellvertretender Vorsitzender, von 1996 bis 2000 und von 2008 bis heute Vorsitzender des Gremiums. Er hat inhaltliche Arbeit des WBGU ebenso entscheidend geprägt und gelenkt, wie dessen personelle Zusammensetzung. Den Beirat als Unterstützerkreis zur Ausformulierung und Verbreitung Schellnhuberscher Konzepte zu bezeichnen, scheint daher eine zutreffende Charakterisierung.

Allgemein sind Einfluß und Wirkmöglichkeiten solcher Beratungsgremien äußerst begrenzt. Jedes Bundesministerium hat eines oder mehrere davon (Beispiele: EntwicklungshilfeWirtschaftFamilieFinanzenVerkehr), deren oft viele hundert Seiten umfassenden Gutachten von kaum jemandem in der Verwaltung wirklich gelesen und verarbeitet werden. Auf der Leitungsebene (Minister und Staatsekretäre) landet höchstens die Zusammenfassung der Zusammenfassung, deren Priorität im Tagesgeschehen als niedrig anzusehen ist. Die Kosten für den Steuerzahler bleiben überschaubar, denn die Beiratsmitglieder werden nicht honoriert. Lediglich die Erstattung der Reisekosten ist vorgesehen. Mit der Organisation werden ein bis zwei Referenten aus dem jeweiligen Ministerium zusätzlich zu ihren normalen Aufgaben betraut.

Vor allem in dieser Hinsicht sticht der WBGU deutlich heraus. Er verfügt über einen Stab von 11 Personen, der den Mitgliedern inhaltlich wie organisatorisch zuarbeitet. Es gibt sogar einen „Leiter Medien- und Öffentlichkeitsarbeit“, denn im Gegensatz zu den anderen Beiräten ist der WBGU kein im Hintergrund agierendes Gremium, sondern ein Marketinginstrument. Es ging von Beginn an weit weniger um Politikberatung, als um die Manipulation der öffentlichen Meinung. Nicht zuletzt dank dieser offiziellen Plattform ist Schellnhuber mittlerweile medial fast ebenso präsent, wie seine politischen Auftraggeber. Seine Ratschläge sind eigentlich Anweisungen, er zeigt keine Handlungsspielräume auf, sondern engt sie ein, er sieht sich nicht als Helfer der Regierung, sondern als deren leitender Vordenker. Mithilfe des WBGU konnte sich Schellnhuber als führender Kopf des Ökologismus in Deutschland etablieren und eine Atmosphäre schaffen, in der letztendlich ein seinem Wesen nach totalitäres, antidemokratisches und antifreiheitliches Konzept wie die „Große Transformation“ präsentiert werden kann, ohne in den Ministerien einen breiten Aufschrei des Protestes hervorzurufen. Noch nicht einmal der „Transformations-Comic“, in dem sich Schellnhuber als Weltretter von Superheldenformat inszenieren läßt, wird als das wahrgenommen, was er ist: Eine alberne Peinlichkeit größten Ausmaßes.

Nun aber ist Philipp Rösler der Kragen geplatzt. Über seine Mitarbeiter hat er deutlich machen lassen, einer erneuten Berufung des großen Öko-Gurus in den WBGU nicht zustimmen zu können. Eine Attacke auf die Person entspricht in diesem Fall einer Attacke auf die von ihr vertretene Ideologie, dafür hat Schellnhuber selbst gesorgt. Entsprechend verstört und entsetzt reagieren die Gläubigen, Beispiel Süddeutsche Zeitung:

 

Was seinen Rang in der Klimaforschung angeht, ist der Begriff “Koryphäe” für Hans-Joachim Schellnhuber ganz gewiss nicht zu hoch gegriffen. Seit 1992 ist er Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, das er selbst gegründet hatte. Er ist national und international x-fach ausgezeichnet, unter anderem von der Queen, er spricht zu und mit Potentaten in aller Welt. Zuletzt berief ihn EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in einen neuen Wissenschaftler-Beirat.

Nur aus Deutschland bekommt der Physiker, einst oberster Klimaberater der Bundeskanzlerin, neuerdings Gegenwind. Genauer gesagt: aus dem Bundeswirtschaftsministerium.

 

Der Spiegel äußert sich schon etwas differenzierter. Er weist außerdem auf ein besonders perfides Element in der Argumentation des Wirtschaftsministeriums hin:

 

Insbesondere gegen Schellnhuber, den WBGU-Vorsitzenden, gibt es im Wirtschaftsministerium Vorbehalte. Er würde “Mitte der beginnenden Amtszeit emeritiert und wäre dann ein Vierteljahrhundert Mitglied des WBGU”, heißt es zur Begründung aus Kreisen des Ministeriums gegenüber SPIEGEL ONLINE. Um die “Debatte zu beleben”, habe man zwei Ökonomen als Alternative vorgeschlagen.

 

Ist Schellnhuber alt genug, um den Zenit seiner Schaffenskraft überschritten zu haben? Ist er vielleicht nicht mehr ganz auf der Höhe der aktuellen Debatte? Sind die Konzepte und Thesen des WBGU daher nicht mehr relevant? Sollte man das dann nicht gleich auf den Ökologismus insgesamt übertragen?

Es sind solche Assoziationen, die Rösler möglicherweise induzieren wollte. Fragen, die ernsthaft gestellt eine große Gefahr für die grüne Ideologie beinhalten. Da wäre es andererseits natürlich kontraproduktiv, ausgerechnet mit dem Vordenker Schellnhuber einen Märtyrer zu schaffen.

Was allerdings auch gar nicht möglich und beabsichtigt war. Denn tatsächlich hat Rösler bei der Besetzung des WBGU überhaupt nichts zu sagen. Eine Abstimmung zwischen den Ressorts ist zwar vorgesehen, entscheiden aber können am Ende nur die Kollegen Altmaier und Wanka. Der Wirtschaftsminister hat lediglich ein Signal ausgesendet. Er hat der Öffentlichkeit Stärke vermittelt, um sich am Ende generös zu zeigen. Die FAZ titelt gar „Rösler nimmt Schellnhuber in den Beirat“ – als ob es eben doch in seiner Macht läge – schreibt dann aber korrekt:

 

Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) teile die Bedenken seiner Beamten gegen die neuerliche Berufung Schellnhubers in den Wissenschaftlichen Beirat Globale Umweltveränderung (WBGU) nicht, erfuhr die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) aus dessen Umfeld. Rösler habe entschieden, „den bisherigen Vorbehalten der Fachebene seines Hauses nicht zu folgen und auf Einspruch gegen die vom Umwelt- und Forschungsministerium vorgelegten Vorschläge für Neuberufungen zu verzichten.“

 

Nun also ist Schellnhuber in den Augen der Öffentlichkeit ein Beirat von Röslers Gnaden. Geduldet, nicht gewünscht. Das Attribut „umstritten“ haftet dem Professor aus Potsdam damit für alle Zeiten an. Wann immer er sich wieder in der Öffentlichkeit als Mahner und Warner geriert, können Journalisten seine Äußerungen entsprechend einordnen. Ein Übervater wird auf das normalmenschliche Maß zurückgestutzt. Seine Auffassungen – und damit der Ökologismus insgesamt – können ohne Blasphemieverdacht wieder kritisch begleitet werden. Der mühsam errichtete Nimbus der Unangreifbarkeit erhält durch ein einfaches Manöver Philipp Röslers erste Kratzer.

Darauf kann man aufbauen. Denn der Rückzug von einer ohnehin nicht durchsetzbaren Ablehnung Schellnhubers eröffnet dem Wirtschaftsminister eine spannende Option. Dazu sei erneut die FAZ zitiert:

 

Zwar müssten die Vorschläge für die Neuberufung des WGBU formell in der Regierung abgestimmt werden. Es sei aber guter Brauch, dass jedes Ressort über Beiräte und Kommissionen eigenverantwortlich befinde. Das nehme auch Röslers Haus für sich in Anspruch.

 

Was liegt also näher, als nach der kommenden Wahl einen eigenen, ebenfalls prominent besetzten und ebenfalls infrastrukturell entsprechend ausgestatteten „Wissenschaftlichen Beirat für Umwelt und Ökonomie“ WBU zu etablieren? Ein Gegenmodell und Gegenprogramm zum WBGU. Wenn sich dann in der Öffentlichkeit die Beiräte über Sinn und Unsinn klima- und umweltpolitischer Maßnahmen streiten, wenn das Gutachten des einen mit dem Gegengutachten des anderen beantwortet wird, dann wird auch der letzte Bürger merken: Der Ökologismus ist nicht alternativlos, sondern strittig. Und damit überwindbar.

Mit der verzögerten Zustimmung zu Schellnhubers erneuter Berufung hat sich Rösler den Spielraum geschaffen, ein solches Gremium ohne Gegenwehr aus dem Umweltressort zu etablieren. Ein politisches Meisterstück.

Beitrag erschien auf: science-skeptikal.de

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